„Gold“ überzeugt durch seinen ganz eigenständigen Sound und lässt den 37jährigen Ralf Bönt zu einem Hoffnungsträger der jungen deutschen Literatur werden.

„Wir befinden uns am Ende des Jahrhunderts, in der Hauptstadt“ und „irgendwie fühlte man, dass Geschichte in der Luft lag, schwanger schien alles“ – in seinem zweiten Roman entwirft Ralf Bönt ein schwankendes Kaleidoskop des von grandiosen Medienmythen und desorientierten Menschen bevölkerten Berlin. Seine nur vordergründig so abgeklärten Protagonisten Anna, Lotte, Hans und Dorado stecken in einem verzwickten Wechselspiel aus Fehl- und Seitensprüngen, aus Liebe, Eifersucht und Traumgespinsten: „In ihren Schädeln Tumult, Gott kaum, und in den Herzen strömt beißendes Blut.“ Ebenso wie diese vier letztlich nur ein Rad im gesellschaftlichen Getriebe sind, so sind sie die willkürlich zu manipulierenden und zynisch zu kommentierenden Marionetten eines anmaßenden „Wir“-Erzählers. Dieser zieht diabolisch an den verwickelten Fäden, lässt die Geschichte vor- und zurücklaufen, variiert und kolportiert. Seine Sprache ist die eines mediengesteuerten öffentlichen Bewusstseins und pendelt zwischen kapitalistischen Heilsversprechen, autonomer Subversion und jauchzendem TV-Quiz.

Ralf Bönt schreibt auf der Höhe einer Zeit, in der Gefühle, Hoffnungen, Sehnsüchte und ein permanentes Mediengemurmel zu einem höchst widersprüchlichen Konglomerat zusammenschießen und sich nicht mehr in „endgültige Wahrheiten“ auflösen lassen. Er operiert dabei mit einem sehr avancierten Erzählmuster und einer urbanen Poetik, die ebenso zärtlich wie obszön und von surrealen Verfremdungen durchzogen ist. „Gold“ überzeugt durch seinen ganz eigenständigen Sound und lässt den 37jährigen Ralf Bönt zu einem Hoffnungsträger der jungen deutschen Literatur werden.

Karsten Herrmann

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