Noch ein Weihnachtsmärchen. Und schon wie­der geht es um einen Angriff des militärisch-­wirtschaftlichen Komplexes auf die Welt des Spielzeugs, das im amerikanischen Kino so langsam den Rang von Reliquien einer imagi­nären Religion der ewigen Unschuld einge­nommen hat. Aber diesmal kommt es zu einer bizarren Begegnung von Nonsense, Kitsch und Kunst.

Nach dem Tod des Besitzers einer Spielwa­renfabrik übernimmt dessen Bruder, ein eben­so militanter wie durchgeknallter General, das Unternehmen und bastelt in immer größeren Arealen der einst so zivilen Fabrik an Kriegs­spielzeug, das sich, im Unterschied zum ge­wohnten Angebot des Genres, zur wirklichen Kriegsführung eignet: Weil der Krieg zu teu­er geworden ist, muß man ihn eben miniaturisieren. Robin Williams spielt den Sohn des Verstorbenen, einen kindlich-freundlichen Charakter, der zivilen Widerstand gegen die militärische Machtübernahme im Spielzeug­land leistet. Seine Karten stehen eher schlecht, aber als der schwarze Sohn des Generals, ein Soldat mit Leib und Seele (und von L.L. Cool J. als wundersame Parodie auf den Rambo-­Kino-Krieger gespielt) aus herber Enttäu­schung über den gefälschten Familienroman die Fronten wechselt, kommt es zur finalen Auseinandersetzung zwischen dem kriegeri­schen und dem friedvollen Spielzeug. Dazu gibt es eine kleine Liebesgeschichte und eini­ge wirklich schöne Aufnahmen, zum Beispiel die von einem riesigen weißen, gigantische Sei­fenblasen pustenden Plastikelephanten als Grabmal in einem endlosen Kornfeld. Auch die genialen Tarnkünste von L.L. Cool J. erzäh­len die eine oder andere witzige Geschichte über Sein und Design.

Die ein bisschen märchenhafte, ein bisschen skurrile und ein bisschen satirische Abrüstungs­fabel wäre freilich ein besserer Kinderfilm, wäre da nicht Barry Levinsons unbändige Lust an verrückten Bildern und verrückten kleinen Episoden am Rande. Es geht, natürlich, um Spielzeug, nicht bloß um die leicht blödsinni­gen Einfälle des Helden wie die rauchende Smoking-Jacke (die sich, wie all diese dann auch noch in irgendwelchen dramatischen Sze­nen „bewähren“ muß) oder die Plastik-Kotz­-Imitationen, die von den Experten der Fabrik um eine Art Operationstisch herum begutach­tet werden, während sich die Wände Segment um Segment und von der bösen Konkurrenz gesteuert verschieben, um die Fabrik, die sel­ber funktioniert wie ein gewaltiges Spielzeug, sondern vor allem um das hübsche alte Blech­spielzeug, das am Ende in einer ungleichen Schlacht gegen die schwarzen Raketenpanzer verheizt wird. Der „Toy Consultant“ Levin­sons, Alan Adler, hat sechs Monate lang da­mit zugebracht, Antiquitätengeschäfte und Flohmärkte nach solchen beweglichen Blech­figuren durchzukämmen, tanzende Paare, Gän­se mit Zylindern auf dem Kopf, jonglierende Clowns, Footballspieler und Mädchen, die von bissigen Hunden verfolgt werden: all dieses Zeug, das in den fünfziger Jahren in Amerika und in Japan hergestellt wurde und dessen spezifischer Charme nicht nur von den knubbeli­gen Formen, den eigenartig ruckartigen Bewegungen und den grellsanften Farben herrührt, sondern auch von der grenzenlosen Phantasie der Designer. Von diesen Spielzeug-­Fundsachen wurden dann Duplikate gefertigt (wäre ja auch zu schade gewesen, wenn man die Originale hätte zerstören müssen), und ab einem gewissen Zeitpunkt der Handlung über­nehmen sie die eigentlichen Hauptrollen, wer­den menschlich, während sich die Menschen zunehmend als mechanisch agierende Wesen zeigen.

Worauf der Film eigentlich hinaus will, ist mir nicht so recht klargeworden, das Er­schreckendste scheint, daß man Ghandi-Attitüde offenbar genauso spielen kann wie den Er­oberungskrieg. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so wichtig. Barry Levinson, der zusam­men mit Valerie Curtin auch das Drehbuch ge­schrieben hat, „glaubt“, daß es sich um eine Komödie handelt. Aber ganz sicher ist er da nicht. Vielleicht ist das auch der Grund, wa­rum das Script 15 Jahre auf seine Verfilmung gewartet hat. Die Studiobosse wollten den Stoff nicht, so Levinson, „weil er in keine sichere Kategorie passt“.

Das tut er auch jetzt nicht, nachdem das ur­sprünglich veranschlagte Budget von 6 Millio­nen auf 35 Millionen Dollar angestiegen ist. Wahrscheinlich ist der Film ganz einfach ein surrealistisches Pop-Märchen über den Zusam­menhang zwischen Leben und Spiel, über die Natur und die Kunst ihrer Imitation, über die Krise des militärischen Denkens und über den Zusammenhang von Spiel und Krieg, er ist wohl auch eine Familiengeschichte, ein De­sign-Film und eine Hommage an einige fran­zösische Maler der klassischen Moderne, ein Farben-Film, ein Robin-Williams-Film, ein Film über das Sichtbarwerden und Verschwin­denlassen (etwa in dem grandios imitierten MTV-Spot in der Mitte der Handlung). Oder TOYS ist irgendetwas anderes. Jedenfalls ist dieser Unfug wunderschön anzuschauen.

Autor: Georg Seeßlen

Text veröffentlicht in epd film