Drei Stars der Modefotografie in der Helmut Newton Stiftung, Museum für Fotografie, Berlin

Helmut Newton gründete eine Stiftung, kurze Zeit bevor er 83jährig auf dem Sunset Boulevard in L.A. durch einen Autounfat ll ums Leben kam. Er wollte nicht nur sein eigenes Werk sichern, sondern hiermit auch eine Ausstellungsmöglichkeit, ein Forum für andere Foto-Künstler schaffen. Dieses Vermächtnis wird bis heute befolgt. Auf zwei großzügigen Etagen des ehemaligen Landwehrkasinos in Berlin Charlottenburg werden derzeit Werke zweier nicht eben weniger bekannter Kollegen präsentiert.

Mario Testino ist einer der gefeiertsten Modefotografen der Gegenwart. Er portraitierte fast alle schönen Promi-Ladys, ob Gaga oder Di, ob Madonna, Claudia Schiffer oder Gisèle Bündchen, gerne halbnackt, mit Masken oder spärlicher Bekleidung, auf High Heels, häufig mit blutroten Lippen, lieber noch mit langen kirschfarbenen Fingernägeln. Denn Testino kategorisiert Frauen folgendermaßen: „Lasst Nägel sprechen! – Brüste, nee! Es sind die Fingernägel, die Frauen, ihre Persönlichkeit, ihren Sex charakterisieren“, dies verkündet er ungeniert in der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung und erntet dafür tatsächlich so etwas wie Gelächter … 2014 machte ihn das Cover-Foto der spanischen Vogue mit dem nackten Ronaldo und seiner damaligen Freundin über die Modeszene hinaus international bekannt. Exklusiv für die Helmut Newton Stiftung konzipierte er jetzt eine Installation mit 50 überlebensgroßen fragmentierten „Körperbildern“. Abgelichtet sind unter anderem Supermodels wie Kate Moss oder Amber Valetta, aber auch unbekannte Jünglinge und Geschöpfe jenseits eindeutiger Geschlechterzuschreibungen – geschminkt und ungeschminkt, viele spärlich bedeckt mit Badeanzügen, Unterwäsche oder Tätowierungen. Es geht um das Thema „Ent-Kleiden“. Intime Momente werden suggeriert, dabei ist alles Bühne. Durch die riesigen bis zur Decke und an die Wände stoßenden Farbabzüge wirken die Übergänge zwischen Mode, Erotik und Anatomie, zwischen Stofflichkeit, Transparenz und Nacktheit fast gemäldeartig. Geht es hier überhaupt noch um Fotografie? Oder ist dies schon eine Vorstufe zu einem Spiegelkabinett eines Hyperraums, in dem individuelle Obsessionen auf der ganz großen Leinwand visualisiert werden können? Jedenfalls sind es keine Bilder in denen der Blick wandern kann, sondern der Betrachter wird Teil einer begehbaren Installation, die keine Distanz mehr erlaubt und keine Verzauberung zulässt.

Gegen diese gewollte „bigger than life“ Inszenierung wirken die „Big Nudes“ von Helmut Newton in der Lobby des Museums schon fast kleinformatig. Und erst recht die Originalabzüge aus dem Stiftungsarchiv, von denen viele hier das erste Mal ausgestellt werden. Wunderbare Portraits u.a. von Jeremy Irons, Micky Rourke, Pina Bausch, Jan Fabre oder Catherine Deneuve – alles Fotografien jenseits der von Helmut Newton favorisierten Grenzüberschreitungen des „guten Geschmacks“. Doch auch diese sind natürlich dabei: eine junge Frau, die ihren nackten Po an einen Fernsehbildschirm drückt, auf dem das Gesicht eines Mannes in Nahaufnahme zu sehen ist, oder ein Model mit geöffnetem Mund, darin viele Pillen und ein Speichelfaden. Ironisch, witzig, unkonventionell? Die Reaktionen werden vermutlich bei jedem Betrachter anders ausfallen. Provozierend wie in früheren prüderen, oder dogmatisch feministischeren Zeiten sind dieFotografien jedenfalls nicht mehr. „Für Newton war alles ein großes Spiel. Er spielt mit uns, dem Betrachter, mit der Mode, und er spielte mit seinen Auftragsgebern“, so Matthias Harder, Kurator der Stiftung.

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Helmut Newton Ballet de Monte Carlo, 1992 © Helmut Newton Estate

Spielerisch und ausgelassen entspannt – diesen Eindruck erwecken die Schnappschüsse von Jean Pigozzis Serie „Pool Party“. Der Millionenerbe mit der kleinen handlichen Leica will vor allem eins: Spaß haben! Und den hat er offensichtlich. An einem der teuersten Plätze Europas, dem Cap d`Antibes, besitzt Pigozzi ein riesiges von der Öffentlichkeit abgeschottetes Anwesen direkt am Meer mit eigenem Hubschrauberlandeplatz. Dort finden während der legendären Filmfestspiele in Cannes die Partys statt auf denen Pigozzi viele seiner seit den 1970er Jahren entstandenen Schnappschüsse schießt. Stars wie Bono, Mick Jagger, Elton John, Liz Tayler, Naomi Campbell, eigentlich der gesamte kreative Jetset gibt sich dort alljährlich ein Stelldichein und lässt sich bereitwillig vom Hausherrn ablichten. Sie vertrauen ihm, dass keine kompromittierenden Bilder entstehen, im Gegenteil: alles wirkt sehr entspannt und intim, fast wie Familienfotos, auf denen sich aber wirklich alle wohl fühlen. Pigozzi, der als Pionier der Selbstaufnahme gilt, hasst Selfies: „Die Leute denken wirklich, sie seien so wichtig, dass sie ständig der Welt ihre Nase zeigen müssen“, so sein Statement bei der Ausstellungseröffnung, dabei lacht er und wirkt genauso wie seine Fotografien, herrlich uneitel.

Daniela Kloock

Bild ganz oben: Mario Testino Vogue Italia , Paris, 2000 © Mario Testino

AUSSTELLUNG

Mario Testino. Undressed | Helmut Newton. Unseen | Jean Pigozzi. Pool Party

Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie

03.06. – 19.11.2017