Solcher Filme wegen gehen wir ins Kino. Selten habe ich in den letzten Jahren eine derartige Menge Besucher noch bis zu den letzten Credits sitzen gesehen, erfüllt von der gemeinsamen Achterbahnfahrt. Nerven, Zwerchfell, Kopf, Bauch und politisches Herz gleichermaßen beansprucht. Kinoglück, pur. Der politische Thriller „Argo“ des Regisseurs und Hauptdarstellers Ben Affleck, ebenso komödiantisch wie spannend und sterbensernst, ist ein Musterbeispiel dessen, was Film als die zehnte Muse leisten kann, was filmische Erzählweise(n) auszeichnet, und ist auch ein Beleg dafür, warum das Kino niemals sterben wird – weil es wie kein anderes Medium in der Lage ist, jene Mehrzahl an Fiktionen zu generieren, derer wir bedürfen, wie der olle Freud schon wusste.

120 Sprechrollen bietet „Argo“ auf,  bis in die kleinsten Nebenrollen sind sie sorgfältig besetzt und auf eine Weise filmisch  präsent, dass man jeder von ihnen gerne folgen würde, wohin auch immer. Eine der großen Leistungen dieses in jeglicher Hinsicht präzisen und austarierten, intelligent erzählten und zwischen Spannung und Groteske balancierenden Films ist seine so leicht und locker daherkommende erzählerische Autorität – die handwerklich und dramaturgisch in Wirklichkeit enorm schwierig zu bewerkstelligen ist, wie wir alle selbst aus all den fehlgeschlagenen Versuchen wissen, mit denen Filme und Bücher uns in den Bann zu schlagen versuchen.

Der 4. November 1979:  „Gäste des Ajatollah“

In Look und Ausstattung eine Zeitmaschine, transportiert „Argo“ uns in die späten Siebziger, als die Aschenbecher noch überquollen, die Brillen Heckscheibengröße hatten, die Männerhosen Umschläge und Frisuren und Koteletten Überlänge. Schon die erste Einstellung, die uns auf Augenhöhe mit einem iranischen Demonstranten katapultiert, der auf einem Balkon über einer Menschenmenge agiert, die dann am 4. November 1979 gleich die amerikanische Botschaft in Teheran stürmen wird, offeriert jene Nähe, auf die uns der Film mit den Ereignissen bringen wird, die er uns erzählt. Nämlich mitten hinein.

Das Kino hat sich (leider) angewöhnt, der kurzen Reize wegen einfach jederzeit in jede beliebige Bildperspektive zu hüpfen und das pure visuelle Bombardement über alles zu stellen, sei es der Flug einer Kugel, ein Google-Earth-Sturz auf eine Straße in Harlem oder eine beliebige, dem Italowestern geklaute Bildverkantung. „Argo“ ist da erfrischend altmodisch geradlinig. All das Gesprochene und Nichtausgesprochene, die Blicke und Gesten sind hier wichtig, die Beziehungen der Menschen in einem Raum werden uns plastisch, auch im geopolitischen Sinne. Und darum geht es in Ben Affleck Film unentwegt – was Menschen mit Menschen tun, wem sie trauen oder nicht, wie sie ihre Realität sortieren und wie sie sich darüber verständigen.

„Argo“ kreist um die Rettung von sechs amerikanischen Botschaftsangestellten, die sich an jenem Novembertag 1979 bei der Konsulatserstürmung durch Khomeinis Revolutionäre Garden auf die Straße und in das Haus des kanadischen Botschafters retten konnten. Sie von dort als angebliche Filmcrew des auf die Schnelle erfundenen Science-fiction-Films „Argo“ heil außer Landes zu bekommen, diese unglaubliche, aber wahre Geschichte schildert der von George Clooney produzierte Film. Unterm Strich wird es auch so etwas wie eine Ehrenrettung der CIA durch einen Haufen liberaler Filmemacher, eine vor Obamas Wiederwahl entstandene Einverständniserklärung mit verdeckten geheimdienstlichen Operationen – freilich fällt hier kaum ein Schuss und (fast) alle kommen mit dem Leben davon.

Die 444-tägige Geiselnahme amerikanischer Bürger durch das iranische Regime war 1979/80 ein Wendepunkt der US-Politik, sie brachte Ronald Reagan und die Falken an die Macht. Mark Bowden, der Autor von „Black Hawk Down“, hat dazu 2006 ein voluminöses Werk vorgelegt: „Guests of the Ajatollah“. Auch „Argo“ ist ein solcher Zeitkommentar. Bei allem Spaß an einer irrwitzigen Story wird hier auch davon erzählt, wie die Welt so geworden ist, wie wir sie heute kennen.

Afflecks Blick auf den Iran vermeidet platte Klischees und Dämonisierungen, sein kluger Film hat eine Ruhe, Ausgewogenheit und Coolness, die man im zeitgenössischen Kino eher einem Clint Eastwood zuschreiben würde. Vielleicht ist es eine Erklärung, dass der 1972 geborene Benjamin Géza Affleck-Boldt  das „Occidental College” in Los Angeles besuchte und seinen Abschluss  in „Middle Eastern Affairs“ machte, am Mittleren Osten also seit jeher ein Interesse hat. Dies eine Spur, der ich noch nirgends nachgegangen fand.

Who the heck is Ben Affleck?

„Argo“ ist die dritte Regiearbeit des Schauspielers, der eigentlich zu gut aussieht, um solch ein Multitalent zu sein und dann hier im Vehikel eines Thrillers auch noch eine witzig-kluge Reflexion über das Filmemachen an sich vorzulegen. Auf den Plan getreten war Affleck 1993 als Macher der 16-minütigen Komödie „I Killed My Lesbian Wife, Hung Her on a Meat Hook, and Now I Have a Three-Picture Deal at Disney”.

Sein Drehbuch für „Good Will Hunting“(1997) brachte ihm ebenso Anerkennung wie seine Regie bei „Gone Baby Gone“, eine auf den i-Punkt genaue Verfilmung des gleichnamigen Romans von Dennis Lehane, sowie bei „The Town“ nach dem Roman „Prince of Thieves“ („Endspiel“) von Chuck Hogan. Besetzte er in „Gone Baby Gone“ seinen Bruder Casey als einen sanft-toughen Patrick Kenzie, bewies er in „The Town“ eine ebenso gute Hand mit Jeremy Renner, der hier in den letzten „Moving Targets“ Thema war.

„Argo“ ist ein ausgezeichneter Film. Dazu gehört die Kameraarbeit des in Mexico City geborenen Rodrigo Prieto, der bereits für „Amores Perros“, „Frida“, „8 Mile“, „21 Gram“, „Broke Back Mountain“, „Babel“ und „Biutiful“ verantwortlich zeichnete. Die Musik stammt von Alexandre Desplat, der schon für Ang Lees „Gefahr und Begierde“, Terence Malicks „Tree of Life“, Polanskis „Gott des Gemetzels“, David Finchers „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ und für „The King’s Speech“ komponierte und bereits viermal für einen Oscar nominiert war. Den Schnitt von „Argo“ besorgte Veteran William Goldenberg, der auch bei „Gone Baby Gone“ und den Michael Mann-Movies „Miami Vice“ und „Heat“ im Einsatz war.

Affleck, vollbärtig wie George Clooney in „Syriana“,  nimmt sich als Darsteller des CIA-Agenten und Rückhol-Spezialisten Tony Mendoza sympathisch zurück, symptomatisch dafür ist die Szene in dem um Haaresbreite entkommenden Flucht-Flugzeug, als er alleine in seinem Sitz hockt und der kurze, wortlose Händedruck einer der von ihm in die Freiheit gebrachten  Sechs als Triumph genügen muss. Alan Arkin macht sich einen Spaß als Filmproduzent Lester Siegel („Wenn ich schon einen fiktiven Film mache, dann mache ich auch einen fiktiven Blockbuster!“), auch sein Kompagnon John Goodman als kreativer Maskenbildner lacht sich ins Fäustchen.

Der Darsteller des kanadischen Botschafters, der einem in Erinnerung bleiben wird, heißt Victor Garber und ist ein bekannter (sic) kanadischer Schauspieler. Bryan Cranston spielt den CIA-Abteilungsleiter. Zu den Erstaunlichkeiten des Films gehört, dass das Drehbuch von einem Novizen stammt: von Chris Terrio, der bisher nur als Regisseur von “Heights” in Erscheinung getreten war, in cialis no percription dem innerhalb eines 24-Stunde-Rahmens eine Handvoll New Yorker Schicksale erzählt werden. Im Abspann sehen wir dann die echten Passfotos der damaligen „Filmcrew“ neben denen der Darsteller, sie wie auch die Gegenüberstellung dokumentarischer Aufnahmen mit Filmszenen machen deutlich, welcher Zeitreise wir bei allem Eskapismus beigewohnt haben.

Einen Thriller im Nirgendwo des Fiktiven spielen zu lassen, mit Schießereien und Verfolgungsjagden, das ist relativ leicht, aus der Realität aber derart Funken zu schlagen, wie es Ben

Affleck mit „Argo“ gelingt, das ist eine Sternstunde des Kinos.

Alf Mayer, CrimeMag

Bild: Warner

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