Isabelle und ihre Liebhaber

Claire Denis, die intellektuelle Grüblerin, auf kommerziellen Pfaden, als Regisseurin einer Komödie? Man will es erst einmal nicht glauben. Muss man auch nicht. Denn der Film wurde angeregt von Roland Barthes’ „Fragmente einer Sprache der Liebe“ („Fragments d’un discours amoureux“) aus dem Jahr 1977. Der Philosoph hat hier, in seinem wohl berühmtesten Buch, oberflächlich betrachtet, die Liebe analysiert. Vor allem aber, das ist das Entscheidende, hat er die Versuche der Menschheit unter die Lupe genommen, das Unfassbare fasslich in Sprache zu spiegeln. Was ist Liebe überhaupt? Was macht sie aus? Wie lässt sie sich beschreiben? Worin bestehen die Regeln der Liebe? Gibt es überhaupt Regeln?

Der Film, man staunt, kommt der kunstvollen und geistreichen Vorlage erstaunlich nah, und das nicht, weil er etwa Kapitelüberschriften, wie „Les lunettes noires“, übernimmt. Es ist vor allem der Ton des Unentwegt-Zweifelns, der dem Buch entspricht. Erzählt wird von Isabelle (Juliette Binoche). Sie, allein erziehende Mutter, Malerin, sucht einen Partner. Verschiedene Männer kommen ins Spiel – und mit ihnen entstehen verschiedene Momentaufnahmen, Miniaturen. Sie erzählen von Sehnsucht, Verletzlichkeit, Angst, Hoffnung, Begehren, Ablehnung, Sich-Verstecken oder -Offenbaren.

Claire Denis, bekannt für nicht gerade leicht zu verdauende Filme wie „Beau Travail“, zeigt hier einen köstlich leichten Stil. Keine Szene wirkt verkrampft, kein Moment mutet verkopft an. Und doch: Hinter dem schönen Schein lauert harte Kost, nämlich jede Menge Stoff zum Nachdenken über das Mit- und eben oft auch Gegeneinander der Geschlechter. Dabei gibt es keine Schwarz-Weiß-Malerei, nicht einmal Urteile, schon gar nicht Verurteilungen. Die offene Struktur des Szenenreigens eignet sich bestens dafür, Widerhaken in die Köpfe der Zuschauer zu setzen, ohne zu belehren oder auch nur Gedankengänge vorzuzeichnen.

Es ist nicht vorstellbar, dass jemand anderes als Juliette Binoche die Hauptrolle verkörpert. Auch sie: ganz leicht, manchmal fast schwerelos anmutend. Ist sie so etwas wie das Alter Ego der Regisseurin? Mag sein, vielleicht aber auch nicht. In jedem Fall ist den Beiden ein wunderbar intimer Film gelungen.

Peter Claus

Foto ganz oben: © Pandora Filmverleih

Meine schöne innere Sonne – Isabelle und ihre Liebhaber, von Claire Denis

(Frankreich / Belgien 2017)