In Schönheit sterben
Das Ende der Berliner Kunstmesse art forum bedeutet kein Aus für die Kunst in Berlin. Ein kleiner Aufruf zur Gelassenheit

Europes leading galleries. Man muss sich den hochtrabenden Titel noch einmal auf der Zunge zergehen lassen, um die Tiefe des Falls zu ermessen. 1995 glaubten einige Galerien die Drift der Nachwendezeit nutzen zu können, um der Art Cologne den Todesstoß zu geben: Der demokratische Jahrmarkt am Rhein, bis dahin der führende Kunstmarkt der alten Westrepublik, schien ihnen nicht länger der passende Rahmen für die internationale Käuferelite, auf die sie setzten.

Nach dem Zusammenbruch des Kunstmarkts Ende der achtziger Jahre und am Vorabend der New Economy stampften sie deshalb mit der Messe Berlin das elitäre Prestigeobjekt art forum aus dem märkischen Sand unterm Funkturm. Das schrumpfte zwar schnell auf Normalmaß, die anmaßende Unterzeile verschwand nach ein paar Jahren. Doch wenn die Berliner Messe es nach 15 Ausgaben nun endgültig beerdigt, wie sie am Samstag per Pressemitteilung bekannt gab, hat das auch Symbolkraft.

Ganz überraschend kam die Entscheidung nicht. Unter den internationalen Kunstmessen galt das berliner art forum immer als eine Variante des Dramas „In Schönheit sterben“, so schleppend liefen die Geschäfte im armen Osten. Doch spätestens seit einige Berliner Galerien mit der art berlin contemporary (abc) – zeitgleich zum art forum – mit kuratierten Themenschauen selbst als Veranstalter auf den Plan traten; spätestens seit sie ihr „Gallery Weekend“ mit aufwändigen VIP- und Sammlerprogrammen ins Leben riefen, musste das die Messegesellschaft als Kampfansage derjenigen werten, deren Bitten sie einst erhört hatte. Sie hätte schon sehr viel früher die Segel streichen sollen. Warum soll sie viel Geld in eine Nobel-Art-Shopping-Mall investieren, wenn die „Partner“ bei Bedarf mit dem Spielbein Sondermesse tanzen und ihre Stände am Ende dann doch lieber in Basel, Paris, London oder Chicago aufbauen.

Nach außen wirkt die Absage wie ein dramatischer Einschnitt. Und eine Imagebeinbuße für die Stadt, deren Regierender Bürgermeister einem Unterstützergremium für die Kunstmesse vorsaß, ist sie gewiss. Wahre Kunstfreunde können aber gelassen bleiben. Auch wenn jetzt eine glamouröse Vernissage im Terminkalender fehlt. Das Aus für das art forum arrondiert nur eine marktstrategisch unhaltbar gewordene Situation. Die Nebenmessen, die es seit einigen Jahren flankieren, können die Lücke locker füllen. Womöglich ließe sich auch die „Freie Berliner Kunstausstellung“ wiederbeleben, die damals dem Art Forum weichen musste. Zu ihr hatte jede(r) Berliner Künstler(in) freien Zutritt. Und die abc, mit der die Messe bis zuletzt über eine Fusion verhandelte, muss nun beweisen, dass sie Kunstmarkt besser kann.

Das Wichtigste: Das Aus für die Berliner Messe bedeutet also kein Aus für die Kunst in Berlin, dem eigentlichen Treibstoff des Kunstmarkts. 1910 schrieb der Kunsthistoriker und Stadtflaneur Karl Scheffler noch sarkastisch, Berlin sei „ nur insofern Kunststadt, als es Kunstmarkt und Repräsentationsstadt ist.“ Heute stehen 5.000 Künstlern in der Stadt 500 Galerien gegenüber. Hundert Jahre später ist es also genau umgekehrt.

Text: Ingo Arend