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Herbert Grönemeyer und  Nina Hoss an der Seite des großen Philip Seymour Hoffman

 

Was Geheimdienste so treiben

Hamburg im Jahr 2012. Ein junger verstörter Mann aus Tschetschenien, Issa Karpov (Grigori Dobrygin) kommt in die Stadt, um in einer privaten Bank das Vermögen seines (russischen) Vaters vom Banker Bure (Willem Dafoe) zu verlangen, der seinerseits schwer unter dem Erbe eines korrupten Vaters zu leiden hat. Es ist ein zerrissener, gejagter, gefolterter Mann, ein Illegaler, einer der vielleicht im Koran seine Zuflucht gefunden hat, und der, so wie er aussieht und so wie er blickt, anfällig für den Terrorismus sein könnte. Man hat da seine Bilder im Kopf, und die Agenten des BND haben sie natürlich auch. Während Issa noch zögert, das unrecht erworbene Geld des Vaters anzunehmen, gerät er schon in den Blickwinkel eines eher illegalen Zweiges der deutschen Spionage, wo ein gewisser Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman in seiner letzten und einmal mehr grandiosen Rolle) sich hartnäckig an seine Fersen heftet, mit seinen Mitarbeitern (darunter Nina Hoss und Daniel Brühl) das Netz der Überwachung knüpfend. Er glaubt an die Unschuld des Mannes, und er will ihn dennoch benutzen, um an die Drahtzieher hinter Waffenschiebereien zu kommen, aber die junge Rechtsanwältin Annabel Richter (Rachel McAdams), die im Dienste einer humanitären Organisation Issas Verteidigung und schließlich seinen Schutz gegen die deutschen Behörden übernommen hat, bringt es fertig, ihn in ein geheimes Versteck zu bringen. Doch sie wird von Bachmanns Mitarbeitern entführt und in einer Mischung aus psychischer Folter und Überzeugungsarbeit dazu gebracht, ihren Schützling, zu seinem eigenen Besten, wie man so sagt, zu verraten. Bachmans Plan ist es, im Spiel der beiden Männer, dem Banker und dem Flüchtling, an eigentliche Hintermänner zu gelangen, die unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit Terroristen mit Waffen versorgen. Und dieser Plan scheint aufzugehen; wir haben es, trotz des Zweitagebarts, des Whisky-Konsums, der Zigaretten und der rüden Sprüche mit einem wirklichen Profi zu tun. Aber da gibt es noch einige weitere Player. Zum Beispiel die amerikanische Diplomatin Martha Sullivan (Robin Wright) oder den BND und seine Beamten mit der entsprechenden Mentalität. Und da die Vorlage von John le Carré stammt (es handelt sich um den Roman „Marionetten“) kann das Ende nicht anders als einigermaßen ernüchternd sein. Aber diesmal kommt es besonders dick.

Regisseur Anton Corbijn, der Fotograf und Meister des Videoclips, setzt, neben dem wundervollen Hoffman, vor allem auf die Stimmung, das düster komponierte Bild und nicht zuletzt auf die Musik; sie stammt von Herbert Grönemeyer (der auch eine kleine Rolle in dem Film übernommen hat) und ist bemerkenswert zurückhaltend. Wie eine Farbe unter den anderen Farben dieses Films. Melancholisch ergraut.

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„Ein Mann, der alle Hoffnungen auf ein bürgerliches Leben längst aufgegeben hat.“

Auch dieser Bachmann ist eine typische Corbijn-Figur, ein Mann im Zustand des Verschwindens, ein im tiefsten Kern einsamer und vor allem a-sozialer Mann, der nicht nur äußerlich immer wieder an die Figur des Orson Welles in TOUCH OF EVIL denken lässt. Ein Dreckskerl, der doch als einziger recht hat. Ein Mann, der alle Hoffnungen auf ein bürgerliches Leben längst aufgegeben hat. Einer, der all die Heucheleien und Maskierungen im Spiel der Politik längst durchschaut hat und sich daher gar nicht die Mühe macht, sie mitzuspielen. Einer der alle vor den Kopf stößt, und am Ende wohl der einzige war, der ein kleines Maß an Vertrauen und Respekt verdient hätte. Kurz: Eine der großartigsten Kino-Charaktere der letzten Zeit.

Wie auch sein letzter Film, THE AMERICAN, ist Corbijns A MOST WANTED MAN auch als eine politische Metapher zu verstehen. Im ersten Film ging es darum, dass ein Mann, eben der Amerikaner, die Waffe, mit der er getötet wird, selber schmiedet, und in diesem Film geht es darum, dass das Paranoia-Spiel der Geheimdienste und der Politik schon destruktiver und gefährlicher ist als die Terroristen oder scheinbaren Terroristen, die sie jagen. Man darf also keinen grimmigen Actionfilm erwarten, es gibt keine Schießereien, und auch die Verfolgungsjagden durch Hamburg halten sich in Grenzen. Stattdessen entsteht eine ungeheure Spannung aus einer Konstellation von Charakteren, von denen immer offen bleibt, wohin sie sich entwickeln. Es ist, als würden da lauter lebende Zeitbomben miteinander konkurrieren. Am Ende freilich schaut eine deutsche Beamtenseele befriedigt auf ein Aufklärungsspiel, das sie so gründlich durchkreuzt hat, wie ein böser Spießer, der ein kunstvoll errichtetes Kartenhaus zum Einsturz bringt. Nicht einmal ein touch of evil hilft gegen die Allianz von Borniertheit und Zynismus der Macht.

Georg Seeßlen

Dieser Text ist zuerst gekürzt erschienen in Strandgut

A Most Wanted Man, von Anton Corbijn (Großbritannien/ Deutschland/ USA 2014)

Bilder: Senator