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Dieser Film basiert auf einem Irrtum, dem, dass es reichen könnte, eine politische Tragödie als Ausgangspunkt der Schilderung eines persönlichen Leidensweges zu nehmen und die Tragödie selbst damit hinreichend an den Pranger stellen zu können. Dazu kommt ein Irrtum in ästhetischer Hinsicht: Weichzeichnungen könnten Tiefenschärfe ersetzen. Klappt nicht.

Die Ankündigung von Fatih Akins jüngstem Spielfilm weckte große Erwartungen. Allgemein wurde davon ausgegangen, der Regisseur würde den Genozid an unzähligen Armeniern vor etwa einhundert Jahren im damaligen Osmanischen Reich, dem Vorgängerstaat der heutigen Türkei, kraftvoll anprangern, sich vielleicht sogar kritisch mit dem heutigem weitverbreiteten Nicht-Verhalten dazu seitens der gegenwärtigen türkischen Machthaber auseinandersetzen. Beides bleibt aus. Statt dessen wird cut_320in Bildern, die an Wild-West-Epen Hollywoods erinnern (wollen?), die Geschichte eines Mannes erzählt, der über Jahre nach seinen Zwillingstöchtern sucht. Dieser Mann, Nazaret Manoogian (Tahar Rahim), ist Armenier. 1915 wird er verschleppt, zur Zwangsarbeit gezwungen, fast – wie so viele andere – ermordet. Er überlebt, stumm, die Gräuel der Täter haben ihn der Stimme beraubt. Bald weiß er, dass seine Frau tot ist. Doch die Töchter sollen leben. Nun zieht er von Land zu Land, bis er schließlich in der Tiefe der USA an einen Endpunkt kommt. (Was er schließlich findet, sei hier nicht verraten. Das wäre dem Film gegenüber unfair.)

Immer wieder hat man als Zuschauer den unangenehmen Eindruck, man solle zu Tränen gezwungen werden. Die Musik dröhnt entsprechend, der Blick auf den Anti-Helden ist mehr als gefühlssatt. Das ist oft derart plakativ, dass man sich peinlich berührt im Kinosessel windet. Bei einer Pressevorführung in Venedig gab es gar böses Gelächter.

Angeblich war eine erste Drehbuchfassung derart umfangreich, dass Co-Autor Mardik Martin, bekannt geworden durch seine Arbeit für Martin Scorsese, zunächst nur mit Streichen befasst gewesen sein soll. Mit mehr als zwei Stunden ist der Film noch immer zu lang. Das ist er, weil er nur eine Station an die andere reiht und nie in die Tiefe geht. Wüste, Karibiklandschaft und Prärie bleiben Kulissen. Man sieht das Gemachte, fühlt sich von den Statistenheeren geradezu überrollt. So grob wie dies, wirkt die Handlung. In einer entscheidenden Szene wird Chaplins Stummfilmklassiker „The Kid“ zum Motor des weiteren Geschehens. Das mutet derart kalkuliert an, dass man sich innerlich nur abwendet. Wie dies, so ist zu vieles im Film zu grob und hölzern. Wie auch die Darstellung der Hauptfigur durch Tahar Rahim. Je älter die Figur wird, umso unglaubwürdiger mutet der Schauspieler an. Denn das Drehbuch hat ihm nichts zum Spielen gegeben, da der Charakter keine Ecken und keine Kanten hat.

Das Schlimmste: Die Story, die aufgeblättert wird, könnte sonstwas als Ausgangspunkt haben, eine Krankheit oder einen Unfall beispielsweise. Wollte der Film nur Schmonzette sein, wäre das zu verschmerzen. Man könnte ihn locker in die Reihe der in den letzten Jahren gehäuft produzierten TV-Events einordnen. Doch den Völkermord an den Armeniern, Historiker sprechen von bis zu eineinhalb Millionen Opfern, derart plump als Ausgang eines Kino-Abenteuers auszubeuten, ist fahrlässig.

Peter Claus

The Cut, von Fatih Akin (Deutschland 2014)

Bilder: Pandora Filmverleih