Filme (manche) sind wichtiger als das Geld, mit denen sie finanziert werden. Filme (manche) sind wichtiger als die Institutionen, die sie zur Aufführung bringen. Filme (manche) sind wichtiger als die Orte, an denen sie gezeigt werden.

    Die Berlinale läßt sich politisch instrumentalisieren, ein Vorgang, der von denen ausgeht, die das Geld (Steuerzahler-Geld) für die Berlinale bereitstellen. Politisierung, gleich welcher Art, ist nicht der Anfang vom Ende derjenigen, die Politisierung, aus welchen Motiven auch immer, betreiben, wird aber das Ende der Kunst sein, inklusive Film-Kunst, die sich staatlich / öffentlich finanzieren läßt, da Politisierung immer zu Zensur führt. Früher oder später. Wie sollte es anders sein.

    Da gibt es in Deutschland (repräsentative Demokratie) diese Partei, die inzwischen bis zu mehr als 30% der Wählerstimmen holt, von den an der Macht beteiligten Parteien aber nicht als Opposition und somit legitimer politischer Konkurrent und Mitbewerber behandelt wird, sondern als bedrohliche Krankheit oder als Gewerbetreibende in der Rattenfängerbranche oder, regelmäßig und am häufigsten, als Staatsfeind – wie es gerade beliebt. Der etablierte repräsentative Macht-Pöbel steigt also aus der repräsentativen Demokratie aus, natürlich ohne es zuzugeben, wenn es zur Sprache gebracht wird.

    Ich weiß nicht, ob man auch in anderen Ländern so verfährt. Ebensowenig weiß ich, ob auch in anderen Ländern Politiker, die zuvor zu einem Filmfestival eingeladen wurden, wieder ausgeladen werden. Ehrlich gesagt: es interessiert mich nicht. Deshalb interessiert mich auch nicht, daß genau dies jetzt auf der Berlinale so gemacht wurde. Ich sehe, wie die Sache läuft, und ich sehe auch, worauf das hinausläuft, aber es interessiert mich nicht. Mein Interesse gilt dem dahinterstehenden Problem: das ist die grundsätzlich falsche Idee und Praxis, Kunst und Kultur staatlich zu subventionieren, also zu kaufen.

    Die Berlinale hat sich schon immer – mal linksherum, mal rechtsherum – politisch instrumentalisieren lassen bzw. sich selbst politisch instrumentalisiert. Man kann sich abwenden und weitergehen.

    Es ist schade um die Filme, die davon beeinträchtigt werden. Andererseits könnte man / ich erwarten, daß vernünftige Filmemacher sich von dieser Berlinale fernhalten, um sich nicht automatisch mit-Instrumentalisieren zu lassen. Aber auch ein solches Ansinnen gehört in die Kategorie Instrumentalisierung, vielleicht mit einem höheren Privatanteil und einem dementsprechend geringeren politischen, aber trotzdem Instrumentalisierung. Das ist nicht meine Sache. Deshalb auch hier: Man kann sich abwenden und weitergehen.

    Zu jenen Zeiten, als vieles an der zuvor altbackenen Berlinale verändert und verbessert wurde, war es ein Spaß als permanenter Teilnehmer dorthin zu gehen. Man / ich durchlief eine (weitgehend ideologiefreie) Schule des Sehens. Habe mich trotz Instrumentalisierung, die mich schon damals nicht interessierte, mehr als ein Jahrzehnt daran beteiligt. Ist schon lange her.

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    Vielleicht kann man noch hingehen. Gute Filme gibt es immer. Richtig gute ebenfalls. Es sieht aber ganz danach aus, daß die Gelegenheiten rarer werden, dem korrupten und korrumpierten Umfeld ausweichen zu können, um sich ganz den Filmen zu widmen. Der Krach, den ich liebend gerne ignorieren würde, stört die Vorstellungen in einer Weise, die das gute alte Nichtbeachten übertönt. Dem aufgezwungenen Soundtrack kann man nicht mehr entkommen. Deshalb gehe ich nicht mehr hin.

    Jede mit öffentlichem Geld finanzierte Kunst, jedes staatlich finanzierte Kultur-Event muß sich entscheiden, ob diese Art Alimentierung (noch) der richtige Weg ist. Die einstige Freigiebigkeit und Freizügigkeit, als man das Steuergeld noch ohne Auflagen auszahlte, geht zu Ende. Die Machtkämpfe werden rabiater, die Verteilungskämpfe brutaler. Folglich werden politische Instrumentalisierungen inkl. Zensur drastisch zunehmen. Überall auf der Welt, nicht nur in Deutschland und Berlin. Die Staaten, die regionalen und kommunalen Geldverteiler, die das Schmiergeld für devote Kunst und dienstwillige Kultur locker machen, werden immer deutlichere und großmäuligere Gegenleistungen verlangen. Haltung zeigen, Gesinnung zelebrieren, Bekenntnisse verlautbaren, Partei ergreifen. Die sich selbst für wichtig haltenden Empfänger solchen Geldes, zB auch Theater und Museen, werden sich entscheiden müssen, welche Gegenleistungen sie bereit sind zu erbringen und wie weit sie dabei gehen.

    Für die Neu-Aufstellung der deutschen Filmbranche wurde von den jetzt herrschenden Grünen und ihren teils gekauften, teils freiwilligen Amigos angekündigt, die mit Steuer-geld betriebene Filmförderung zu politisieren und für die eigenen politischen Ziele und Zwecke zu instrumentalisieren. So läuft das mit der Staatsknete. Und so liest es sich: man werde künftig nur solchen Filmen Geld bewilligen, die »Vorgaben zur ökologischen & sozialen Nachhaltigkeit einschließlich Diversität, Geschlechtergerechtigkeit & Inklusion« befolgen. Da klar ist, wer die (alleinige, also dogmatische) Definition von ökologisch, sozial, Diversität und Geschlechtergerechtigkeit liefern wird, darf man sich auf einen gigantischen Booster-Shot für den deutschen Qualitätsfilm freuen. Wer nach einer festgeschriebenen Ideologie, welcher Art auch immer, Filme macht, kann und wird anders gemachte Filme nicht mehr akzeptieren. Für die Berlinale wird das bedeuten, daß Filme, die diesen Kriterien nicht gehorchen, dort nicht mehr gezeigt werden. Es hat schon angefangen.

    Die Berlinale hat, halb gekauft, halb freiwillig, die Entscheidung getroffen, alles mit sich machen zu lassen. Man kann sich abwenden und weitergehen.

    Wenn demnächst auch die Documenta in Kassel einwilligt, halb gekauft, halb freiwillig, alles mit sich machen zu lassen, gilt exakt dasselbe: Man kann sich abwenden und weitergehen.

© Felix Hofmann, 2024