Archäologin, Historikerin, Schriftstellerin, Bergsteigerin, Politikerin, Spionin: Die Engländerin Gertrude Bell (1868 bis 1926), Tochter aus gutem Hause, war eine überaus starke und vielseitig begabte Frau. Und sie war wohl auch eine leidenschaftlich Liebende. Wichtiger für die Welt ist ihr noch heute wirkender Einfluss auf die Zeitgeschichte: Vor knapp 100 Jahren hat sie nämlich als Beraterin wesentlich die territoriale Aufteilung des Nahen Ostens mitbestimmt. Die fatalen Folgen sind bekannt.

Dieser Aspekt jedoch hat Regisseur Werner Herzog offenbar allenfalls am Rande interessiert. Er fokussiert auf die Frau selbst. Der Film beginnt 1902. Gertrude verliert den ersten wichtigen Mann neben ihrem Vater, den ersten Geliebten, durch Tod. Der Schmerz wird zum Motor übereifrigen Handelns. Als Forscherin hat sie viel Glück. Als Liebende nicht. Der zweite Mann ihres Herzens wird ihr durch die gesellschaftlichen Regeln genommen. Die Unglückliche stürzt sich in die Arbeit und wird zu einer der wichtigsten Kennerinnen des Nahen Ostens in der so genannten westlichen Welt. Nach dem Ersten Weltkrieg kommt ihr schließlich die schon oben benannte Schlüsselrolle zu.

Man kann bedauern, dass Herzog sich nahezu völlig aufs Persönliche konzentriert. Doch man kann das auch goutieren. Denn Nicole Kidman zeigt exzellentes Schauspiel. Mit ihrer sensiblen, oft wunderbar trockenen Interpretation der Titelrolle gibt sie Gertrude Bell in der optisch überbordenden Inszenierung eine faszinierende Bodenhaftung. Sie schafft es, die Intelligenz dieser Frau zu zeigen, ohne dass sie vordergründig wird. Ja, das ist Star-Kino. Aber keines der billigen Art.

Peter Claus

Bilder: Prokino

Königin der Wüste, von Werner Herzog  (USA 2014)