Kunst bringt Kasse. Mit Gemälden, Skulpturen, Aktionen werden weltweit Millionen gemacht. Ist das immer seriös? Die Frage stellen sich viele. Das macht nun auch der schwedische Regisseur Ruben Östlund in seinem Spielfilm „The Square“ – mit satirischen Mitteln. Und: er weitet den Blick. Vom Kunstmarkt ausgehend, beleuchtet er die Schieflage einer Gesellschaft, die ganz auf den Mammon ausgerichtet ist. Die Jury des diesjährigen Filmfestivals in Cannes war davon so begeistert, dass sie den Film mit dem Hauptpreis, der Goldenen Palme, ausgezeichnet hat. Verständlicherweise. Der Film besticht mit intelligentem Humor bis hin zu scharfem satirischen Witz, hat Spannung, ist sehr gut inszeniert und gespielt.

The Square“ ist eine Kunstinstallation vor einem Museum, auf einem großen Platz – ein abgestecktes Quadrat, in dem jeder seine Probleme, Hoffnungen, Wünsche zum Ausdruck bringen, sie darauf projizieren kann. Ein Kunstobjekt also als Zufluchtsstätte. Was auch anmahnt, dass öffentliche Plätze Orte sein müssten, an denen sich Menschlichkeit, Zivilcourage, gesellschaftliches Engagement entfalten sollten. Klingt gut. Hat aber eine Kehrseite: Die Museumsleute erhoffen einen spektakulären Erfolg. Und schon starten die Spekulationen auf Profit. Der Umsatz bestimmt die Kunst.

Wir Zuschauer werden sehr schnell mitten ins Gewühl des Jahrmarkts der Eitelkeiten gestürzt, erleben die aberwitzigsten Situation, sind etwa dabei, wenn hohles Geschwätz als Weisheit verkauft werden soll, wenn die Schönen und Reichen ihre abgekarteten Spielchen spielen, um noch reicher zu werden. Im Kontrast dazu sind immer wieder die Ärmsten der Armen zu sehen, Bettler beispielsweise. Das ist nicht aufdringlich, geschieht en passent, und zeigt gerade deshalb besonders kontrastreich den Tanz ums Goldene Kalb. Da wird der Witz dann oft bitter. Wobei auch schallend gelacht werden darf, etwa wenn da mittels Affentheater auf Schock gesetzt wird, um größtmögliches Medieninteresse zu bewirken, wenn ein Steinhäufchen, angeblich ein bedeutendes Kunstobjekt, beschädigt wird, weil ein Putzmann es als das ansieht, was es ist, ein Häufchen Dreck.

Erfreulicherweise rutscht das nie ins Alberne ab. Denn der Film nimmt die sich letztlich vor allem um Geld drehende Kunst-Handels-Welt durchaus ernst. Zudem verengt der Film den Blick nicht allein darauf, sondern nutzt das Geschehen eindeutig als Spiegel der Gesellschaft. Da ist dann die Hauptfigur entscheidend, der Kurator Christian. Er sieht sich als aufgeklärten Geist, modern, tolerant, weltoffen, immer um politische Korrektheit bemüht. Was ihm zur Falle wird. Denn er spielt beständig die Rolle des klugen, höflichen Mannes – ist nie echt – und damit gerät er in Gefahr, seine humanistischen Ideale im Gestrüpp schicker Reden und leerer Posen zu verlieren.

Hauptdarsteller Claes Bang zieht einen als Zuschauer mit seinem differenzierten Spiel sofort mitten ins Geschehen, man wähnt sich an seiner Seite, fühlt sich auch provoziert, möchte seinen Christian wachrütteln, wenn der Phrasen drischt, und fragt sich, ob man nicht selbst zu oft in die Gefahr gerät, dummes Zeug zu reden, sich in Floskeln zu flüchten, statt wirklich nachzudenken und zu versuchen, herauszufinden, was nicht nur für einen selbst, sondern auch für die Mitmenschen von Nutzen ist. Zudem gerät der von ihm gespielt Christian auch in Konflikte, in die sich jeder hinein versetzen kann, etwa eine vertrackte Affäre mit einer Journalistin; gleich zu Beginn wird ihm das Mobiltelefon geklaut; immer wieder gerät er – sowohl im tatsächlichen als auch im übertragenen Sinn – ins Stolpern … Das bringt einem die Figur (und darüber die Auseinandersetzung mit dem Kernthema des Films, „Wie bewahre ich meine persönliche Würde, ohne die Würde anderer zu beschädigen?“) ganz nah.

Und Ruben Östlund, der Autor und Regisseur, erzählt so elegant und flüssig, dass man gern in den Film eintaucht. Was sehr bemerkenswert ist. Denn der Spielfilm wurde ja von einer wirklichen Kunstinstallation mit dem Titel „The Square“ angeregt, eine Installation die Ruben Östlund mit einem Freund zusammen 2015 im Design-Museum Vandalorium im schwedischen Värnamo ausgerichtet hat. Was er damals mit und um das Quadrat erlebt hat, hat er mit Verve in diesem Film verarbeitet – ein kluges Nachdenken über den Wert von Menschlichkeit im Spannungsfeld von Macht und Machtmissbrauch.

Peter Claus

Bilder: © Bac Films

The Square, von Ruben Östlund (Schweden / Deutschland / Frankreich / Dänemark 2017)