Einmal quer durch Berlin – in eineinhalb Stunden. Ein cleveres Sujet. Die Geschichte ist Krimi und Zeitbild in einem, formal gibt’s klassisches Erzählkino und auf Konventionen pfeifendes Experimentelles. Die Story um einen Schauspieler, der während der Premiere seines neuen Films den Tod der Freundin rächen will, heizt die Spannung an. Ist aber nicht wirklich entscheidend. Wesentlicher ist, wie der Trip durch die deutsche Hauptstadt eingefangen wurde. Das alte Motto „Der Weg ist das Ziel“ wird dabei effektvoll beleuchtet. Stilistischer Trick: immer wieder gibt es Filmclips – auf Smartphones, in der S-Bahn, auf Bildschirmen. Sie spiegeln das zerrissene Innere der Hauptfigur und die Zerrissenheit Berlins. Das ist das Aufregende an dem Film: eine komplizierte Persönlichkeit wird zum Spiegel der alles andere als einfachen Stadt. „Alice im Wunderland“ lässt grüßen. Blerim Destani, Udo Kier und Nicolette Krebitz sorgen für gutes Schauspiel, gelegentlich hübsch-neckisch somnambul anmutend, letztlich aber doch handfest. Die Kamera von Suki Medencevic unterstützt sie (und den Regisseur) mit erstaunlicher Ruhe. Es verblüfft, mit welcher Lust an „Gemächlichkeit“ die hektische Geschichte abgespult wird. Gegensätze sind nun einmal von großem Reiz. Das wird eindringlich bestätigt.

Regisseur Ivo Trajkov erfreut mit dem Mut zum Ungewöhnlichen. Ein Meisterwerk ist ihm nicht gelungen. Doch es ist von großem Reiz, eine Reise ins Ich als Reise in unsere Wirklichkeit zu unternehmen. Trajkov weist sich als starkes Talent aus, von dem man mehr sehen möchte!

Peter Claus

90 Minuten – Das Berlin-Projekt, von Ivo Trajkov (Deutschland 2012)

Bilder: alpha medienkontor