Das aktuelle Kino erinnert mit Margarethe von Trottas Dokumentarfilm an den weltberühmten Filmemacher, der am 14. Juli vor 100 Jahren in Uppsala geboren wurde. Ingmar Bergman gilt noch heute als einer der besten Filmregisseure aller Zeiten. In Europa wie in den USA wird er gleichermaßem verehrt. Mit Filmen wie „Wilde Erdbeeren“, „Szenen einer Ehe“ oder „Funny und Alexander“ schrieb er sich in das kollektive Gedächtnis ganzer Generationen ein.

Margarethe von Trotta hatte Bergmans „Das siebente Siegel“ in Paris der späten 1950er Jahre für sich entdeckt. Der Film beeindruckte sie dermaßen stark, dass sie daraufhin beschloss, selbst Regisseurin zu werden. Und auch Ingmar Bergman seinerseits wertschätzte die mittlerweile nicht mehr unbekannte Regisseurin viele Jahrzehnte später. „Die bleierne Zeit“ (1981) rangierte ganz oben auf seiner Liste der Lieblingsfilme für das Göteborger Filmfestival 1994.

Es wundert also nicht, dass ausgerechnet Margarethe von Trotta gefragt wurde, ob sie nicht einen „Geburtstags“-Film machen wolle.

Doch die Hommage ist ihr leider nicht geglückt. Vielleicht liegt der Regisseurin das Dokumentarische nicht, vielleicht war ihr auch der Respekt „Bergman war der große Gott des Kinos für mich“ im Wege. Oder die zahlreichen Produzenten sorgten für eine konzeptionelle Verwirrung. Denn es bleibt unklar, was überhaupt gesucht wird. Will Margarethe von Trotta erforschen, wo sie selbst in ihrem künstlerischen Schaffen von Bergman beeinflusst war? Dieser Ansatz wird zumindest anfänglich suggeriert, wenn sie langatmig dozierend die ersten Einstellungen des „siebenten Siegels“ kommentiert. Oder ging es darum, wie sich Filmemacher, die nie mit dem schwedischen Genie gearbeitet haben, heute von ihm beeinflusst fühlen? Das wäre die Suche nach dem filmischen Erbe Bergmans. In diese Richtung gehen die Interviews mit Ruben Östlund („The Square“) oder Mia Hansen-Love und ihrem Ehemann Olivier Assayas.

Es kommen aber noch so viele andere Interviewpartner vor – Schauspieler, Drehbuchautoren, Familienmitglieder – so dass letztendlich nur ein disparater und fast oberflächlicher Einblick in das Werk und das Schaffen Bergmans entsteht. Kollegen dürfen ein paar Sätze sagen, dann wird geschnitten und zum nächsten Gesicht übergegangen. Dazwischen sieht man Margarethe von Trotta auf den Dachgärten von Stockholm, auf verschneiten Pariser Straßen, in gepflegten Wohnzimmern, oder auf der Ostsee, um dann schlußendlich dort zu landen, wo Bergman am längsten lebte.

Die einsame schwedischen Ostseeinsel Farö war über 50 Jahre lang der Lebensmittelpunkt des Regisseurs. An einer der unwirtlichsten und düstersten Ecken der Insel baute er in den 1960er Jahren sein Haus. Diese düstere und apokalyptische Landschaft, so ist es in seiner Autobiografie nachzulesen, entsprach seinen innersten Vorstellungen von Farben, Formen, von Licht, Gerüchen und Geräuschen. Hier lebte er mit Liv Ullmann, hier entstanden einige seiner Filme, die ihn berühmt machen sollten (u.a. „Personna“ /1966), und hier starb er 2007. Margarethe von Trotta trifft den Bruder und einen der Söhne. Beiden aber weiss sie nichts zu entlocken, was man nicht eh schon wüßte oder ahnte. Ingmar Bergman war kein einfacher Typ, kein Familienmensch, psychisch labil, und ein extremer Womanizer. Fünfmal war er verheiratet, neun Kinder hat er. Doch mit diesen wollte er nicht viel zu tun haben. Sein ganzes Leben lang wollte er wohl selbst Kind bleiben. Ein verlorenes Kind, ein radikales Kind. Radikal in der Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft, der protestantischen Moralvorstellung, ihres Männerbildes, ihrer Erziehung. Auf seinem Nachttisch soll eine kleine Marienstatue gestanden haben zur Abwehr der nächtlichen Dämonen, die ihn in der „Stunde des Wolfes“ immer wieder heimsuchten.

Wer sich also dem Großmeister des Kinos nähern will ist gut beraten beispielsweise auf youtube „A Conversation with Ingmar Bergman“ aufzurufen oder noch besser, einfach einige seiner Filme anzuschauen, die jetzt hoffentlich in vielen Kinos gezeigt werden.

Im deutschsprachigen Fernseh-Raum widmet einzig 3-Sat am 14. Juli Ingmar Bergman einen Abend.

In Berlin jedoch hat man das Glück im Babylon Kino bis zum 12. August eine umfassende Retro zu goutieren. In Kooperation mit der nordischen Botschaft wurde hier ein tolles Programm zusammengestellt. Über 60 Bergman Filme werden gezeigt, frühe, relativ unbekannte Reklamefilme, ebenso wie der selten zu sehende letzte Kino-Film „Saraband“ (2003). Außerdem gibt es Live-Veranstaltungen mit vielen Gästen, u.a. wird auch Liv Ullmann erwartet. „Der Hundertjährige, der nicht verschwand“, so lautet das Sommer-Programm des Kinos, welches am 12. Juli mit einer Ausstellung der schwedischen Performancekünstlerin Anna Berndtson beginnt.

Daniela Kloock

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12.07. bis 12.08. 2018 Retrospektive INGMAR BERGMAN 100

Kino Babylon Berlin

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