Aber die technologische Logistik im Vorfeld der Projektion ist komplizierter denn je…

Etwa 400 Filme umfasste das diesjährige offizielle Programm der Berlinale, hinzu kamen 700 Titel innerhalb des Europäischen Filmmarktes. Wie diese riesige Anzahl an Filmen im Vorfeld betreut und innerhalb der 2500 Screenings koordiniert wird – das ist eine technisch-logistische Meisterleistung.

Emile Reynaud in seinem Théâtre Optique (Radierung: Poyet)

Emile Reynaud in seinem Théâtre Optique (Radierung: Poyet)

Um die organisatorischen Herausforderungen eines so großen Festivals zu stemmen, muss sich ein fester Mitarbeiterstab der BERLINALE Filmverwaltung das ganze Jahr über technisch auf den neusten Stand bringen. Die Umstellung vom Zelluloid  auf Digitaltechnik hat die Festivals in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Vor zehn Jahren liefen die Filme noch vom Band oder der 35-mm-Rolle. Man verließ sich auf manuelle Eingriffe und einen Kastenwagen zur Beförderung des Filmmaterials. In diesem Jahr sind bereits 60 Prozent der gezeigten Berlinale Filme sogenannte DCPs (Digital Cinema Packages), erklärt André Stever vom Filmbüro auf Nachfrage. Neben den gewohnten Abläufen innerhalb der 35-mm-Schiene, die vor allem bei den Retrospektiven zum Einsatz kommt, erfordert das digitale Kino völlig andere Kontroll- und Vorbereitungsprozesse. Denn – eigentlich kaum zu glauben – fast 30 Prozent der eingereichten DCPs sind fehlerhaft. Dann muss das technische Team häufig innerhalb kürzester Zeit Formatierungsprobleme lösen, Fehler in den Dateistrukturen beheben, Festplatten reparieren oder zuweilen auch handfeste mechanische Probleme beheben. Obwohl die BERLINALE feststehende Standards einfordert kommt es durchaus vor, dass falsche Gehäuse geliefert werden oder Netzteile nicht passen.

Neben 35mm und DCP kommt als drittes Format mit eigenen Schwierigkeiten das Videoformat hinzu. Hier reicht das Spektrum der eingereichten Trägermedien von HDCAM-Bändern über die Mini-DV-Kassette bis hin zur Blue-Ray. Auch diese Beiträge landen, nachdem sie kontrolliert wurden, verschlüsselt auf  den BERLINALE eigenen Servern. Die festivaleigene Technik hat zwar ihren Preis, aber sie hat sich bewährt, erklärt Ove Sander, der für die digitale Logistik des Festivals verantwortlich ist. Server verschiedener Hersteller auf Mietbasis haben sich in der Vergangenheit nicht ausbezahlt. Wichtig sind einheitliche Systeme und riesige Speicher, welche die BERLINALE komplett selbst nutzen kann um die Abläufe sicherer und schneller zu machen. Da in manchen Kinos täglich fünfmal Programmwechsel stattfinden, deren Server vom Speicherplatz her aber nicht ausreichen, wird für jeden Kinosaal ein bis zwei Tage Tag bevor das Programm läuft eine eigene Festplatte zusammengestellt. Tag und Nacht wird dann in zwei Schichten gearbeitet. 100 Gigabyte braucht allein ein Film, zeitlich nimmt dies 20 Minuten in Anspruch, wenn es gut läuft. Doch die Zukunft liegt nicht auf den Festplatten. Kürzlich wurde der Sponsoring Vertrag mit dem britischen Netzbetreiber COLT Technology bis 2015 verlängert. In Zusammenarbeit mit diesem Giganten der IT-Dienstleister sind bereits zwanzig Berlinale Säle per Glasfaser mit dem zentralen  Filmverwaltungs-Server verbunden. Jüngster Coup: das Cubix Kino am Alexanderplatz wurde extra für die BERLINALE mit Glasfasernetzen versorgt. Das ist das digitale Kino eben auch: ein Riesengeschäft!

Ein weiteres „Spielfeld“ innerhalb des digitalen Festivalbetriebs sind die Verschlüsselungssysteme. Denn jeder einzelne Film hat im Digitalen seinen sogenannten KDM, eine „Key Delivery Message“. Nur mit Hilfe dieses Schlüssels kann der Film innerhalb eines bestimmten Zeitfensters in einem ganz bestimmten Vorführsaal freigeschaltet werden. Da muss dann auch alles klappen. Insgesamt werden während des Festivals mehr als 100 000 Schlüssel verwaltet.

Und die Vorführer vor Ort? Für sie hat sich die Arbeit angeblich vereinfacht. Laut Ove Sander könnte jeder nach einer kurzen Einführung den Job machen. Zumal mehr und mehr Kinos mittlerweile mit digitalen Projektoren ausgestattet sind und die technischen Standardisierungen den Vorführern das Leben vereinfacht hätten. Und sollte es bei der Projektion einmal wirklich haken gibt es das Notruftelefon. Die meisten Probleme können von der Schaltzentrale – dem Headquater am Potsdamer Platz – gelöst werden. Von dort kann ganz Orwell-mäßig auf die einzelnen Systeme zugegriffen werden. Tritt wirklich einmal so etwas wie ein Super-Gau ein stehen Techniker des Fraunhofer Instituts bereit.

Daniela Kloock