3D ist so alt wie die Filmgeschichte selbst. Neu jedoch ist das Universalmedium Software, welches die komplette Digitalisierung unserer Lebenswelt möglich macht. Dies führt zu erheblichen medialen Verlagerungen und Verschiebungen und nicht zuletzt zu einer gigantischen, global-kapitalistischen Verwertungskette.

Denn auch bei der digitalen Dreidimensionalität geht es – wie bei allen umfassenden technisch-ästhetischen Umbrüchen in der Geschichte der Medien – um ein riesen Geschäft. So ist die Produktion eines 3D Films beispielsweise im Durchschnitt 15 Millionen Dollar teurer als ihre 2D Variante auf Grund der aufwendigen Technologie. „Drachenzähmen leicht gemacht“ hatte z.B. eine Produktionszeit von 5 Jahren. Auch deshalb weil innerhalb eines einzigen Drehtages durchschnittlich drei Terabyte Daten anfallen, die bearbeitet werden müssen. Und so viel Rechenpower erfordert wiederum laufend neue Investitionen in leistungsfähigere Computer.

3D ist also ein schönes Beispiel unserer ökonomischen Logik: immer größer, immer mehr! Und so wundert es nicht, dass über kurz oder lang auch der Fernsehapparat, das Handy und natürlich der heimische PC umrüsten. Auch im medizinischen und militärischen Bereich wird 3D „state of the art“. Keineswegs geht es also um ein spezielles Kinophänomen, sondern das Lichtspielhaus dient als Vorreiter und Aufmerksamkeitsfenster zur Durchsetzung einer neuen Technologie. Was bedeutet, dass auch schneller als gedacht Schluss sein könnte mit der momentanen Euphorie.

Doch nicht nur der Neuigkeitswert könnte sich verschleifen, es gibt auch deutliche Minuspunkte der „neuen“ Technologie selbst. Zum einen sind circa ein Fünftel der 3D Filme des vergangenen Jahres nachträglich konvertiert –  das heißt die Bilder wurden klassisch gedreht und im Nachhinein aufgedoppelt und stereoskopisch verschoben – und also eigentlich Schummelpackungen. Hierzu gehören z.B. „Kampf der Titanen“, „Die Legende von Aang“ oder „Piranha 3D“. Zum anderen gilt: 3D lässt die Filmbilder „absaufen“. Denn sie verlieren in der Regel von der Aufnahme bis zur Projektion 3 Blenden, was den bekannten US-amerikanischen Filmhistoriker und Drehbuchautor Rogert Ebert regelmäßig fuchsteufelswild macht. „Alice in Wonderland“ auf 3D sei beispielsweise schlichtweg ein Ärgernis wenn man die in den Farben und vom Licht her ungleich schönere 2D Fassung des Films kennt. Rogert Ebert kritisiert aus guten Gründen darüber hinaus auch, dass sich das Kino mit 3D anderen, besseren Möglichkeiten der Projektion verschließt.

Doch es fehlt vielen Filmen nicht nur an Leuchtkraft und an mangelnder Tiefenschärfe, sondern auch daran, 3D dramaturgisch sinnvoll einzusetzen. Bestes Beispiel hierfür ist „Saw 3D“. Der Film floppte jüngst total. Er ist eine uninspirierte Pflichtübung und erschreckend schlecht im Vergleich zu 3D „My Bloody Valentine“. Dass das stereoskopische Kino, wenn es auf Dauer erfolgreich sein will, neue, andere Erzählformen braucht gilt Fachleuten mittlerweile als Gewissheit.

Doch noch ein weiterer Punkt ist zu beachten. Bisher war ja der wichtigste Marketing-Aspekt um das 3D Erlebnis attraktiv zu machen das Moment der sogenannten Immersion. Wir sollen uns „ganzheitlicher“ als bisher in die Bilder versenken, ganz nah dran, mittendrin im Filmgeschehen sein. Damit verändert sich etwas grundlegend. Denn das Vergnügen im Kino bestand im Voyeurismus, im sicheren Abstand zum Geschehen. 3D aber führt der Tendenz nach zur gesteigerten physischen Teilhabe. Es provoziert Reaktion, vielleicht sogar Interaktion. Damit wären Games im 3D Bereich medial viel naheliegender. Wie ja überhaupt das interaktive Spiel gegenüber dem rein rezeptiven Kino zunehmend an Marktchancen gewinnt.

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Doch noch herrscht weitestgehend Optimismus in der Filmbranche. Die toll klingenden Kinobilanzen des ersten Halbjahres, immerhin ein Umsatzplus von circa 13 %, gehen zu einem guten Teil auf das Konto von 3D. Und wenn demnächst Wim Wenders mit seinem 3D Film über Pina Bausch kommt, gibt es sicherlich noch einmal eine Wende. Denn dann könnte das neue alte Medium auch attraktiv für den Arthaus-Dokumentarfilm werden und das Image des großen Rummels verlieren. 3D wird dann „seriös“ oder sollte man „kunstvoll“ sagen?

Interessant ist in diesem Zusammenhang „Coraline“. Hier sind Räume/Szenen zu sehen, die nachweisbar nicht nach den klassischen Regeln der Perspektive funktionieren. Man kann quasi „Van Goghsche“ Bildverzerrungen und Größenverschiebungen entdecken, die verfremdend wirken. Diese künstlerisch beabsichtigten Regelverletzungen der klassischen Perspektivlehre gehen in eine Richtung, die der US-amerikanische Film- und Medientheoretiker Lev Manovich als eigentliches Potential der digitalen Bilder angedacht hat. Er hofft, dass sich mit dem Digitalen das Bild endlich von der indexikalischen Identität photorealistischer Bilder löst und aufzeigt, was vordem so noch nicht sichtbar war. Statt irgendetwas festzuhalten, was sich vor einer Kameralinse abgespielt hat, wird es dann vielmehr um künstlerische Visualisierungen von Ideen und Vorstellungen gehen.

Erst die nächsten Jahre werden also zeigen, ob der „Aufbruch nach Pandora“ der Beginn einer neuen Kunstform war oder nur ein erfolgreiches Mittel die Film- und Bilderindustrie weiter anzufeuern.

Text: Daniela Kloock

zuerst erschienen in Berliner Zeitung

Bild: „Coraline“ (Universal Pictures)