Die Erde zu retten ist Höllenarbeit. Guillermo del Toro schickt zum zweiten Mal die Gestalt in den Kampf zwischen Menschen- und Magiewelt, die von beiden abgelehnt wird: den Sprücheklopfer Hellboy

Als Hellboy vor vier Jahren am 16. September in Deutschland anlief, war das ein großes Glück. Die Selbstverständlichkeit, mit der hier Fantastisches, krude Mystik, Action, Lakonie, Liebesdrama, Gags und dicke Brocken Zeitgeschichte zusammengenietet wurden, spottete jeder Beschreibung. Sehr genau schien dieser Film zu wissen, welche Freiheiten eine Comicverfilmung sich nehmen kann, wenn sie nicht auf Hochkulturmeriten schielt. Mittendrin Ron Perlman als dieser riesige Daueradoleszent, der rote Titelheld aus der Hölle, der mit Steinfaust, Schweif und getrimmten Hörnern für das B.P.R.D. (Bureau for Paranormal Research and Defense) paranormalen Problemen in den Hintern tritt – 2004 unter anderem altbiblischen Monstern, Rasputin, untoten Nazis und dem Teufel.

Eine zutiefst romantische Liebe zum Kino als einem System, das erst mal nur sich selbst Rechenschaft schuldig ist, wirkte in diesem Film. Und das Tollste war, dass er seinen Kinostart zusammen mit Bernd Eichingers Der Untergang beging – Nazis als gefährliche Wiedergänger zu bekämpfen, die anstelle eines Herzens irgendwas zum Aufziehen in der Brust tragen, war 2004 die beste Antwort auf die Suche nach dem Wesen des Führers.

Nun ist der rote Retter zurück, wieder hat Guillermo del Toro Regie geführt und zusammen mit dem Comiczeichner und »Hellboy«-Erfinder Mike Mignola das Drehbuch geschrieben. Der Zeitpunkt ist perfekt, immerhin läuft dieser Tage mit dem Baader-Meinhof-Komplex auch die neue Eichinger-Großbewältigung der deutschen Geschichte.

Der Terrorist, mit dem es Hellboy diesmal zu tun bekommt, will gleich die ganze Menschheit vernichten. Prinz Nuada (Luke Goss) hat das unterirdische Reich der magischen Geschöpfe verlassen, um den Menschen die Macht über die Erde zu nehmen. Sein Grund ist einleuchtend: Die Menschen sind mit einem Loch im Herzen geschaffen, ihre Gier vernichtet alles. Dass Hellboy und seine große Liebe, die pyrokinetisch begabte Liz (Selma Blair), Nuada trotzdem stoppen müssen, bringt die Geschichte ins Rollen.

Fans und Nerds könnten Hellboy – Die goldene Armee als Retrospektive der bisherigen Filme Guillermo del Toros sehen. Der Film ist voll von der Cronos-Mechanik, der Kung-Fu-Schattenwelt von Blade, der Untergrundangst von Mimic, den Fabelwesen aus Pans Labyrinth und natürlich jeder Menge Hellboy, der mit Liz Beziehungsprobleme zu klären hat und bald Vater wird. Schwärme allesfressender Zahnfeen zu erledigen und Trolle zu vermöbeln ist eine Sache – Liebeskummer und Barry Manilows »Can‘t Smile Without You« sind eine andere.

Bisweilen mag die Masse an Referenzen auf das fantastische Kino, von Eugen Schüfftan über Jack Arnold bis zu Peter Jackson, aufdringlich und oll wirken. Sie führt jedoch immer wieder zurück zur Selbstbehauptung des Films als Film. Dieser hier ist wie der Trollmarkt, auf dem Hellboy einen Tumor mit einem Baby verwechselt: ein schlechter Witz (Nuada: »Du bezahlst für den Tod meines Freundes.« – Hellboy: »Geht auch’n Scheck?«) und ein eigenwilliges Abarbeiten an Kitsch, beides eingebettet in eine absurde Romantik, die keine Kompromisse macht.

Hellboy 2 will nicht dicke Bretter bohren wie Dark Knight, der schwer trägt an der Last des Thesenfilms, sondern gründet seine Leichtigkeit auf die simple Logik von Märchen (die ja dann doch nie so simpel ist). Sie lautet hier: Menschen sind ignorant, ängstlich und zerstörerisch. Warum Hellboy dennoch zu denen gehören will, die ihn als anders ablehnen, warum er seine Hörner abschleift »to fit in«, müssen wir nicht verstehen – nur akzeptieren, dass es so ist.

So ist die Komplexität dieses betont unterkomplexen Superhelden-Films im Unterschied zum gesellschaftspolitisch ambitionierten Batman eine persönliche Sache. Während Dark Knight und der neoliberale Hancock in das Hohelied der Arbeit und in die Mahnung einstimmen, sich seiner Pflicht nicht zu entziehen, macht der B.P.R.D.-Agent Hellboy am Ende einen interessanten anderen Vorschlag: Er kündigt.

Autor: Jan Distelmeyer

Dieser Text ist zuerst erschienen in: epd Film 10/2008