Es darf gestaunt werden: Jung-Regisseur Axel Ranisch hat es wirklich geschafft, seinen Spielfilm mit lediglich 517,32 Euro Produktionskosten zu realisieren. Die Kosten, um den Film jetzt ins Kino zu bringen, haben diese durch Selbstausbeutung aller Beteiligten ermöglichte Mini-Summe längst weit überschritten – wie auch die Gelder, die der Film bereits mit -x Preisen auf verschiedenen Festivals eingeheimst hat. Zuletzt bekam die Komödie den „Sonderpreis für Filme mit einer Laufzeit von mehr als 30 bis 78 Minuten“ des von Kulturstaatsminister Bernd Neumann vergebenen Deutschen Kurzfilmpreises.

Das Schwärmen derer, die den Film schon hier oder da oder auch dort gesehen haben, ist groß. Von einem Kino-Wunder ist die Rede. Soviel Vorab-Lob macht skeptisch. Doch Skepsis ist nicht angebracht. Der Film bezaubert tatsächlich. Die Geschichte beginnt damit, dass die hoch betagte und schon ein wenig an Demenz leidende Edeltraud (verkörpert von Ranischs 91-jähriger Großmutter Ruth Bickelhaupt) ihren Sohn Sven (Heiko Pinkowski) und ihren Betreuer Daniel (Peter Trabner) an den Rand der Verzweiflung treibt. Die alte Dame büxt aus. Zum Glück für alle Beteiligten endet das Abenteuer ohne Katastrophe. Also wird gefeiert. Beim Fest und den darauffolgenden Ereignissen wird den beiden schwergewichtigen Männern, die so um die 40 sind, klar, dass sie mehr als Kumpanei verbindet. Sie schliddern in eine hinreißende Liebesgeschichte, die auch eine Liebeskummergeschichte ist, die viel von der Verletzlichkeit von jungen und älteren Menschen erzählt, von der Schwierigkeit, sich selbst treu zu sein, vom Alltag von Leuten, die nicht zu den Schönen und Reichen in unserer Gesellschaft gehören. Der Witz, etwa wenn sich Daniels halbwüchsiger Sohn Leo (Paul Pinkowski) zu den zwei Männern gesellt, ist enorm, aber nie grob. Das Auf und Ab der Gefühle kommt ganz ohne Klischees und ohne Zweideutigkeiten aus. Herrlich!

Regisseur und Kameramann Axel Ranisch hat seinen Film mit einer kleinen Digitalkamera gedreht. Der Verlauf der Handlung und die Dialoge hat der Absolvent der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, ein Schüler von Rosa von Praunheim, am Set mit seinen Schauspielern entwickelt. Das Spielerische der Produktion bleibt im fertigen Film spürbar und gibt diesem eine berückende Leichtigkeit. Unbedingt ansehen!

Peter Claus

Dicke Mädchen, von Axel Ranisch (Deutschland 2012)

Bilder: missingFilms