Im Leben von Elfi Mikesch verbinden sich Fotografie und Film elementar und existentiell. Dieser Tage hat sich die viel zu wenig bekannte Filmemacherin, die u.a. 2006 als erste Frau den deutschen Kamerapreis erhielt, zum 80. Geburtstag ein autobiografisches Foto-Text-Buch geschenkt. „vis à vis“ lautet der Titel der 140-seitigen Publikation. Sie enthält neben Tagebucheinträgen, Gedichten und Film-Stills, Portraits zahlreicher WegbegleiterInnen, darunter Rosa von Praunheim, Werner Schroeter, Monika Treut, Ingrid Caven, Magdalena Montezuma oder Tabea Blumenschein, um nur einige zu nennen.
Die Fotografien vermitteln einen Eindruck davon, wie experimentierfreudig und im besten Sinne verrückt die Zeit der 1960, 70er und 80er Jahre in Berlin war. Mit Rosa von Praunheim zusammen entstand 1969 ihr erster Fotoroman „oh muvie“. Es folgten ein gemeinsamer Weltreisefilm „Leidenschaften“ (1972) und sechs Jahre später dann der erste eigene Film „Ich denke oft an Hawaii“ (1978). Vorausgegangen war die Trennung von ihrem Mann, dem Maler Fritz Mikesch, und ihr Coming-out. Sie und ihre damalige Partnerin Monika Treut nannte man Anfang der 1980er Jahre das „Duo Infernale“. Ihr gemeinsamer Film „Verführung: die grausame Frau“ (1985) war die filmische Antwort auf die feministische Theorie dieser Zeit. Elfi Mikesch wagt darin schräge Kamerawinkel und verzerrte Blickpositionen. Endlich sollte die Frau nicht nur über ihren Körper, sondern auch über ihre Körperbilder frei verfügen.

Fotoserien, Diashows, Experimentalfilme – Bilder in der Nähe zu Camp – gleichzeitig hoch sensible Dokumentarfilme – Bilder großer Intensität und Ruhe – dieser Spagat kennzeichnet die Bandbreite ihres Könnens. Erwähnt werden soll in diesem Zusammenhang auch „Was soll´n wir denn machen ohne den Tod“ (1979), ein zarter, stimmungsvoller Film, der sich mit ungewöhnlichen Bild-Ton Montagen dem Thema Liebe, Alter, Einsamkeit und Hinfälligkeit widmet.
Heute umfasst das mit vielen Auszeichnungen versehene Lebenswerk von Elfi Mikesch rund 60 Filme (Kamera, Regie, Drehbuch), darunter zahlreiche Zusammenarbeiten mit Werner Schroeter, dem sie mit „Mondo Lux“ (2011) ein filmisches Denkmal setzte, und Rosa von Praunheim, zuletzt „Härte“ (2015). Letzterer nennt die Künstlerin gerne bewundernd „die Poetin“. Nachvollziehbar, denn Elfi Mikeschs Bilder sind traumwandlerisch schön. Ihre Kamera verleiht den unscheinbarsten Details ein Geheimnis und ein Eigenleben. Nicht umsonst wird sie als „Zauberin“ oder „Fängerin“ des Lichts bezeichnet.

Ähnlich wie Wim Wenders schreibt auch Elfi Mikesch am Ende ihres Geburtstags-Buches über den „Verlust“ der analogen Bilderwelt, über das verlorene Handwerk. Sie erinnert sich an die Bilder auf Filmstreifen, auf lichtempfindlichem Material, an die Zeit als YouTube, Selfies und Bilddateien noch in ferner Zukunft lagen.
Einen queeren Querschnitt der fotografischen und filmischen Arbeiten, sowie einige Objekte ihrer Lebensgefährtin, der Künstlerin und Filmemacherin Lilly Grote, zeigt derzeit die Galerie von Hischheydt unter dem Titel „Catching the Light“.

Daniela Kloock

Bild ganz oben: Elfi Mikesch auf der 37. Duisburger Filmwoche, 2013 | Autor: Simon Bierwald | Diese Datei ist unter der Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported- Lizenz lizenziert.

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elfi-mikesch.com/

AUSSTELLUNG
Elfi Mikesch
Lilly Grote
05.06. – 08.07.2020

Galerie Gustav von Hirschheydt
Wielandstraße 31
10629 Berlin
www.galerievonhirschheydt.de