Skepsis? Noch eine Auflage der Krachklamotte um verkrachte Schülerexistenzen und einen Lehrer, der in Wahrheit gar keiner ist? Die ersten Filmminuten bestätigen die schlimmsten Befürchtungen: Die Kalauer im Sekundentakt sind eher lahm, die Pennälerwitz-Parade mutet plump an: lernfaule Kids und ihr Lehrer durchlaufen eine Peinlichkeitsparade. Dann aber: Schwenk um 180 Grad. Auftritt Katja Riemann: Sie spielt wieder die Direktorin der Goethe-Gesamtschule. Die Frau ist überfordert, bändigt ihre Panikattacken mit Klebstoffschnüffeln, wirkt fahrig. Was geradezu ausufert, weil sie von einem Schulinspektor bedrängt wird. Der stellt harte Forderungen. Werden die nicht erfüllt, muss die Schule schließen. Frau Direktorin ist verzweifelt. Und gibt den Stress an Lehrer Zeki Müller (Elyas M’Barek) weiter. Der soll seine unmotivierten Schützlinge zu Hochleistungen bringen. Klappt das nicht, ist sein Höhenflug als Pädagoge beendet.

Mit Katja Riemanns erstem Auftritt bekommt der Film eine neue Qualität. Sie glänzt mit komödiantischer Schauspielkunst. Bei allem Brachialhumor, den auch sie bedient, entwickelt sie eine in sich stimmige Charakterstudie. Denn sie gibt der Mittvierzigeri – indem sie deren Existenzängsten Ausdruck verleiht, sie bei aller durch Stress hervorgerufenen Zickigkeit auch als warmherzige Persönlichkeit zeichnet – eine schöne Tiefe. Damit führt sie ein Schauspielensemble an, das mit Können, flirrender Spiellust und Engagement überzeugt. Man spürt, dass jede im ersten Moment noch so überdreht anmutende Figur einen vielschichtigen Kern hat. Da sind erst einmal die Schülerinnen und Schüler, ob Jella Haase als scheinbar doofes Proll-Püppchen Chantal, Max von der Groeben im Part des offenbar gewaltgeladenen Danger, Gizem Emre als vermutlich unterbelichtete Schnattertrine Zeynep. Sie und die anderen sind dank der Akteure mehr als Comic-Abziehbilder. Regisseur Bora Dagtekin hat allen schon im Drehbuch jede Menge Futter für differenzierte Darstellungen gegeben. Natürlich auch den Erwachsenen. Neben Katja Riemann darf insbesondere Sandra Hüller glänzen. Die bisher für die exzellente Verkörperung schwieriger Leute in eher anspruchsvollen Arthouse-Filmen wie „Requiem“ und vor allem „Toni Erdmann“ bekannte Schauspielerin überrascht mit der ebenso leichtfüßigen wie gefühlvollen Interpretation einer jungen Lehrerin, die ihren Beruf von ganzem Herzen liebt, aber selbst noch manches lernen muss. Hüller macht selbst aus Nummern, die rasch peinlich werden könnten, wie einem erotisch aufgeheizten Tanz unter Drogeneinfluss, Kabinettstückchen. Und Hauptdarsteller Elyas M’Barek? Er darf mal wieder seinen gut trainierten Körper in ganzer Schönheit zeigen. Lange sieht’s so aus, als bliebe der von ihm gespielte Möchtegern-Lehrer der einzige Pappkamerad: lustig, flippig, durchgeknallt. Doch auch er hat schließlich eine große Szene, in der er aus dem Typ einen Mann machen kann, ihm eine Seele geben darf. Die wird als verletzlich erkennbar. Dafür hat er nur wenige Minuten. Elyas M’Barek bietet sein ganzes Können auf – und landet einen Sieg nach Punkten. Plötzlich sieht man seinen Zeki mit anderen Augen …

Es wurde schon viel darüber diskutiert, wieso Publikum und Kritik überwiegend positiv auf die beiden ersten „Fack ju Göthe“-Filme reagiert haben. Mit mehr als 15 Millionen Zuschauern gehören die zwei Klamotten zu den erfolgreichsten Kassenknüllern der deutschen Filmgeschichte. Sicher hat der Erfolg mit der schauspielerischen Klasse zu tun. Entscheidend ist auch, dass die Drehbücher geschickt die Balance zwischen Krachkomik und Emotionalität halten. Hinzu kommt, dass die Gags leicht verdaulich sind. Der Klamauk geht immer nur ein bisschen unter die Gürtellinie. Wirklich dreckig oder gar anarchisch wird es nie. Das ist alles so auch im dritten Teil. Doch es ist Entscheidendes hinzu gekommen: Die deutsche Bildungsmisere wird, wie gewohnt, so aufs Korn genommen, dass Schüler, Eltern, Lehrer herzhaft darüber lachen können. Dieses Mal ist der Humor allerdings gelegentlich derart scharf, dass manches Lachen gallebitter wird. Gut so! Daraus resultiert nämlich, dass die deutlich, gar erfreulich moralisierend aber nie moralinsauer ausgestellte Botschaft von den vielen den Erwartungen entsprechenden Albernheiten – Gags um fliegende Zäpfchen oder verklemmten Sex – nicht zugedeckt wird: Bildung ist das Wesentliche für ein gutes Leben. Was nicht Wissen allein meint, sondern auch und vor allem Herzensbildung. Das wird an ernsten und erfreulich ernsthaft reflektierten Themen wie zum Beispiel soziale Not, Mobbing oder Suizidsehnsucht deutlich gemacht. Die Klamotte reift zur durchaus gehaltvollen Komödie. Der Abschluss der Trilogie um die Abenteuer lernfauler Münchner Kids und ihres Lehrers mit kleinkrimineller Vergangenheit ist also komisch, rührend und überbringt zudem eine ernst zu nehmende Botschaft. Man kann sich amüsieren und darf nachdenken. Dafür gebührt die Bestnote!

Peter Claus

Bild ganz oben: © Constantin Film Verleih | Fack Ju Göhte 3 von Bora Dağtekin

Fack ju Göthe 3, von Bora Dagtekin (Deutschland 2017)