Das Million Dollar Baby
Irgendwann schlägt das kleine Mädchen mit Boxhandschuhen gegen die Tatzen des Mannes. Das ist ein Zitat von Clint Eastwoods „The Million Dollar Baby“. Und es ist ein zutreffendes Zitat.

Seine achtjährige Tochter Emma ist für Til Schweiger tatsächlich das „Million Dollar Baby“. Dieses Mädchen unterscheidet „Kokowääh“ von seinen anderen Arbeiten. Der Rest ist Schweiger. Es gehört in Kreisen zum guten Ton, über Til Schweiger zu grinsen. Das hat auch seine Gründe. Schweiger kann, als Schauspieler, das arrogante Arschloch und den netten Kerl. Den arroganten, blasierten, zotigen Womanizer und den netten Papa. Das Dazwischen, den Weg zwischen beiden, das kann er nicht. Nicht schreiben, nicht spielen, nicht inszenieren. Doch es wäre arrogant, „Kokowääh“ mit dieser Häme zu begegnen. Natürlich, Schweiger bleibt Schweiger, man muss es mögen. Aber er hat eine Tochter. Die muss man lieben.

Til Schweiger, ganz bei sich, flüchtet vor zwei jungen geilen Weibern und übernachtet in seiner Ente. Die wird abgeschleppt, der gute Til erwacht auf dem Abschleppplatz, ohne Geld, das Auto auszulösen. Heiterer Wortwechsel mit den Arbeitern mit Migrationshintergrund, das Auto kommt nach Afrika. So weit, so Schweiger.

Aber dann kommt Emma.

Die sitzt vor der Tür, die fragt „Bist du Henry?“, die sagt, die Mama sagt, du musst den Brief lesen. Darin steht, Magdalena, acht Jahre, ist Henrys Tochter, was seit kurzem leider auch Tristan weiß, Mamas Mann, der bis vor kurzem glaubte, er sei auch Magdalenas Papa. Es war damals auf einem Flughafen. Jetzt hat der gerade arbeitslose Drehbuchautor eine Tochter. Kochen kann er auch nicht, außer Coq au vin, was in der Phonetik der Tochter den Titel ergibt. Und wenn die mit der erfahrenen Lebensweisheit einer Achtjährigen sagt „Aber ohne Frühstück kann ich mich nicht konzentrieren in der Schule“ dann muss einer schon ein merkwürdiger Mensch sein, um davon nicht berührt zu werden. Oder sich ganz viel Mühe geben mit dem Gedanken, dass dies ein Schweiger-Film ist, in dem ein anständiger Intellektueller nichts zu lachen hat.

Denn dieser Film ist besser, charmanter, flirrender als „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“, obgleich die vielen bunten Leerstellen, in denen eine fröhliche Kamera sinnlos durch Berlin fährt, obgleich die vielen blöden Sätze „Ich habe es geliebt, mit dir zu lachen“ ständig erinnern, wer den Film gemacht hat. Aber Schweiger hat seiner Tochter manchen hübschen Gag ins Buch geschrieben. Und immer, wenn dieses kleine Mädchen auf der Szene ist, dann weiß sogar der Papa, dass man da keine Zoten reißt.

„Ich mache Filme mit Anspruch, da zählen die Zuschauer doppelt“ sagt der Regisseur des Filmes, den Henry mit seiner damaligen Liebe Katharina schreibt. Diese Figur des Regisseurs ist eine Parodie, die in jeder Fernseh-Commedy auftreten könnte, ein echter Schweiger eben. Und die Fernsehserie, die Henry geschrieben hat heißt „Der Förster vom Spreewald“. Schweiger kokettiert mit seinem Image, dass sich die Balken biegen. Und er kann sich das leisten. Er macht Filme mit dem einen einzigen Anspruch, Erfolg zu haben, Zuschauer zu überzeugen. Er muss sie nicht doppelt zählen, die Hälfte seiner Zuschauer sind noch immer mehr als das Doppelte der meisten anderen Regisseure. Und dieser Film ist die erste Arbeit von Til Schweiger, der man das, sozusagen, gönnt.

Denn Emma kam.

Das Mädchen spricht, als wären die Sätze zu lang für das Kind, die Sätze scheinen immer irgendwie im Sterben zu liegen, gerade, dass sie das jeweils letzte Wort noch mit großer Anstrengung aus sich herauspresst. Kinder kommen immer gut, aber dieses Kind hat mehr, als die allgemeine Kinderniedlichkeit. Es hat so etwas wie Persönlichkeit und das spricht nicht gegen den Vater. Ob das Anzeichen einer professionellen Befähigung sind, ist bei einer Achtjährigen nicht zu sagen, aber das wäre doch eine schöne Perspektive für den Papa: In 20, 25 Jahren einmal bekannt zu sein als der Vater der berühmten Emma Schweiger.

Und er hat auch richtige Schauspieler. Jasmin Gerat, Katharina, schafft es, inmitten eines unglaubwürdigen Dekors glaubwürdig zu bleiben, eine gut aussehende Intellektuelle, die allerdings wohl diesen Kerl eher im Bett als am Schreibtisch gebrauchen könnte, sie wird wohl künftig öfter besetzt werden. Und Samuel Finz, der lustig benamte Tristan-Vater, bringt als Schauspieler einige Ernsthaftigkeit in den Film, er erinnert das moderne Patchwork-Syndrom.

„Er fängt an“, erklärt Henry eine fiktive Geschichte,“das Kind zu lieben. Zum ersten mal spürt er so etwas wie Verantwortung“. Das ist die Story. Jetzt hat Til Schweiger diese Verantwortung für sein Million Dollar Baby.

Text: Henryk Goldberg

Bilder: Warner Bros

Text erschienen in Thüringer Allgemeine, 07.02.2011