Wim Wenders, einer der unermüdlichsten und vielseitigsten Bildermacher hierzulande, war schon als Kind mit einem Fotoapparat unterwegs. Später wollte er eigentlich Maler werden. Doch dann erschein ihm die Kamera als attraktiveres „Zeicheninstrument“. Hinzu kam seine Leidenschaft für das Kino. Heute umfasst das filmische Oeuvre des Regisseurs, der in Kürze seinen 75. Geburtstag feiert, an die vierzig Langfilme, Dokumentar- wie Spielfilme und zahlreiche Kurzfilme.
Ebenso überbordend ist sein Gesamt-Werk als Fotograf. Das Direkte, Schnelle und Spontane dieses Mediums kommt dem Allround-Künstler entgegen. „Die Welt ganz alleine entdecken zu können“, ein Arbeiten ohne großes Team, ohne Vorentscheidungen und Abhängigkeiten wie beim Film, all dies eröffnet dem unentwegt Reisenden die Räume, die seine Kreativität und Phantasie anfeuern. Dabei ist ein spielerisches Element im Umgang mit der Technik für Wenders ebenso wichtig, wie die Funktion der Fotokamera als Erinnerungsspeicher oder Zeitkapsel. In den späten 1960er Jahren bis in die frühen 1980er Jahre war die Polaroid-Kamera das bevorzugte Foto-Medium. Sie funktionierte für ihn perfekt als Tagebuch, Arbeits-, Notiz- oder sogar Drehbuch.
„In Times of Solitude“ – die derzeitige „exklusive“ online Ausstellung der Galerie Bastian – zeigt eine Auswahl von Polaroid Bildern als C-Prints. Hinzu kommen einige Fotografien aus der Zeit als Wenders den amerikanischen Westen bereiste. Immer auf der Suche nach geeigneten Drehorten für DEN Film, der ihn international bekannt machen sollte, „Paris, Texas“ (1984). Verlassene Ortschaften, menschenleere Straßen, eine von Wind und Wetter zerfressene Leinwand eines Autokinos – klassische Wenders Motive zum Thema Einsamkeit, Zeit, Bewegung bzw. Stillstand. In der klein gehaltenen Auswahl an Bildern ist auch „Street Front in Butte“ dabei, ein Bild wie von Edward Hopper gemalt, jedoch von riesigen Ausmaßen (178x447cm). Menschen kommen hier nicht vor. Jede Handlung scheint getilgt, alles wirkt wie eingefroren. Diese unglaubhafte, zuweilen unheimliche Ruhe findet sich bei Wenders immer wieder in seinen Fotografien. Die „Sauerkraut-Factory“ in Montana, der „Likör-Store“ oder der scheinbar träge dahinfließende Rhein bei Bonn (letzere Motive als Polaroid C-Prints), könnten Szenerien eines Films sein, bei dem in der nächsten Einstellung etwas Unerwartetes, Rätsel- oder Grauenhaftes geschieht.
Eine ganz andere Stimmung drücken die spielerisch spontanen Selbstportraits aus, oder unscharfe Schnappschüsse – besonders originell die komplett unerkennbare Annie Leibovitz – ein Wasserfall auf Island, Dennis Hopper mit Cowboyhut oder Wolkenformationen, die fast laienhaft spontan aus dem Flugzeug heraus fotografiert sind.
Wer jedoch die Bezüge und Geschichten hinter den Bildern nicht kennt, wird dieser Auswahl etwas ratlos gegenüber stehen. Auch fehlen dem Betrachter am Bildschirm vielleicht all die schönen verschriftlichten Gedanken von Wenders zu Polaroid-Fotografien. Denn für ihn sind sie die letzten Zeugen des analogen Zeitalters. Nicht zu reproduzierende Objekte, durch und durch haptisch, einmalig, auratisch. Da mutet es schon etwas paradoxal oder unpassend warholesk an ausgerechnet von diesen von Wenders so hymnisch gefeierten Polaroid-Bildern C-Prints anzufertigen.
Daniela Kloock
Bild ganz oben: screenshot website
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AUSSTELLUNG
WIM WENDERS-IN TIMES OF SOLITUDE
28.05 – 28.06
BASTIAN
8 DAVIES STREET
LONDON
www.bastian-gallery.com
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