Ken Loach ist für seine sozial genauen Studien berühmt, für „Kleine-Leute“-Dramen, für harte Kost. Da lässt der deutsche Verleihtitel einen sofort auf ein krudes Alkoholiker-Drama tippen. Blöder und irreführender konnte man den Film hierzulande wohl kaum nennen!
Ken Loach überrascht mit Komödiantik. Leider aber nicht konsequent. Gesellschaftskritik muss wohl bei ihm sein, doch stört das diesmal ziemlich – und, schlimmer beinahe, wirkt unwahr. Die Story spielt in Glasgow. Rüpel Robbie (Paul Brannigan) steht vor dem Haftrichter. Es droht Knast. Davor bewahrt ihn die Schwangerschaft seiner Freundin Leonie (Siobhan Reilly). Der Richter hat Mitleid und brummt dem Schlendrian Arbeit zum Wohle der Allgemeinheit auf. Sozialarbeiter Harry (John Henshaw) soll helfen. Das tut er auch. Er entdeckt Robbies Talent für die Whisky-Verkostung, –Beurteilung und Empfehlung – und verhilft dem jungen Mann damit zu einer durchaus vielversprechenden beruflichen Zukunftsaussicht. Wenn da nicht die kriminelle Energie wäre, die sich Bahn brechen will…
„The Angels‘ Share“ ist ein Fachbegriff in Sachen Whisky, und meint die Menge (so um zwei Prozent) des schottischen Nationalgetränks, die alljährlich auf dem Weg von der Produktion zum Verbraucher verschwindet. Um Whisky-Diebstahl geht es neben vielem anderen auch in diesem Film. Der schlittert zwischen Slapstick, Kalauern und durchaus feinen Alltagsbeobachtungen hin und her, findet nie eine Mitte, wirkt auch unentschieden, weil mal eine Vater-Sohn-Story zu dominieren scheint, dann unbeschwerte Diebes-Scheinromantik, schließlich wieder grober Grenzdebilenwitz. Irgendwann unterhält das nicht mehr, sondern nervt nur noch.
Peter Claus
Angel’s Share – Ein Schluck für die Engel, von Ken Loach (England 2012)
Bilder: Prokino
- „Rosenmontag For Future“ Oder: Lachen schult das freie Denken - 9. Februar 2020
- Thilo Wydra: Hitchcock´s Blondes - 15. Dezember 2019
- Junges Schauspiel am D’haus: „Antigone“ von Sophokles - 10. November 2019
18. Oktober 2012 um 10:34 Uhr
Angel’s Share ist nicht der Anteil, der „verschwindet“ auf dem Weg zum Verbraucher, sondern der bei der Lagerung in den Fässern verdunstet – und zwar wirklich, nicht in dem Sinne, wie bei uns manchmal „verdunsten“ gemeint ist.