Spielfilme aus dem Arthouse-Sektor haben sich schon mehrfach der Selbstfindung schwuler oder lesbischer junger Leute zugewandt, zuletzt wirklich gelungen in „Call Me By Your Name“. Man mag’s kaum glauben, doch es stimmt wohl: dies ist nun tatsächlich die erste Teenager-Komödie aus einem der großen Hollywood-Studios mit einem Helden, der sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt.

Der Film zielt geschickt Grundsätzliches: Attackiert wird eine Lebenshaltung, die jegliche Abweichung vom vermeintlichen Normenkanon des menschlichen Miteinanders a priori ablehnt und diffamiert. Wobei der Film dabei klugerweise nicht auf pädagogisches Argumentieren setzt, sondern auf Gefühle. Aus einer Träne im Kino kann bekanntlich eine Sturzflut werden.

Und gelegentlich darf hier auch eine Träne der Rührung vergossen werden. Doch Witz und Romantik überwiegen. Erzählt wird von Simon (Nick Robinson), einem 17-Jährigen auf der Suche nach sich selbst. Die Story basiert auf dem 2015 in den USA herausgekommenen Bestseller „Simon vs. the Homo Sapiens Agenda“ von Becky Albertalli. Die deutsche Übersetzung „Nur drei Worte“ wurde im vorigen Jahr mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie „Preis der Jugendlichen“, also von jungen Leserinnen und Lesern, ausgezeichnet. Die Übersetzung des Originaltitels heißt in etwa „Simon gegen den menschlichen Plan“. Womit die Autorin darauf anspielt, dass Heterosexualität im bürgerlichen Alltag nach wie vor als Norm gilt, von vielen jede Abweichung davon als unnormal, gar krankhaft empfunden wird. Und genau damit sieht sich Simon konfrontiert. Seinem Vater (Josh Duhamel) zum Beispiel gehen Schimpfworte, wie „Schwuchtel“ flott von den Lippen. Was er gar nicht böse meint. Er plappert, was so viele plappern. Simon hingegen grübelt. Denn er weiß seit vier Jahren, dass er schwul ist. Doch wie soll er es den Eltern und der Freundesclique sagen? Er traut sich nicht. Dann aber wird es dringend. Denn über einen anonymen Blog im Internet bekommt Simon Kontakt zu einem Mitschüler, der unter dem Namen „Blue“ über seine Homosexualität sinniert. Beim daraufhin einsetzenden Gedankenaustausch mittels E-Mail verlieben sich die beiden ineinander. Wer aber ist der Unbekannte? Es sieht alles danach aus, dass es nur zu einem realen Miteinander kommen kann, wenn Simon endlich den entscheidenden Schritt wagt.

Das hat den Stoff für ein großes Drama. Aber geboten wird eine High-School-Komödie. Verwicklungen, Missverständnisse und Intrigen sorgen für leichte Unterhaltung. Amüsement ist angesagt. Gespiegelt wird dabei allerdings auch, und das ist das Entscheidende, das Schwanken zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, das jeder kennt, der sich im Netz der Leidenschaften verfängt, egal welcher sexuellen Orientierung. Wie im Buch, so wird auch im Film kaum auf krachende Effekte gesetzt. Psychologisches Feingefühl gibt den Ton an. Neben der sensiblen Inszenierung von Regisseur Greg Berlanti ist dies insbesondere dem Spiel der Hauptdarsteller zu danken. Unterstützt von Könnern wie Jennifer Garner und Josh Duhamel als verständnisvollem Elternpaar gelingt insbesondere Nick Robinson weit mehr als eine schlichte Typenzeichnung. Er gibt dem Jungen an der Schwelle zum Erwachsensein eine glaubwürdige Charaktervielfalt. Da stellt man sich als Zuschauer schnell an die Seite der Figur und bibbert dem Ende entgegen, hofft mit Simon auf ein Happy End.

Die Geschichte spielt nicht in einem von Krisen geprägten Umfeld. Simon lebt in einer Welt fern materieller Probleme, mit liebevollen Eltern und aufgeschlossenen Freunden. Anfangs sieht das nach Bilderbuch-Klamotte aus. Aber bald ist klar: Das persönliche Umfeld kann geradezu perfekt sein. Das nutzt nichts, wenn die gesellschaftlichen Parameter schief sind. Über die gilt es nachzudenken. Wozu der Film einem Massenpublikum reichlich Anstoß liefert.

Peter Claus

Bilder: @ FOX