Er ist wortkarg, ein Beobachter. Seine Vergangenheit bleibt im Dunkeln – doll kann sie nicht gewesen sein. Er, das ist Christian (Fritz Rogowski), ein junger Mann, der seine Probezeit in einem Großmarkt absolviert. Irgendwo da, wo früher die DDR war. Der Alltag hat seine ewig gleiche Ordnung, die abhängig ist von Menschenhänden und Maschinen. Christian lernt diese Maschinen zu bewegen, allen voran die Gabelstapler. Denn die Regale dürfen nie leer aussehen. Bruno (Peter Kurth), ein Ex-Trucker, steht ihm zur Seite und zeigt ihm die wichtigsten Tricks und Kniffe. Bald wird er so etwas wie ein väterlicher Freund. Und dann ist da noch Marion, Miss Süssware (Sandra Hüller). Christian hat ein Auge auf sie geworfen, doch seine Schüchternheit steht ihm im Weg. Außerdem ist Marion verheiratet, allerdings nicht sehr glücklich, wie es heißt.

Es gehört Mut dazu, einen Film fast vollständig in einer Halle voller Lebensmittel spielen zu lassen, wo die Hauptfiguren ohne jedwedes Tageslicht mehr oder weniger monotone Dinge tun. Auch sprechen sie kaum. Das ist herrlich, denn auf den Stumpfsinn, den das bundesdeutsche Kino und Fernsehen in seine Dialoge packt, kann verzichtet werden. So entwickelt sich die Faszination beim Zuschauen vor allem über die Präzision und Authentizität der Schauspieler. Allen voran Sandra Hüller, aber auch Peter Kurth, der seinem Bruno etwas traurig Melancholisches, aber ungemein Menschliches mitgibt, spielen groß auf. Überhaupt sind die Menschen in diesem Film, für einen Film, ungewöhnlich menschlich – erinnern zuweilen in ihren unscheinbaren, doch zarten Gesten und Blicken an Figuren von Aki Kaurismäki. Alle sind sich gut in diesem Biotop der Nacht, wo es keine Hektik, keine Konkurrenz, keinen Neid zu geben scheint. So etwas kann es vermutlich nur (noch) im Osten geben.

Wie also Christian, Marion und Bruno ihre Wege durch diese Perversion der Warenwelt zurücklegen – denn nichts anderes ist dieser gigantische Großmarkt – hält die exzellente Kamera (Peter Matjasko) häufig von oben fest, so „Himmel über Berlin“ mäßig. Überhaupt wirken alle Protagonisten seltsam beschützt, bis auf einen, der tragisch endet.

Schon „Herbert“ (2015), das vielbeachtete Langspieldebüt von Thomas Stuber, war eine Zusammenarbeit mit dem Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer, der auch hier am Drehbuch mitwirkte. Beide Filme sind gelungene Milieu- und Charakterstudien. Bei „In den Gängen“ ist zusätzlich eine ungewöhnliche Melange verschiedener Stilmittel oder Grundtöne bemerkenswert. Komödie und Tragödie liegen hier nah beieinander, überlagern sich zuweilen gekonnt. Ein Splatter-Movie als Anschauungsmaterial für Gabelstaplerlehrgänge ließ bei der Premiere des Films während der Berlinale erschöpfte Kinogänger wieder munter werden. Überhaupt, Gabelstapler sind Protagonisten des Films. Gleich zu Beginn gibt es eine absurde Choreographie dieser surrenden Spezialfahrzeuge zu den Klängen der „schönen blauen Donau“. Thomas Stubers Regieeinfälle sind sicher keine unbewußte Reminiszenz an Jacques Tati. Auch er bevorzugte exakt gefilmte Bewegungsabläufe und das dialogarme Spiel. Wenngleich die 125 Minuten vielleicht doch etwas zu lang geraten sind, so ragt der Film doch aus der massenkompatiblen Kinoeinheitsware deutlich heraus.

Daniela Kloock

Bilder: Zorro Film