Seit POLTERGEIST macht Tobe Hooper Filme, in denen das Grandiose direkt neben dem Lächerlichen steht, inszenatorische Glanzleistungen und schlampigen Blödsinn. In FIRE SYNDROME ist das so auf die Spitze getrieben, daß man den ganzen Film hin- und hergerissen wird zwischen: „Donnerwetter, jetzt zeigt er’s uns aber wieder“ und „Das darf doch nicht wahr sein“. Dazwischen liegt meistens nur ein Schnitt; nicht einmal eine Sequenz bleibt ganz im Grandiosen oder im Lächerlichen. Aber auch in der Anlage der Story, in den Charakteren, in den Details und nicht zuletzt in den Special Effects wiederholt sich das. Auf eine gute Idee folgt unweigerlich etwas Danebengegangenes.

In einem Bunker in Nevada wird ein junges, amerikanisches Paar, nachdem man sich gegenseitig „Impfstoff“ gegen radioaktive Strahlung injiziert hat, der Explosion einer Test-Atombombe ausgesetzt. Sie überleben den Test und werden als „Nuclear Family“ zu gefeierten Nationalhelden. Da trifft Hooper sehr genau Grausamkeit und Sentimentalität dieser Atomzeit: Brian und Peggy Jones, das sind die Dagwood und Blondie, die Helden von „Gasoline Alley“, kleine, kindergesichtige, naive amerikanische Menschen, die alles tun, um den amerikanischen Traum zu erfüllen, und wenn man sich dafür in die Luft sprengen lassen müsste. Allerdings waren die Zeiten des Wartens wohl ein bisschen lang, und wider die Abmachungen mit den Leitern dieses Experiments bekommt Peggy ein Baby. Die finsteren Militärs und Wissenschaftler können sich zu einer Abtreibung nicht entschließen, und die Nuclear Family feiert sich bis zu ihrer Vervollkommnung. Kurze Zeit nach der Geburt ihres Sohnes Sam brechen zuerst aus Peggys dann auch aus Brians Körper plötzlich Flammen hervor: sie fallen einer Nebenwirkung des Impfstoffes zum Opfer, der „Spontaneous Human Combustion“, der spontanen menschlichen Selbstentzündung. Bis einschließlich dieses grausamen Effekts möchte man von dem Film eine Höllenvision von verratenen Träumen und übler technologischer Macht erwarten, aber wenn dann die Wissenschaftler dozierend in den verkohlten Leichen herumbohren, ist rasch klar: Da geht es um ein B-Movie der fünfziger Jahre mit Schockeffekten von heute. Ein Geniestreich ist die Besetzung von Sam (dem wir im Jahr 1989 als 34jährigem Lehrer wieder begegnen) und seiner Freundin Lisa mit Brad Dourif und Cynthia Bain: eine Generation ist vergangen, und es sind Menschen einer ganz und gar anderen Rasse entstanden. Kinder haben, wie jüngst des öfteren im amerikanischen Kino, Erwachsene gezeugt. Nach einer Begegnung mit seiner geschiedenen Frau Rachel entdeckt Sam zum ersten Mal an sich das Feuer-Syndrom; zuerst bricht aus seinem eigenen Körper Feuer, dann entzünden sich Menschen, denen er begegnet. Während immer mehr Menschen verbrennen müssen, kommt Sam allmählich dem Urheber seiner Tragödie auf die Spur. In einer wiederum grandiosen Szene begegnet er dem greisen Mann im Rollstuhl in einer unwirklichen Architektur, und bald darauf endet der Film auf einigermaßen läppische Weise.

Wie kommen solche Missverhältnisse zustande? Zum einen ist Tobe Hooper wohl kein sonderlich begnadeter Geschichtenerzähler, das eine Mal fällt ihm zu viel, das andere Mal zu wenig ein. Er kann eine einmal gefundene Situation mit gnadenloser Konsequenz durchspielen, aber er scheitert an den wichtigen Retardierungen und Nebengeschichten. Vermutlich hätte er einen stärkeren Drehbuch-Partner als Howard Goldberg gebraucht, um seiner Story Schliff zu verleihen. Seine unglückliche Liebe zu den Fifties macht ihn überdies anfällig für spontane Selbstentzündungen von Genre-Klischees. Das Unheil nimmt nun einmal wieder seinen Lauf, und all das, was man aus der Eingangsgeschichte hätte machen können, eine Spiegelung des Heute in diese fünfziger Jahre etwa, ist vergessen. Und schließlich ist das Feuer im Film wohl auch nicht so leicht darzustellen wie sich Trickster John Dykstra das vorgestellt hat. Die Asbestzündeleien und das Einkopieren wollen nicht immer ganz zueinander passen. Es gibt, wenn man so will, keine „Ästhetik“ des Feuers, sondern nur verschiedene Spezialeffekt-Lösungen für seine Darstellung, und das heißt auch, aus dem Feuer kann keine schlüssige Metapher werden. Es ist bloß scheußlich und läßt Menschen leiden, schreien und sterben.

Autor: Georg Seeßlen

Text veröffentlicht in epd Film 5/90