Seit Jahrzehnten gehört John le Carré zu den Erfolgsautoren im Genre-Thriller. Sein Hauptthema: der Kalte Krieg. Doch der ist aus. Bedeutet dies auch das „Aus“ für die Romane? Mitnichten. Das beweist die Verfilmung von „Dame, König, As, Spion“, ein meisterliches Bild Europas der 1970er Jahre, das auch Schlaglichter auf die Gegenwart wirft.

Der schwedische Regisseur Tomas Alfredson hat sein US-Debüt mit der Präzision eines altmodischen schweizer Uhrwerks inszeniert. Sämtliche Szenen sind in sich klug arrangiert und genauso klug miteinander verwoben. Das damit geschaffene Gespinst aus Lüge und Verrat bekommt so eine wahrlich mörderische Dichte. Kameraführung, Ausstattung und Musik unterstützen das prächtig. Die sepia-getönten Tableaus in schönstem Breitwandformat werden vom üppigen Soundtrack geradezu umschmeichelt. Der Zeitgeist von vor etwa vierzig Jahren feiert auf geradezu unheimliche Art seine Wiederauferstehung.

Ost und West in Konkurrenz: Spione hier, Agenten da, von den eigenen Leuten jeweils als Helden gefeiert, von den anderen verteufelt. Der Kalte Krieg kannte keine Gnade. Aber er kannte Schlupflöcher für die Demokratie. Da passt die hier erzählte Geschichte von der verzweifelten Suche nach einem Doppelagenten wie die Faust aufs Auge. Tomas Alfredson folgt der Vorlage von John le Carré, wenn er sein Augenmerk auf den Ungeist richtet, der alles Tun der Protagonisten bestimmt. Moralische Wertungen bleiben dabei aus. Was den Gänsehauteffekt noch verstärkt. Je mehr die Handlung voranschreitet, umso mehr beschleicht einen das ungute Gefühl, auch heutigentags ist nichts sicher, was uns die politischen Hüter von Staatsräson und -ordnung als sicher anpreisen, nichts ist wirklich weiß, was uns weiß gemacht wird.

Die Erzählung begeistert neben aller Spannung, die aus der Suche nach dem „Bösewicht“ resultiert, insbesondere durch die vielen Szenen, in denen der Kampf der Anti-Helden wie ein Ballett der Blicke und ein Gemetzel der Gesten wirkt. Lautstarke Action haben die Männer an den unsichtbaren Fronten der rivalisierenden Geheimdienste immer vermieden, und der Film vermeidet sie also auch. Selten gab es einen Thriller, in dem das lauernde Misstrauen von jedem gegen jeden derart intensiv zu spüren war, ohne dass es erklärender Worte oder ausufernder Materialschlachten bedarf. Auch das lässt einen Gruseln: Hört und sieht man das, fragt man sich sofort, ob die letzte Beurteilung, die man bekommen hat, nicht doch mit heimlichen, von einem selbst nicht zu entschlüsselnden Informationen Gespickt war.

Der jugendlich wirkende Benedict Cumberbatch als Peter Gilliam und der gestandene Gary Oldman in der Rolle des George Smiley führen das mit aufregender Gelassenheit agierende Schauspielensemble an. Populäre Akteure wie Colin Firth und Ciarán Hinds unterstützen sie mit nicht unbedingt großen, aber äußerst wirkungsvollen Auftritten. Sie lassen einen frösteln, wenn sie ganz locker und nebenbei beweisen, wie tödlich ein charmantes Lächeln sein kann. Und sie zeigen, dass der Kalte Krieg keine Angelegenheit war, die allein „die da oben“ betraf, sondern eine politische Katastrophe, die das Leben unzähliger so genannter kleiner Leute auf oft dramatische Weise geprägt hat.

Die Verfilmung des 1974 veröffentlichten Romans beginnt übrigens mit einem inszenatorischen Coup: John Hurt, zweifellos ein Weltstar, spielt den Chef von „Circus“, wie der geheimste innere Verbund der britischen Spionage heißt. Er setzt das Geschehen in Gang. Und schon tritt er ab. Die Figur stirbt. Damit ist im Handumdrehen die Spannung angeheizt. Denn keiner im Parkett mag so recht glauben, dass ein Schauspieler vom Format eines John Hurt wirklich nur einen derartig kurzen Auftritt absolviert. Jeder rechnet damit, dass hier die erste Finte gelegt wurde, und der populäre Akteur irgendwann noch einmal mit sardonischem Lächeln auf der Spielfläche erscheint. Ob diese Erwartung erfüllt wird, sei hier selbstverständlich nicht verraten. Aber deutlich gesagt sei, dass dies nicht die einzige trickreiche Überraschung der exzellenten Literaturverfilmung ist!

Peter Claus

Dame, König, As, Spion, von Tomas Alfredson (Frankreich, England, Deutschland 2011)

Bilder: Studiocanal