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Georg Schrimpf: On the Terrace (selfportrait) ca. 1930

„Die unzerstörbare Macht des deutschen Gemüts“

Der Maler Georg Schrimpf musste lange auf die Anerkennung seines Werkes warten. Und dann wurde es ausgerechnet von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß wahrgenommen. Schrimpfs Tod bewahrte ihn vor dem Pakt mit den Nazis. Vor 125 Jahren wurde der Vertreter der Neuen Sachlichkeit geboren.

Sein Werk ist nahezu vergessen. Der neusachliche Maler Georg Schrimpf taugt nicht als Parade-Beispiel für die avantgardistische Kunst der Zwanzigerjahre. Seine Motive sind zeitlos: Frauen, Kinder, Landschaften, auch Porträts und Stillleben. Er zählt nicht zu den malenden Kritikern wie etwa George Grosz oder Otto Dix, sondern zu den sogenannten Klassizisten der Neuen Sachlichkeit. Die blickten nach Italien, auf der Suche nach den ewigen Werten – und nach sich selbst.

„Jede freie Zeit benützte ich zum Zeichnen und Malen. Und immer wieder Akte aus dem Gedächtnis, die Linien waren mir verkörperte Melodien. Ich wollte eigene Musik malen. Die Blätter versteckte ich immer sehr sorgfältig. Ich wagte nicht, sie sehen zu lassen. Aber schließlich sah doch ein Freund, ein Dichter, damals noch ein Bäckergeselle, darüber, der dann einige Blätter an Pfemfert an die ‚Aktion‘ schickte.“

Das Elend seiner Jugend radikalisiert ihn

Georg Schrimpf erinnert sich an seine Zeit in Ascona bei einer Aussteiger-Kolonie – einer Zuflucht für Künstler, Lebensreformer und Anarchisten. Der erwähnte Bäckergeselle ist Oskar Maria Graf, Schriftsteller und erster Förderer des angehenden Malers. Beide verbindet eine harte Jugend in Bayern. Der am 13. Februar 1889 in München geborene Schrimpf wächst ohne Vater auf, wird im Alter von dreizehn Jahren in eine Konditorlehre gezwungen. Das bedeutet: Arbeit bis zur Erschöpfung, ein notdürftiges Lager im Kühlkeller in Gesellschaft von Ratten. Das Elend seiner Jugend radikalisiert den jungen Mann. Was ihn rettet, ist seine Kunst.

“Der Zweck meiner bildlichen Darstellung ist der: Das mitzuteilen, was im Menschen mehr oder weniger bewusst sich versteckt hält und schlummert: Was man ängstlich hinter vier Wänden in die Ohren spricht; um das herauszuholen, was hinter jedem Auge, in jedem Leib gefesselt und gebrochen ist, um den Schrei heraufzubeschwören, der die Wand durchbricht.“ 

Expressionistisches Pathos spricht aus diesen Zeilen, das man jedoch vergebens in seinen Bildern sucht. Obwohl Schrimpf 1910 in die SPD eintritt, und später in die KPD, bleibt die soziale Wirklichkeit aus seinen Bildern ausgespart. Seit 1914 schlägt er sich in Berlin mit Gelegenheitsarbeiten durch, schreibt Preisetiketten für das KaDeWe, schnupft Kokain – und malt an seiner Gegenwelt. Die Avantgarde-Galerie „Der Sturm“ zeigt sein Werk, dort lernt er auch seine erste Frau, die Malerin Maria Uhden kennen. Sie stirbt nach der Geburt des Sohns Marc im Kindbett – ein weiterer Schicksalsschlag. Doch mit der Kunst geht es bergauf. 1925 ist Schrimpf mit zwölf Bildern in der legendären Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ in der Mannheimer Kunsthalle vertreten.

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Georg Schrimpf: Spielendes Mädchen, 1918, Holzschnitt aquarelliert

Schrimpf erhält nun Lehraufträge, verkauft, sein Werk wird wahrgenommen. Der italienische Kunstschriftsteller Carlo Carrà beschreibt sie als Neuschöpfung der italienischen Primitiven, gemeint ist Giotto und die Maler der Frührenaissance. Schrimpfs Freund Oskar Maria Graf hingegen wittert bereits 1923, warum dessen innige Mutter-Kind-Szenen auch den Nationalsozialisten gefallen sollten.

 „Es ist das Deutsche, das im Wesen dieses Künstlertums, dieser Bilder wirkt. Es ist dasjenige, das uns so unabgebraucht, so immer frisch und bis ins Tiefste unserer Seele greifend etwa aus einem Gedicht von Claudius entgegen klingt. Es ist die unzerstörbare Macht des deutschen Gemüts.“ 

Und so kommt es, dass der Stellvertreter Adolf Hitlers, Rudolf Heß, dafür sorgt, dass ein Bild Schrimpfs, das 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gelandet ist, dort wieder verschwindet. Die einen sehen ihn als Kommunisten und Staatsfeind, Heß hingegen beauftragt den Maler mit einem Fresko für seine Villa.

Der knapp Fünfzigjährige weiß genau, in welche Katastrophe er hineingeschlittert ist. Im folgenden Jahr, 1938, hört sein Herz einfach auf zu schlagen. Der Tod bewahrt ihn vor dem Pakt mit den Nazis oder dem KZ. Und die Kritik kann ihn vorbehaltlos feiern als einen der wichtigen Vertreter der Neuen Sachlichkeit.

Carmela Thiele, 13.02.2014 Deutschlandradio Kultur