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Beim Internationalen Filmfestival 2011 in Locarno galt dieser Film nach seiner ersten Aufführungen sofort als Favorit der Festivalgemeinde. Tatsächlich gab’s gleich fünf Auszeichnungen für den Film, darunter auch die wichtigste Locarno-Ehrung, den Goldenen Leoparden. Dabei war der Film keineswegs unumstritten. Die sprunghafte Erzählweise der aus Argentinien stammenden Debütantin Milagros Mumenthaler, die wohl eigenes Erleben verarbeitet hat, macht den Zugang zum Geschehen nämlich alles andere als einfach.

abrirpuertas_320Die Erzählung dreht sich um drei Schwestern, die allein in einem großen Haus leben. Die Älteste, Marina (María Canale) schmeißt den Laden. Sie funktioniert. Innerlich ist sie ganz der Vergangenheit verfallen. Die jüngste, Violeta (Ailín Salas), ist einem Kerl ergeben. Mit dem haut sie irgendwann auch ab. Nummer drei, die Mittlere, Sofia (Martina Juncadella), hütet ein Geheimnis: Angeblich geht sie studieren. Doch wieso kleidet sie sich dafür stets überaus freizügig und kommt dann oft auch mit erstaunlich viel Geld zurück? Lügen und Geheimnisse also bestimmen das Dasein in dem seltsamen Haus. Das hat wohl mal sehr, sehr gute Zeiten erlebt. Doch jetzt wirkt es arg heruntergekommen.

Man ahnt es schnell: hier geht es darum, ein Gesellschaftsbild zu zeichnen. Und es ist keine feine Gesellschaft, die porträtiert wird. Argentinien wird deutlich als Land in lähmender Lethargie. Die oft sehr verhaltene Art der Inszenierung kann aber eben auch auf Zuschauer lähmend wirken. Wer sich dem Film hingibt, dringt tief ein in die Misere dessen, was einst als bürgerlicher Wohlstand gefeiert und inzwischen vielfach – zu Recht oder zu Unrecht – als Welt verlogener Künstlichkeit geschmäht wird. Bei Lust am Grübeln ist das ein Genuss.

Peter Claus

Abrir puertas y ventanas – Offene Türen, offene Fenster, von Milagros Mumenthaler (Schweiz, Argentinien 2011)

Bilder: One Filmverleih