„Elles“ heißt der Film im französischen Original. Das ist eine neckische Anspielung darauf, dass die Hauptfigur als Journalistin für das Edel-Magazin „Elle“ arbeitet. Ansonsten geht’s hier gar nicht neckisch zu. Die Journalistin, deren Leben auf den ersten Blick perfekt arrangiert zu sein scheint, trifft für eine Reportage auf zwei Studentinnen, die ihre gar nicht perfekte Existenz mit Prostitution absichern müssen. Konfrontationen und Konflikte also sind programmiert.

Regisseurin Małgorzata Szumowska hat ein Händchen dafür, die eher konventionell anmutende Story unkonventionell umzusetzen. Und sie hat mit Juliette Binoche eine charismatische Hauptdarstellerin, die das Publikum geradezu magisch anzieht. Sie spielt die Journalistin Anne. Aus dem Versuch, eine Reportage über das „älteste Gewerbe der Welt“ zu schreiben, wird eine Selbsterfahrungsreise, die bis an die Grenze des Erträglichen geht. Charlotte (Anaïs Demoustier) und Alicja (Joanna Kulig), die beiden jungen Frauen, existieren nur scheinbar in der gleichen Kultur wie Anne. Tatsächlich haben die Beiden völlig andere Auffassungen von dem, was ein erfülltes Dasein sein sollte. Vor allem aus dem Aufeinanderprall dieser unterschiedlichen Auffassungen resultiert die Spannung des Films. Insbesondere die exzellente Kamera sorgt dabei für Doppeldeutigkeiten. Viele Bilder entlarven das, was weithin als bürgerliche Sicherheit gilt (schicke Möbel, tolle Klamotten, materieller Wohlstand allgemein) als Lug und Trug. Journalistin Anne wirkt in zahlreichen Momenten einfach nur verloren, während die sich mit -x Problemen herumschlagenden Studentinnen stets mitten im Leben zu stehen scheinen. Erfreulich: der Job der Amateurnutten wird nie reißerisch in Szene gesetzt. Regisseurin Małgorzata Szumowska und ihre Drehbuchmitautorin Tine Byrckel haben ein feines Gespür für pralle Charakterzeichnungen. Die Schauspielerinnen entsprechen dem perfekt. Dazu kommt die Fähigkeit der Regisseurin, in einer eleganten Inszenierung sichtbar zu machen, was mit bloßem Augen nicht wirklich zu sehen ist, etwa das Geflecht kultureller Muster, in dem sich die Protagonistinnen bewegen. Das ist sehr spannend. Und das ist aufschlussreich. Man fragt sich nämlich als Zuschauer, zwischen welchen von den Strippenziehern der Macht gezogenen Grenzen eigentlich das eigene Leben abläuft bzw. stagniert.

Peter Claus

Das bessere Leben, von Małgorzata Szumowska (Deutschland/ Frankreich/ Polen 2012)

Bilder: Zorro