Hauptstadt Airport: Der Verschiebeflughafen

Man kann eigentlich alles verschieben: Dateien auf dem Computer, Hehlerware auf dem Schwarzmarkt, die Erdachse bei Meteoriteneinschlägen, Fußballspiele durch die ukrainische Wettmafia – und: den Eröffnungstermin des Berliner Flughafens. Den kann man, anders als Diebesgut, sogar beliebig oft verschieben. Dass die Verantwortlichen – allen voran der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Wowereit – damit in ungute assoziative Nähe zu Schieberbanden geraten, haben sie nun wahrlich selbst zu verantworten. Der Flughafen ist unter ihrer Regie zum Verschiebeflughafen geworden. Im Unterschied zum klassischen Verschiebebahnhof werden dort jedoch keine handfesten Güter verschoben, sondern luftige Termine, die, wie sich herausstellt, sowieso immer schon unhaltbar gewesen sind. Termine als Luftnummern: Das ist doch schon mal die richtige Richtung für einen Flughafen.

Vielleicht sollten wir in dieser Richtung weiterdenken und den Prozess fortgesetzter Verschiebungen nicht als Desaster, sondern als Chance begreifen. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagt zwar der Volksmund, und das trifft wohl auch im Falle des Flughafens zu. Aber, im Sinne der hegelschen Dialektik, steckt im Verschobenen eben doch auch etwas, an dem man sich verhoben hat. Was aufgehoben wird, das erhält auf höherer Ebene – so Hegel – eine neue Qualität. Der immer weiter verschobene Flughafen ist vor allem ein leerer Flughafen. So schön und entspannt wird es dort später nie wieder sein. Er beweist, so lange er da leer im Land herumsteht, dass wir ihn eigentlich gar nicht brauchen – es sei denn dazu, um endlich zu begreifen, wie überflüssig er ist. Fliegen ist doch sowieso antiquiert und menschenunwürdig. Schönefeld und Tegel regelns zur Not auch, und wenn es sein muss, werden sie noch jahrzehntelang fortgesetzte Verschiebungen bewältigen.

Doch wenn wir den neuen Flughafen zum Fliegen gar nicht benötigen – und also auch keine Eröffnungstermine mehr verschoben werden müssen – was soll dann mit ihm geschehen? Schließlich könnte man allein von den Mehrkosten, die durchs Verschieben bereits entstanden sind, zwei Stadtschlösser bauen. Läge es da nicht nahe, auf das Schloss in Mitte zu verzichten und stattdessen den Flughafen zum Schloss zu erklären? Zum Luftschloss meinetwegen? Jede Epoche baut die Schlösser, die sie verdient. Eine historisierende Fassade ließe sich am Terminal bei Bedarf noch anbringen; für Brandschutz wäre bereits gesorgt. Und dann könnte der unvollendete Neubau allmählich ins Stadium des Verfalls übergehen, ohne jemals fertig gewesen zu sein. So wie die Ruine auf dem Ruinenberg in Potsdam. Romantik reloaded. Die Touristen kämen in Massen. Flughäfen, von denen man fliegen kann, gibt es überall. Ein milliardenschweres Luftschloss auf dem Land gibt es nur in Berlin.

Jörg Magenau, rbb Kulturradio 16.08.2012

Bild: „00708 – Flugplatz – 1:100 

Bestellnummer: 00708, Selbstständige Einzelteile: 1

Schwierigkeitsgrad: 0, Anzahl Bogen:  1

Massstab: 1 : 100; Länge  40 cm, Breite  30 cm, Höhe    15 cm

Einzelpreis 17.00 Sfr“

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