Nichts für Weicheier

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Es gibt sie wirklich. Sie ist keine Erfindung, keine Fiktion, auch wenn vieles an ihr und von ihr klingt, als wäre es zu perfekt, um wahr zu sein. Die US-amerikanische Autorin Christa Faust schreibt härter als die allermeisten Männer, ihre Romane sind pures Hardboiled, schnell und frech, dunkel und brutal, beste Pulp Fiction – was keinen Tarantino-Filmtitel meint, den hat der sich nur geklaut, sondern eine literarische Gattung. Man muss die Kampfrichter-Glocke nicht zu schnell läuten, um zu konstatieren, dass Christa Faust die Rolle der toughen Krimi-Heldin neu definiert. Nicht umsonst heißt ihre Heldin Angel Dare, was ein deutsches Einwohnermeldeamt vermutlich mit Engel Wagemut oder Angela Traudich

übersetzen würde.

Angel Dare ist eine ehemalige Pornodarstellerin – nein, da gibt es nichts zu gähnen, wer ihr durch „Hardcore Angel“ und „Die Rachegöttin“ folgt, wird nicht nur über die kalifornische Pornoindustrie Ungemütliches erfahren. In einem Hardboiled-Roman, zumal der schwarzen Sorte, geht es generell ans Eingemachte, erweist sich wie auf Joseph Conrads hoher See die Substanz eines Protagonisten. Aus welchem Stoff ist man gemacht? Was hält man aus und steckt es weg? Wo ist die Linie, die der eigenen Würde wegen niemand überschreiten darf? Über wie viel Ungerechtigkeit zuckt man die Schulter, wann geht es ums Prinzip? Hat jemand überhaupt so etwas wie einen moralischen Kern und wie ist der beschaffen?

Es sind Reisen ins Selbst, handfeste Do-it-yourself-Psychoanalysen, ausgetragen mit Fäusten, Baseballschlägern oder sogar Bunsenbrennern, es geht um grausame Wahrheiten und Erkenntnisse physischer und psychischer Natur, heftige Selbsttherapien (auch auf der Leser Seite) gegen Abstumpfung und asoziale Tendenzen. Ein Hardboiled Hero kümmert sich, er hat ein Herz und zeigt es, auch wenn ihm gerade genau so etwas nicht so auf der Zunge liegt und tausend toughe Sprüche darüber hinwegtäuschen.

Aufwachen im Kofferraum

Am Beginn von „Hardcore Angel“ (der Originaltitel „Money Shot“ bezeichnet eine spezielle Großaufnahme in Pornofilmen) liegt Angel Dare gefesselt in einem Kofferraum: „Wenn im Kino jemand von den Toten aufersteht, dann sieht das ziemlich einfach aus. Im wirklichen Leben dagegen dauert es ganz schön lange, bis du auch nur die Augen aufkriegst. Und du verbringst eine halbe Ewigkeit damit, deinen linken Mittelfinger so weit nach unten zu krümmen, dass du an den Strick um deine Handgelenke kommst. Es dauert noch länger, bis dir klar wird, dass das kalte, harte Ding, das dir in die Wange sticht, der Griff eines Starthilfekabels ist. Nach einer Weile fragst du dich selbst, ob du noch lebst. Du fragst dich auch, was wohl passiert, wenn du in den öligen Lumpen in deinem Mund kotzt, der mit Isolierband zugeklebt ist …“

In einem Satz erzählt, bringt Angels Kampf gegen einen Sexsklaven-Ring sie fast ums Leben und dann ins Zeugenschutzprogramm, wo wir sie am Beginn von „Die Rachegöttin“ als Kellnerin antreffen. „Summiert sich das, was man in der Vergangenheit getan hat, zu dem Menschen auf, der man heute ist?“, fragt sie sich dort. „Oder erfindet man sich mit den Entscheidungen, die man für die Zukunft trifft, immer wieder neu? Früher dachte ich, ich wüsste die Antwort darauf. Inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher.“

Es ist verdammt viel und verdammt harte Vergangenheit, mit der Angel Dare es aufnehmen muss, darunter ein kroatischer Gangster, der ihr wirklich eine Heidenangst einjagt. Als sie seine Stimme wieder hört, ist es mit einem Schlag vorbei mit jedem Anschein von hartem Knochen, den sie seither kultiviert hat. Der Würgegriff der Vergangenheit hat im Originaltitel „Choke Hold“ seine Entsprechung, der deutsche Titel macht es sich da etwas zu einfach, denn es geht nicht um Rache, es geht um das nackte Überleben – und, ok, auch um alte Rechnungen.

Es ist der Rotbuch Verlag, der sich hierzulande sehr kompetent um Christa Faust kümmert, in den USA erscheinen ihre Bücher bei Hard Case Crime, deren Coverillustrationen die alte Pulp-Tradition wiederbeleben. Inhaltsangaben sind heute ja mit einem Klick bei Amazon zu haben, deswegen hier der Hinweis, dass Christa Faust in jeder Hinsicht erwachsene Krimiliteratur schreibt, scharfzüngig wie Dorothy Parker, aber viel unanständiger. Wer bei Worten wie Ficken oder Blasen rot wird, sollte seine Finger von ihren Büchern lassen, überhaupt werden bei Zartbesaiteten wohl öfter die Teeklassen klirren. Auch der um keine Peinlichkeitserregung verlegene US-Autor Chuck Palahniuk („Fight Club“) verneigt sich vor Christa Faust, nennt sie „one of the hottest dates, you can have with a crime book“.

1969 in New York geboren, wegen ihrer geschiedenen Eltern zwischen Hell’s Kitchen und der Bronx pendelnd, lebt sie heute in Kalifornien und kann – wenn sie darauf Lust hat – aussehen wie eine der alten Hollywood-Göttinnen. Auf ihrer Webseite heißt es: „Ich bin eine Schriftstellerin, eine zynische, abgebrühte Hardboiled Bitch mit einem Fetisch für Film Noir, Tätowierungen und Nahtstrümpfe. Ich bin älter, als du denkst, und jünger, als ich mich fühle. Ich habe tolle Beine und perfekte Füße, wenn du mit der rasiermesserscharfen Zunge klar kommst, die dazu gehört. Du willst mehr? Lies meine Bücher.“ Sie macht kein Hehl daraus, manchmal als Domme für Fußliebhaber zu arbeiten, an Selbstbewusstsein wie umwerfend gutem Aussehen mangelt es ihr nicht. Sie liebt ihre Auftritte, hat aber immer jenen Funken Selbstironie in ihren Augen, der solche fast zu perfekten Menschen erträglich macht.

Ihre Heldin Angel sieht Faust nicht als Femme fatale, solche eine Konstruktion sei eine rein männliche Erfindung, ein Ausbund männlicher Angst vor weiblicher Sexualität. Zur Hölle: „Are we still terrified of pussy?“, sagte sie mir lachend während einer Diskussion.

Das Schreiben hat sie auf die harte Art gelernt, als Autorin von Horror-Stories oder Film-Nacherzählungen (novelizations, wie die Industrie das nennt), etwa für „Final Destination 3“ oder „Snakes on a Plane“. 95 000 Worte in sechs schlaflosen Wochen rauszuhauen sei die beste Schule, die man als Autor haben kann, meint sie. „Hardcore Angel“ hat sie dem Pulp-Autor Richard S. Prather gewidmet, bekannt durch die Shell-Scott-Krimis. „Words

never die“, lautet die Widmung.

Alf Mayer

Christa Fausts Romane:

Control Freak (1998, dtsch. 2009)

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Money Shot (2008, dt. Hardcore Angel)

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Choke Hold (2011, dt. Die Rachegöttin, 2012)

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Hoodtown (2004)

Triads (2004)

www.christafaust.com

Erschienen bei strandgut, Frankfurt am Main