Da helfen auch die wundervolle Sigourney Weaver (allseits bekannt als Ellen Ripley in der Alien-Saga) und Margaret Qualley (die Pussycat in „Once Upon a Time in Hollywood“) nicht weiter. Dieser Film ist bestenfalls ein Feelgood-Movie. Der Film spielt in den 1990er Jahren. In hübschen Postkarten-Bildern wird die Geschichte der jungen und ehrgeizigen Studentin Joanna erzählt, die nach New York kommt. Dort will sie nur eins: berühmt werden, und zwar als Schriftstellerin. Doch zunächst muss sie ihr Großstadt-Leben finanzieren. Joanna nimmt einen Job in einem erfolgreichen Verlag an. Als Assistentin arbeitet sie der strengen Literaturagentin Margaret zu. Vor allem soll sie die Fanpost des wichtigsten Autors des Verlags, J.D. Salinger, lesen und beantworten. Und zwar auf einer Schreibmaschine, da ihre Chefin Margaret die neuen elektronischen Geräte (sprich die ersten Computer) ablehnt. Joanna zeigt sich beeindruckt und berührt von manchen der Briefe. Philippe Falardeau (Monsieur Lazhar) – und das ist eine der wenigen originellen Regieeinfälle des Films – personalisiert die Schreibenden, gibt ihnen kurze Auftritte, und Joanna führt quasi fiktive Dialoge mit diesen ganz unterschiedlichen Menschen. Literatur hat Kraft, sie weckt Gefühle. Das hätte ein/das Thema des Films werden können. Doch bei Falardeau ergibt sich dadurch keine dramaturgische Spannung, kein Erzählbogen.

Sigourney Weaver, Margaret Qualley | My Salinger Year von Philippe Falardeau | CAN, IRL 2020, Berlinale Special | © micro_scope

Und dann ist da noch das Privatleben von Joanna. Sie distanziert sich immer mehr von ihrem sozialistisch angehauchten „boyfriend“, sehnt sich zurück in die Arme ihrer Berkeley Liebe, Karl. Der ist Musiker und eine der kitschigsten Szenen ist ihre tränenreiche Wiederbegegnung. Auch eine tänzerische Traumsequenz mit Karl folgt später – sie wirkt wie aus einem Werbeclip für Feinwaschmittel. Und ja, Margaret Qualley kann Ballett tanzen, sie ist eine veritable neue „Amélie“, aber ein Streitgespräch über Rachel Cusk wirkt dann doch wenig glaubhaft.

„My Salinger Year“ – so viel Zugeständnis soll sein – ist ein Film, der die weibliche Hauptfigur erstaunlich autonom und unerschrocken zeigt, vor allem auch gegenüber der eiskalt wirkenden Chefin. Man denkt in den Szenen mit Margaret unwillkürlich an „Der Teufel trägt Prada“. Nur leider fehlt hier dessen Bissigkeit und Schärfe. Folgerichtig endet auch das Arbeitsverhältnis der beiden, nachdem Joana sich entschlossen hat zu kündigen, friedlich.

Basierend auf dem erfolgreichen und gleichlautenden Roman von Joanna Rakoff will dieser Film einfach zu viel. Konflikte zwischen Alt (analog) und Jung (digital), zwischen Kommerz und Kunst, zwischen Traum und Realität. Das Ganze auch noch in immer hübsch gebügelten Blusen und viel Tweed, in Rama-goldgelben Licht, in detailverliebtem Produktdesign. Alles in allem: nostalgisch, kitschig, zum einschlafen.

Daniela Kloock

Bild ganz oben: Margaret Qualley | My Salinger Year von Philippe Falardeau | CAN, IRL 2020, Berlinale Special | © micro_scope