Bei der 20. Verleihung der British Independent Film Awards (BIFA) am 10. Dezember 2017 wurde God’s Own Country von Francis Lee als Bester britischer Independent-Film ausgezeichnet.

Zudem wurden  Josh O’Connor als Best Actor, Francis Lee für sein Debütdrehbuch und Anna Bertmark in der Kategorie Bester Sound geehrt.

Ein großartiges Filmdebüt aus England

„God´s Own Country“ ist kein britischer Aufguss von Ang Lees oscargekröntem „Brokeback Mountain“ (2005). Wenngleich einiges – und nicht nur die Ähnlichkeit der Nach-Namen der Regisseure – an den US-amerikanischen Vorgänger erinnert. In beiden Filmen geht es um eine schwule Liebe, die sich in der Einsamkeit einer unwirtlichen Natur entspinnt. Francis Lees Langfilmdebüt setzt sich jedoch deutlich von seinem Vorgänger ab, vor allem auch deshalb, weil spürbar ist, dass es sich um einen sehr persönlichen, teilweise biografischen Film handelt, und es auch keine explizit schwule Geschichte sein soll, die hier erzählt wird. Es geht vielmehr um das Thema der ersten großen Liebe unter größtmöglichen widrigen Umständen.

Wie bereits in mehreren seiner Kurzfilme so schafft es Francis Lee auch hier, das ländliche Leben, die schwere alltägliche Arbeit auf einer kleinen existenzbedrohten Farm in Yorkshire, welche von seinen Bewohnern God´s own county genannt wird, in eindringlichen Bildern zu zeigen. Die Szenen, in denen es um Vieh- und Schafzucht, um Geburten, Krankheiten und Schlachtungen der Tiere geht sind derart präzise und authentisch, wie sie nur demjenigen gelingen kann, der aus eigener Erfahrung erzählt. Das Landleben ist eben nicht pittoresk, still und gemütlich, sondern beinhart. Vor oder besser mit diesem Hintergrund entwickelt sich die Geschichte.

Johnny (Josh O`Connor) ist der unglückliche Protagonist. Er führt ein einsames und perspektivloses Leben. Er muss die Farm, auf der er mit dem schwerkranken Vater (Ian Hart) und der schmallippigen Großmutter lebt, allein bestellen. Wenige Szenen machen deutlich wie sich sein Alltag anfühlt. Abends betrinkt er sich im lokalen Pub, bei Gelegenheit hat er unverbindlichen Sex mit einem anderen jungen Mann. Doch dann taucht Gheorghe auf (Alec Secareanu), der Fremde aus Rumänien. Er soll für einige Wochen aushelfen und stellt sich zur Überraschung des Vaters sehr gut an. Jonny reagiert offen aggressiv auf die neue Situation, bis die beiden losziehen um weit entfernt von der Farm einige Tage lang Steinwälle zu reparieren und die Jungschafe zu versorgen. Wie Jonny nach und nach seine Schroffheit und Verzweiflung verliert, durch Gheorghe die Welt mit anderen Augen zu sehen beginnt, sich öffnet – und nicht nur einem ihm bisher unbekannten sexuellen Erleben – ist fein erzählt und überragend dargestellt. Regie, Schauspieler, Kamera, Schnitt und auch der auffallend durchkomponierte Ton, der die Atmosphäre des ganzen Films mitbestimmt, die rare Musik und nicht zuletzt die äußerst knappen, gekonnten Dialoge, alles zusammen ergibt ein Kinoerlebnis der seltenen Sorte. Zurecht erhielt Francis Lee beim diesjährigen Sundance Festival hierfür den großen Preis für Regie. Jetzt läuft der Film auch in den bundesdeutschen Kinos, leider in einer üblen Synchronfassung, die dem Film viel von seiner Stimmung nimmt.

Daniela Kloock

Bild ganz oben: © Salzgeber
God’s Own Country von Francis Lee