Akademie der Künste Berlin, Pariser Platz

18.05. bis 12.08.2018

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Freundschaften sind Komplizenschaften. Man teilt etwas Gemeinsames, Vorlieben und Abneigungen. Aber Freundschaften sind auch unberechenbar, turbulent und wechselhaft. Wenn drei Menschen über Jahrzehnte, über Höhen und Tiefen, über Liebes- und Konkurrenzbeziehungen hinweg sich zugeneigt bleiben, das ist schon etwas sehr besonderes. Die Ausstellung der Akademie der Künste „Abfallprodukte der Liebe“ dokumentiert die Geschichte einer Freundschaft zwischen den Filmregisseuren Elfi Mikesch, Werner Schroeter und Rosa von Praunheim. Der Titel bezieht sich dabei auf Werner Schroeters „Poussières d´amour“(1996), ein Film über das Entstehen und die Vergänglichkeit der Kunst.

Filmstill aus "Der Rosenkönig" |1986 | Werner Schroeter (Foto © Elfi Mikesch)

Filmstill aus „Der Rosenkönig“ |1986 | Werner Schroeter (Foto © Elfi Mikesch)

Die fünf Ausstellungsräume ermöglichen einige Einblicke in das Filmschaffen, zeigen Verbindungslinien, machen aber auch deutlich, in welche unterschiedlichen Richtungen die Drei sich jeweils bewegt haben. Filmausschnitte, Tagebucheintragungen, Fotografien, Arbeitsskizzen, Briefe und Drehbücher vermitteln einen Ausschnitt aus der enormen Produktivität dieser Künstler.

Die ersten beiden Räumen sind Werner Schroeter gewidmet. Er gehörte wie Fassbinder, Schlöndorff, Wenders oder Herzog zu den Pionieren des sogenannten Neuen Deutschen Films. Innerhalb dieses Männerreigens ist er jedoch der größte Außenseiter, wenngleich seine Filme vor allem in Frankreich und Italien Kult waren und vielfach Preise erhielten. Seine Arbeiten, dazu gehören auch und vor allem Opern- und Theaterinszenierungen, wurden in ihrer Radikalität und in ihrer einzigartigen Melange verschiedener Kunstgattungen und Stimmungen in Deutschland, diesem „Schauerland“ (W.S.) nur schwer verstanden. Oper als Kunstform, als „Kraftwerk der Gefühle“, und die großen weiblichen Opern-Stimmen faszinierten Werner Schroeter schon seit seiner Kindheit. Erste Kurzfilme auf 8- und 16-mm widmete er Maria Callas. Sie war zeitlebens sein leuchtender Stern, Inbegriff dessen, was Kunst vermag und wonach er selbst strebte. Das tendenziell wehleidige deutsche Befindlichkeits- oder Meinungskino war ihm ein Gräuel. Theater, Kino oder Oper als moralische Anstalt zu verstehen, das ging dem 1945 in Thüringen geborenen und 2010 in Kassel verstorbenen Künstler ebenso gegen den Strich, wie die Verdrängung tiefer Emotionen.

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Filmstill aus Macumba (1983) von Elfi Mikesch | Darstellerin Magdalena Montezuma | Foto © Elfi Mikesch

Die großen Schmerz- und Liebesgesten auf die Leinwand zu bringen, die Kluft zwischen Hoch – und Trivialkultur niederzureißen, darum ging es ihm. Wegbegleitend war seine Muse, Förderin und Freundin Magdalena Montezuma. Ihr hat Schroeter mit „Der Rosenkönig“ (1986) ein filmisches Denkmal gesetzt. Sie ist in der Ausstellung mit wunderschönen Fotografien und zahlreichen Objekten physisch fast ebenso anwesend wie Werner Schroeter selbst. Ein riesiges Foto-Print, wie ein Segel, zeigt ihn in einem Moment höchsten Glücks, als er 2008, schon schwer erkrankt, in Venedig den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk erhielt. Und die zahlreichen Sound- und Toncollagen sind eindrucksvoll. Darunter Ausschnitte aus einem 70-stündigen Interview, welches Schroeter kurz vor seinem Tod mit Claudia Lenssen führte, sowie Klanginstallationen von Eberhard Kloke, der Gespräche, Zitate und Musikausschnitte zu einem eigenständigen Werk verbindet. Besonders gelungen ist der von seiner langjährigen Kostüm- und Szenenbildnerin Alberte Barsacq gestaltete Raum unter dem Motto „Der Wahnsinn, dieser Dietrich aller Herzen“. Dass Werner Schroeter auch selbst unablässig fotografierte, ist kaum bekannt. Zu sehen sind Portraits, Landschaftsaufnahmen und Stilleben, hinzu kommen Ausschnitte von Opern- und Theateraufführungen und zahlreiche Bühnenskizzen von Alberte Barsacq. Wie herrlich wäre es, könnte man sich auf das große, rote Rosenbett oder -feld gleich am Eingang des Max-Liebermann-Saals legen und dabei stundenlang den Gedankengängen Schroeters folgen.

Doch zurück zur Freundschaft. 1967 war das Jahr, in dem Werner Schroeter Rosa von Praunheim kennen- und lieben lernte. Rosa war es, der dem damals hoch depressiven Schroeter riet, kreativ zu werden. Und West-Berlin bot hierfür die besten Voraussetzungen. In der sogenannten Subkultur der Mauerstadt trafen sich diejenigen, die auf der Suche nach anderen Filmen, anderen Bildern und vor allem auch nach anderen Lebensformen waren. Hier gab es die Nischen und die Unkontrollliertheit, den politischen und ästhetischen Aufbruch wie wahrscheinlich in keiner anderen Stadt der Republik. Werner Kunzes Galerie in der Giesebrechtstraße fungierte als „hot-spot“. Schade, dass dieser weitgehend ins Vergessen geratene Kunsthändler und Förderer in der Ausstellung keine größere Aufmerksamkeit erhält. Denn legendär waren die rauschenden, tagelangen Feste in den salonartig überbordenden Galerie­räumen. Mit von der Partie war Elfi Mikesch. In Werner Kunzes Galerie fand auch ihre erste eigene Ausstellung statt, einer vertonten Diashow.

Filmstill aus Die Bettwurst (1971) von Rosa von Praunheim | © Rosa von Praunheim

Filmstill aus Die Bettwurst (1971) von Rosa von Praunheim | © Rosa von Praunheim

Eigentlich wollte Elfi Mikesch Schauspielerin werden und nach Amerika gehen, doch dann kam eine Ausbildung als Fotografin, später als Maskenbildnerin. Mit Rosa von Praunheim zusammen entstand 1969 ein Fotoroman – „oh muvie“. Es folgte ein gemeinsamer Weltreisefilm „Leidenschaften“ (1972), sechs Jahre später der erste eigene Film „Ich denke oft an Hawaii“ (1978). Vorausgegangen war die Trennung von ihrem Mann, dem Maler Fritz Mikesch, und ihr Coming-out. Sie und ihre damalige Partnerin Monika Treut nannte man Anfang der 1980er Jahre das „Duo Infernale“. Ihr gemeinsamer Film „Verführung: die grausame Frau“(1985) war die filmische Antwort auf die feministische Theorie der 1970er Jahre. Elfi Mikeschs Kamera arbeitet in diesem Film mit schrägen Kamerawinkeln und verzerrten Blickpositionen. Endlich sollte die Frau nicht nur über ihren Körper, sondern auch über ihre Körperbilder frei verfügen. Heute umfasst das mit vielen Auszeichnungen versehene Lebenswerk von Elfi Mikesch 60 Filme, darunter zahlreiche Zusammenarbeiten mit Werner Schroeter – für den sie mit „Mondo Lux“ (2011) eine filmische Hommage schuf – und Rosa von Praunheim. Letzterer nennt die Künstlerin gerne bewundernd „die Poetin“. Nachvollziehbar, denn Elfi Mikeschs Bilder sind traumwandlerisch schön. Details verleiht ihre Kamera ein Geheimnis und ein Eigenleben. Kein Wunder also, dass es in dem von ihr selbst konzipierten Ausstellungsraum um das Sehen und die Wahrnehmung geht. In zwei Holz-Kuben, einer Black Box und einem White Cube, können Teile ihrer Filme angeschaut werden. Einige der ausgestellten Arbeiten beziehen sich auf die Camera Obscura, als erste Technik des Bilder-Nehmens. Wo kommen die Bilder her? Was machen wir mit ihnen? In früheren Zeiten und heute? Vom Beginn der Fotografie an bis zu den sogenannten Selfies heutiger Tage spannt die Künstlerin den Bogen. Und dann sind da noch die Abgründe, der Schrecken, das Töten und die menschliche Grausamkeit als Thema. Riesengroße Fotos von Fleischstücken, Reste toter Kühe und Schweine, grausige Details eines barocken Brunnens – Opferungen und Schlachtungen als verdrängte Bilder des Alltags konfrontieren uns mit all dem, was wir nicht sehen oder gerne über-sehen. Viel Nachdenkliches also in diesem Raum. Elfi Mikesch ist sicher nicht nur die Poetin der Trias, sondern auch die stille Warnerin.

 Filmstill Nicola Zarbo und Brigitte Tilg in Palermo oder Wolfsburg (1980) von Werner Schroeter | © Filmgalerie 451


Filmstill Nicola Zarbo und Brigitte Tilg in Palermo oder Wolfsburg (1980) von Werner Schroeter | © Filmgalerie 451

Ganz das temperamentsmäßige Gegenteil von ihr ist Rosa von Praunheim. Man könnte ihn als das energetische und laute Zentrum dieses künstlerischen Dreierbundes charakterisieren. Als noch niemand von Genderpolitik sprach, schrieb er „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. Nach dem Buch kam der Film. 1971 war es der erste Film im bundesdeutschen Fernsehen, der zwei sich küssende Männer darstellte. Der Beginn der Schwulenbewegung, der Kampf gegen den § 175, später die Auseinandersetzung mit AIDS, immer war Rosa von Praunheim Sprecher im Kampf um Anerkennung homosexuellen Lebens. Er ist der explizit politischste unter den Dreien. Doch er kämpft nicht verbissen und intellektuell, sondern auf eine schrille und häufig ausgelassene, direkte Art. Sein Temperament ist auch nach 75 Lebensjahren noch überbordend. Seine Kostüme, seine Bücher – zuletzt „Wie wird man reich und berühmt?: Wie dreht man Filme, schreibt Gedichte, malt man Sterne und Schwänze?“ – die witzigen Bilder (auch ein Studium der Malerei weist seine Biografie auf), Theaterstücke und seine mittlerweile über 150 Filme sprechen für sich. Bis 2006 war als Professor für Filmregie an der Filmuniversität Babelsberg tätig, Dozent an zahlreichen Kunst- und Filmhochschulen, Mentor und Filmvater für viele junge Filmschaffende. Zu seinem 70. Geburtstag drehten ihm fünf seiner mittlerweile sehr bekannten Studenten, u.a. Tom Tykwer und Julia von Heinz, den Film „Rosakinder“(2012).

Filmstill ausMännerfreundschaften - Homoerotik in der Goethezeit(2018) von Rosa von Praunheim Matthias Luckey als Goethe | © Rosa von Praunheim

Filmstill ausMännerfreundschaften – Homoerotik in der Goethezeit(2018) von Rosa von Praunheim | Matthias Luckey als Goethe | © Rosa von Praunheim

In der Akademie der Künste hat er jetzt ein Mausoleum aufbauen lassen in dem er all seinen Stars, wie der Schauspielerin Luzi Kryrn oder der unvergesslichen Lotti Huber, eine letzte Referenz erweist. Die Wände dominieren seine Zeichnungen und Bilder, Film-Plakate und Zeitungsausschnitte, sowie groß gedruckte Zitate wie z.B. sein Aufruf: „Raus aus den Toiletten, rein in die Straßen“. Filmausschnitte aus Talkshows und eigenen Filmen werden gezeigt, in einem mit Neonfarben bemalten Zelt können seine Gedichte gehört werden, Figurinen mit riesige Schwänzen gibt es zu bewundern, und überall quillt buntes Spielzeug in mehr oder weniger obszönen Posen aus Ecken und Nischen hervor. In diesem Raum ist wirklich alles Camp bzw. Trash. Man würde sich nicht wundern, wenn einer von Rosas Wünschen in Erfüllung ginge, und er als Erdbeerfrosch quakend in der Ecke säße.

Filmstill Lotti Huber bei den Dreharbeiten zu Affengeil (1990) von Rosa von Praunheim | Foto © Elfi Mikesch

Filmstill Lotti Huber bei den Dreharbeiten zu Affengeil (1990) von Rosa von Praunheim | Foto © Elfi Mikesch

So gibt es insgesamt viel zu entdecken, wenngleich den Besuchern einiges abverlangt wird. Wer nicht vertraut ist mit der Zeit und dieser Szene wird sich schwer tun. Eine gesamt-kuratorische Hand hätte dem ganzen Unterfangen gutgetan. Die zweisprachige Zeitung zur Ausstellung ist deshalb sinnvoll, ein Audio-Guide wäre noch besser gewesen.

Sehr schade und vollkommen unverständlich allerdings, dass aus dem riesigen Film-Fundus dieser drei Künstler nur ganz wenige Filme gezeigt werden.

Daniela Kloock

Bild ganz oben: Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim, Werner Schroeter
Collage von Markus Tiarks aus Fotos von Elfi Mikesch
und Rosa von Praunheim | © Markus Tiarks

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Parallel zur Ausstellung gibt es bis Mitte August Konzerte, Lesungen, Diskussionen, Führungen und Filmpräsentationen.

AUSSTELLUNG 

18.05. — 12.08.2018

Pariser Platz

Di – So 11 – 19 Uhr, Pfingstmontag (21.5.) geöffnet

Führungen: Mi 17 Uhr, So 12 Uhr,

Bis 18 Jahre und dienstags ab 15 Uhr Eintritt frei

Kartenreservierung

Tel.: (030) 200 57-1000
E-Mail: ticket@adk.de

VERANSTALTUNGEN | Juni 2018

Samstag, 2.6.2018
Pariser Platz

16 Uhr
TALK
Rosa von Praunheim im Gespräch mit Božidar Kocevski und Heiner Bomhard (Schauspieler) mit Szenen aus dem Theaterstück Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht

Sonntag, 3.6.2018
Pariser Platz

16 Uhr
TALK
Rosakinder
Rosa von Praunheim im Gespräch mit den Filmemachern Julia von Heinz, Axel Ranisch, Robert Thalheim, Tom Tykwer

Samstag, 9.6.2018
Pariser Platz

16 Uhr
TALK
Werner Schroeter am Set
Claudia Lenssen im Gespräch mit Wieland Speck (Kurator, Filmemacher), Zazie de Paris (Schauspielerin)

Sonntag,10.6.2018
Pariser Platz

16 Uhr
TALK
Auf der Bühne mit Werner Schroeter
Claudia Lenssen im Gespräch mit Traute Hoess (Schauspielerin), Eberhard Kloke (Komponist), Rainer Will (Schauspieler)

Samstag, 16.6.2018
Pariser Platz

16 Uhr
TALK
Claudia Lenssen zum Werk von Elfi Mikesch mit Karola Gramann (Filmkuratorin, Leiterin Kinothek Asta Nielsen) und Elfi Mikesch

Sonntag, 17.6.2018
Pariser Platz

16 Uhr
KONZERT
Berlin Improvisers Orchestra
Das 2010 gegründete Orchester besteht aus einem festen Ensemble und wechselnden GastmusikerInnen aus der ganzen Welt. Jedes Konzert ist ungeprobt und in Echtzeit komponiert, gespielt in reiner Improvisation. Die Musik lässt sich als jenseits von Jazz und als Neue Musik bezeichnen. Die MusikerInnen selbst sehen darin oft auch einfach „Zukunftsmusik“ oder „Theatrical Music“.
Begrüßung: Elfi Mikesch

Dienstag, 19.6.2018
Hanseatenweg

19 Uhr
Palermo oder Wolfsburg
Werner Schroeter D 1980, 180 Min.
Claudia Lenssen im Gespräch mit Thomas Mauch (Kameramann, Produzent), Harry Baer (Schauspieler), Dietrich Kuhlbrodt (Staatsanwalt, Darsteller)

Sonntag, 24.6.2018
Pariser Platz, Blackbox

20 Uhr
Werner Schroeters Anfänge
Präsentation mit Filmausschnitten von Stefan Drößler (Leiter Filmmuseum München)

Dienstag, 26.6.2018
Hanseatenweg

18 Uhr
Verrückt bleiben, verliebt bleiben
Elfi Mikesch D 1997, 88 Min.
Cornelia Klauß im Gespräch mit Elfi Mikesch und Torsten Holzapfel, Gerd Hartmann (Theater Thikwa)

20 Uhr
Mondo Lux – Die Bilderwelten des Werner Schroeter
Elfi Mikesch D 2011, 97 Min.
Claudia Lenssen im Gespräch mit Elfi Mikesch, Thomas Plenert (Kameramann), Frieder Schlaich (Produzent, Verleiher)

Weitere Informationen

www.adk.de/mikesch-praunheim-schroeter/