Ein Charakter

Natürlich war dieser Superman eine Albernheit. Doch Christopher Reeve nahm der Figur im Nachhinein das Lächerliche und gab ihr ein wirkliches, aufrichtiges  Pathos, neun Jahre im Rollstuhl.

Er starb im Alter von 52 Jahren, an den Spätfolgen seines Unfalls, und er starb als ein Mann, der sich den albernen Rollennamen als einen ehrenhaften nome de guerre erworben hatte. Und der Krieg, den er führte, den führte er nicht mehr gegen alberne Märchengeschöpfe sondern gegen etwas, was man, so lang es kein besseres Wort gibt dafür, wohl Schicksal nennen muss.

Dieser strahlende Mann war 42 Jahre alt, 193 Zentimeter groß und ein Star, als er am 27. Mai 1995 auf ein Pferd stieg. Er war ein begeisterter und brillanter Reiter. Einen Augenblick später war er ein Häufchen Unglück, ein Sturz, gelähmt vom Hals abwärts. Vom Hals abwärts. Von einer Sekunde zur anderen. Einfach so.

Man wird nie erfahren, ob Christopher Reeve, der neben Katharine Hepburn am Broadway debütierte, über das Potenzial eines wichtigen Schauspielers verfügte. Man hätte es auch ohne diesen Unfall wohl nie mehr erfahren, denn nach den Filmen als Superman war er reich und berühmt  und als Künstler im eigentlichen Sinne des Wortes erledigt.  Kaum jemand besetzt ein Gesicht, das weltweit mit einer Comic-Figur assoziiert wird, mit einer ernsthaften Rolle  und es bedarf wohl eines großen Charakters, um solche Rollen zu kämpfen.

Ob Christopher Reeve diesen Charakter als Schauspieler besaß, werden wir nie erfahren. Als Mensch, und das ist die größere Ehrung, besaß er ihn. Er trat vor der UNO ein für die Rechte von Behinderten, er trat in Kalifornien ein für die embryonale Stammzellenforschung. Seine Substanz lernt der Mensch erst kennen in existenziellen Extremsituationen.

Es gibt Millionen solcher Menschen auf der Welt. Wenn sie nicht Christopher Reeve heißen oder Stephen Hawkings, dann sterben sie unbemerkt.

Text: Henryk Goldberg