Das ist keine Soap 

Zum 75. Geburtstag von Rainer Werner Fassbinder hat sich ein Fernseh-Sender etwas besonders „originelles“ einfallen lassen: ein Remake der „bitteren Tränen der Petra von Kant“. Doch kurz bevor der eigentliche Dreh beginnt kann sich die Regisseurin nicht entscheiden, wer die weibliche Hauptrolle bekommt. Sie zweifelt an sich, am Projekt, an den auszuwählenden Schauspielerinnen.

Die Rahmenhandlung, so zusammengefasst, klingt wenig aufregend. Doch dieser Film entwickelt eine Komplexität, die Kopf und Sinne bei Laune hält. Schnell wird klar, dies ist nicht nur ein schonungsloser Blick hinter die Kulissen des Filmbetriebs, sondern das ganze Setting ist modellhaft für den Konkurrenzkampf moderner Arbeitswelten. Hier wie da gilt, niemand und nichts ist sicher, Hierarchien und Allianzen halten nur kurz, einzig optimale Selbstdarstellung wird zum scheinbaren Rettungsanker. Dominanz und Unterwerfung, Macht und Ohnmacht, Ängste, Verletzungen, Demütigungen, das ganze Arsenal zwischenmenschlicher Beziehungen wird uns hier vorgeführt – Motive und Momente, die Rainer Werner Fassbinder bereits 1972 interessierten, als er aus dem Theaterstück den gleichnamigen Film machte.

Nicolas Wackerbarth, hierzulande kein Unbekannter – Regisseur, Schauspieler, Mitherausgeber der Filmzeitschrift „Revolver“ – stehen fast 45 Jahre später die ganz großen Schauspielerinnen des deutschsprachigen Raums zur Verfügung. Er läßt ihnen viel Freiheit – was sich lohnt. Welch Vergnügen Ursina Lardi, Marie-Lou Sellen, Korinna Kirchhoff, Andrea Sawatzki und Viktoria Trauttmannsdorff im „Kampf“ um die weibliche Hauptrolle zu sehen. Jede hat ihren eigenen Stil, ihre Methode, ihre Verführungskraft. Jede will die unsicher wirkende Regisseurin (Judith Engel) für sich gewinnen. Doch Vera kennt durchaus die Instrumente der Demütigung. Sie läßt sich nicht so schnell die Zügel aus der Hand nehmen, muß aber ihrerseits auch einstecken.

Wie viel ist jemand überhaupt bereit von sich selbst preiszugeben bei Bewerbungen, in Beziehungen? Wo fängt überhaupt die Rolle an, wo beginnt das Spiel, und wo ist es purer Ernst? Das sind die Fragen.

Sehen wir Corinna Kirchhoff wie sie ist, wenn sie zu einem casting geht? Oder spielt sie hier bereits das „zu einem casting gehen“? Ein einziges Spiegelkabinett auch die Szene in der Andrea Sawatzki, nachdem ihr abgesagt wurde, die Regisseurin mit einem Text abstraft, den sie im Stück hätte sprechen müssen: „Ich lieb dich so sehr – warum bist du so gemein zu mir?“ Schwer aushaltbar für Vera.

Im Unterschied zu Fassbinders Film, in dem kein Mann auftaucht, entfaltet sich bei Wackerbarth der Konkurrenzreigen um einen Mann herum. Gerwin ist ein sogenannter Anspielpartner, verächtlich auch Anspielwurst genannt, (Andreas Lust), ein Gegenüber für die Schauspielerinnen bei den Proben. Auch er macht sich Hoffnungen am Ende die männliche Hauptrolle zu bekommen und ist bereit einiges an Erniedrigung einzustecken. Er verbiegt sich gewaltig, hängt sein Fähnlein mal hie mal da nach dem Wind, küßt am Ende der Regisseurin sogar die Schuhe. Man ahnt wie weit Gerwin gehen würde, um zum Ziel zu kommen. Schlußendlich aber erhält er nur eine winzige Rolle als Paketzusteller.

Wie sagte Fassbinder einmal in einem Interview: „Der Mensch ist schlimm – und jeder ist austauschbar. Das muß er lernen.“

Daniela Kloock

Bild: Piffl