Eine erfahrene Frau macht so was nur im Notfall: ihn mit einem Einkaufszettel in den Supermarkt schicken. Man gewinnt nichts wirklich dabei. Keine Zeit, und Nerven schon gar nicht. Entweder er kommt ewig nicht wieder, oder er schleppt die falschen Sachen an. Steaks statt Salat (hatten sie nicht), Gurken statt Zucchini (ist das nicht das Gleiche?) und Geschirrspülmittel für 20 Euro (stand ganz oben, aus biologischem Anbau und fairem Handel). Dazwischen klingelt mindestens viermal das Telefon. Wo steht hier der Kaffee? Was ist Kurkuma? Willst du wirklich, dass ich hier noch drei Stunden die Eier suche? Warum gibt es so viele Sorten Waschpulver? Es soll Männer geben, die gelten als verschollen, seit sie zum Einkaufen geschickt wurden.

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Ich habe alles Mögliche versucht. Alphabetisch geordnete Listen. Ich habe Einkaufszettel nach Warengruppen sortiert und sogar Skizzen entworfen von Marktregalen – mit Pfeilen dran. Genutzt hat das wenig.

Ich habe lange gedacht, sie machen das mit Absicht. Man muss sich nur ausdauern blöd anstellen, dann wird man suspendiert vom Einkaufsdienst. Nach einem der berühmtesten Zitate der Genderforschung: Die Frau ist ein Kamel, das uns hilft, die Wüste des Lebens zu durchqueren. Ich bin mir sicher, Ben Gurion hat das nicht so wörtlich gemeint.

Aber jetzt habe ich gelesen, dass sie gar nichts dafür können. Männer orientieren sich zwar grundsätzlich besser. Sie vernetzen sich angeblich zusätzlich mit dem Hippocampus der linken Hirnseite, während wir nur mit einer Hälfte auskommen. Ich sage ja immer, Frauen sind zu bescheiden.

Aber ausgerechnet im Supermarkt wird diese biologische Regel außer Kraft gesetzt. Das haben sie experimentell nachgewiesen. Evolutionsbiologen behaupten, das hängt mit dem Jagen zusammen. Da mussten sie sich in großen Gebieten orientieren, nach landschaftlichen Markierungen. Unsereiner hat kleine, überschaubare Wiesen nach Walderdbeeren abgesucht, das hat unseren Blick ein bisschen eingeengt. Beschränkt auf Details, auf Kleinigkeiten eben. Deshalb merken wir uns auch, wo die Butter steht, wo die Büchse mit den Ravioli. Wir verfallen nicht in Panik, wenn sie mal umgeräumt haben. Wir sind quasi genetisch mit der Grundgewissheit ausgestattet: die Eier müssen hier irgendwo sein. Man muss sie nur mit Geduld und Systematik suchen.

Männer dagegen sind es gewohnt, das große Ganze in wachem Blick zu behalten, bis zum Horizont. Sie sind dazu bestimmt, Dinge wie Amerika zu finden, aber nicht das Regal mit der H-Milch.

In einer Kaufhalle reicht der Horizont bis zur Käsetheke. Klar, dass ihn das irritiert. Wenn ein Mann in den Supermarkt geht, betritt er feindliches Terrain. Kein Wald, kein Wasserfall, kein schneebedeckter Gipfel, an dem er sich orientieren kann. Stattdessen diese verwirrende Wiese, die er jetzt nach Walderdbeeren absuchen soll. Völlig gegen seine Natur. Das Gehirn signalisiert ihm: Gefahr. Der Fluchtinstinkt meldet sich.

Das, liebe Frauen, ist der Grund, warum Männer im Supermarkt an ihre mentalen Grenzen geraten. Deshalb müssen wir immer wieder traurige Szenen beobachten. Männer, die mit verirrtem Blick vor dem Regal mit der Zahnpasta stehen und die Zahnpasta suchen. Die wie verloren am Brotstand nach Hause telefonieren. Männer, die ängstlich wildfremde Mitkäufer ansprechen: haben Sie vielleicht meinen Einkaufswagen gesehen?

Wenn Ihnen so etwas passiert, seien Sie nachsichtig und hilfsbereit. Nehmen sie den Fremden behutsam an die Hand. Werfen Sie einen Blick auf seinen Einkaufszettel. Fragen Sie nach der Telefonnummer seiner Frau und rufen sie an, es wird ihn beruhigen eine vertraute Stimme zu hören. Lassen Sie ihm an der Kasse den Vortritt. Tun Sie es, auch wenn Sie ihn nicht kennen. Denken Sie immer daran, es könnte auch ihr Mann sein.

Ich frage mich nur, was sie in Baumärkten anders machen.

 

© Elena Rauch

erschienen in Thüringer Allgemeine

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