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In kaum einem Genre scheint es eine so ungeheuerliche Kluft zwischen dem literarischen und dem filmischen Teil seiner Entwicklung zu geben wie in der Science-fiction. Während die literarische SF in den fünfziger Jahren damit begann, sich zu einem Genre zu entwickeln, in dem die traditionelle Narrativik nur den Rahmen für „intellektuelle“ Spekulationen mit den Möglichkeiten von Technik und Gesellschaft gab, so schien der SF-Film lange Zeit dazu verurteilt, ein naives Abenteuer mit sehr einfachen Symbolen zu bleiben, das mehr von archaischer Rückkehr als von Projektion und Diskussion zu handeln schien. Selbst die großen, „erwachsenen“ SF-Filme der späteren Jahre wie Stanley Kubricks 2001, Tarkovskijs SOLARIS und STALKER oder auch Nicholas Roegs THE MAN WHO FELL TO EARTH sind weniger als diskursives Vergnügen angelegt, denn als mystische Erfahrungen an den Grenzen von Raum und Zeit. Der Science-fiction-Film, so scheint es, ist eher dazu prädestiniert, in eine eigene Religiosität umzukippen, als sich seiner Wurzeln in der Aufklärung gewahr zu werden. Science hatte mit dieser Fiction allenfalls als glänzende (und später: als verrottende) Oberfläche zu tun.

Dieser Unterschied zwischen der literarischen und der filmischen Form der Science-fiction mag mit dem zusammenhängen, was Thomas R. Atkins beschreibt: Ein SF-Roman spricht den Leser als intellektuelles Individuum an, ein SF-Film dagegen baut auf ein „sinnliches, abenteuerorientiertes Gemeinschaftsgefühl“. Die Entwicklung des Genres scheint unaufhaltsam auseinanderzutreiben. Und gerade zu dem Zeitpunkt, als die literarische SF einen weiteren Schritt zur Intellektualisierung nach der Entwicklung der New Wave nun in Richtung auf den „inner space“ unternahm, kam mit George Lucas‘ STAR WARS die Rückkehr des SF-Kinos zum (scheinbar) naiven Spektakel zum größten Erfolg.

Wenn also die Unterschiede zwischen dem literarischen und dem filmischen Genre der Science Fiction nicht größer sein können, so sieht sich die SF-Fernsehserie einer anderen Herausforderung gegenüber. Sie richtet sich weder an ein isoliertes intellektuelles Individuum noch an eine hochgestimmte Gemeinschaft, vielmehr an ein in kleinen, lockeren und in „familiären“ Gruppen gegliedertes „Fandom“, das sich oft erst langsam, manchmal gar erst als Retro-Phänomen bildet. Im wesentlichen also geht es bei der Konzeption einer SF-Fernsehserie darum, einen Mittelweg zwischen dem diskursiven Wesen der literarischen SF und dem visionären (und märchenhaften) Aspekt des SF-Films zu finden, der schon aus ökonomischen Gründen nicht erreicht werden kann. In einer Fernsehserie muss einfach mehr geredet werden. Und in einer Fernsehserie, selbst im „spekulativen“ Genre der Science-fiction, geht es weniger um Geschehnisse und um große Bilder als um Personen. Der langsam sich entwickelnde und dann so nachhaltige Erfolg der Konzeption von „Star Trek“ und den Nachfolgeserien besteht offenkundig also in der vollständigen Balance beider Elemente: Jede Folge besteht aus einem Teil märchenhafter Aktion und einem Teil technischer Phantasie. Zum dritten ist jede Folge der Serie auch eine diskursive Behandlung eines moralischen oder logischen, wenn man so will eines philosophischen Problems. Die Strategie der klassischen amerikanischen Fernsehserie (zu jener Zeit schon erheblich in der Krise), nämlich immer zugleich eine Geschichte zu erzählen und ihre moralische Nutzanweisung ausgiebig zu erörtern, erlebte in „Star Trek“ noch einmal eine Renaissance, und zwar auf einem zumindest gelegentlich höheren Niveau als in einer Folge von „Lassie“ oder „Dr. Kildare“. Ein Teil des Publikums konnte „Star Trek“ also durchaus als bescheidenere Abart jenes intellektuellen Vergnügens genießen, das es aus seiner Lieblingslektüre kannte, und ein anderer Teil des Publikums konnte es als bescheidene Abart der visuellen Magie und der märchenhaften Vereinfachung goutieren.

„Star Trek“ ist also nicht allein durch das Medium und seine Bedingungen, sondern auch durch seine Philosophie ein Gegenentwurf zum postmodernen Supermärchen. Und diese Philosophie ist eine sehr amerikanische Mischung aus Humanismus, Rationalität und spiritueller Toleranz (Stephen Hawking selbst hat einen Gastauftritt in der Folge „Descent“ – als Mahner gegen Gewalt). Das Gewinnstreben ist in STAR WARS noch ein wichtiges Element, es zeichnet den Helden Han Solo als Nachfolger der Pioniere und individuellen Aufsteiger aus; in den „Star Trek“-Serien wird es ausdrücklich als gefährlich und von den Menschen überwunden hingestellt. Und die oberste Devise der Weltraumreisen ist die Nichteinmischung, die Anwendung von Gewalt nur in Notwehr – eine durchaus bemerkenswerte Botschaft für eine Serie, die entstand, während Amerika seine militärische Präsenz in Vietnam zu einem in keiner Hinsicht je erklärten Krieg ausweitete. Ist STAR WARS ein tiefer Griff in das Märchen und den Mythos, die Rekonstruktion der Western-Mythologie und nicht gar so zufällig Namensgeber für ein furchtbares Rüstungsprojekt der Reagan-Administration, so sind die TV-Serie „Star Trek“ und ihre Ableger ein steter (wenngleich natürlich Mainstream-kompatibler) Appell an Humanismus und Aufklärung, wo alles eher auf die Konfliktvermeidung und vor allem auf die Gewaltvermeidung hinausläuft. Kurzum: STAR WARS und „Star Trek“ repräsentieren, schon in der nuklearen, infantilen Form der SF-Phantasie, die Doppelgesichtigkeit von „freedom and democracy“, freiem Markt und repräsentativer Demokratie, wobei, wenn man genau hinsieht, eine jeweils die andere ebenso widerlegt wie sie dialektisch in ihr aufgehoben ist. Ganz wie im richtigen Leben.

Während STAR WARS mit seinem biblischen Gegensatz von Gut und Böse auf die apokalyptische Vision des Jüngsten Gerichts hinausläuft, schildert „Star Trek“ eine gleichsam ewige Suche. Das Raumschiff Enterprise ist mit seiner Besatzung unterwegs im All, um Gott zu suchen, aber man findet immer nur neue Wesen, die, trotz mancher phantastischer Fähigkeiten und Unfähigkeiten, doch nur andere „Menschen“ sind: „nicht Bestie und nicht Engel“. Einem Psychohistoriker in nicht allzu ferner Zukunft werden die Popkosmologien von STAR WARS und „Star Trek“ also wohl auch Aufschluß über den Stand der Dinge in den Transformationen des Christentums in der Unterhaltungsindustrie geben, den Zerfall auch hier in einen fundamentalistischen Flügel und in einen, der eher Mystik und Selbstaufklärung zum Ziel hat.

Und während STAR WARS sozusagen hierarchisch wuchert, von den „großen“ Filmen bis zum Kaugummibild, in einer geschlossenen Historiographie und Ikonographie, so wuchert „Star Trek“ eher organisch und horizontal; die Serie erhält immer neue Ableger, erprobt neue Modelle: Auf die klassische Serie folgte „The Next Generation“, auf diese „Deep Space Nine“ mit dem schwarzen Captain Sisko als zentraler Figur und auf diese wiederum „Star Trek-Voyager“, in der eine Frau das Kommando übernommen hat, Captain Kathrin Janeway.

Aber welche Modelle von Führung und Dialog zwischen Militär, Wissenschaft und Politik im Weltall auch in den Spin-Off-Serien erprobt werden, im Kern gehen sie auf das Modell zurück, das in der originalen Serie entwickelt wurde, ein um etliche Nebenfiguren mit eher speziellen Aufgaben erweitertes Triumvirat, gebildet aus dem Tatmenschen und Entscheider Captain Kirk (William Shatner), dem (fast) emotionslosen Rationalisten, dem halben Vulkanier Spock (Leonard Nimoy) und dem engagierten Humanisten, dem Arzt „Bones“ (deutsch „Pille“) McCoy (DeForest Kelly). Diese drei, ebenso freundschaftlich miteinander verbunden wie im Dauerstreit untereinander, verkörpern sehr genau die drei Lösungsmöglichkeiten, die einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft zur Verfügung stehen. Jeder für sich ist fehlerhaft und neigt dazu, seinen Ansatz zu überschätzen, gemeinsam hingegen finden sie früher oder später den richtigen Weg.

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Star Trek“ war ein offensichtlich heiß geliebtes Projekt des Autors und Produzenten Gene Roddenberry. Schon 1964 entstand unter seiner Ägide ein Pilotfilm – „The Cage“, inszeniert von Robert Butler -, der auf nicht allzu großes Interesse stieß. Dennoch begann 1966 die Produktion einer ersten Staffel der Serie, die es auf 28 Folgen brachte. Im Jahr darauf folgte die zweite Staffel, die mit „Amok Time“ (Weltraumfieber, Regie: Joseph Pevney) begann und mit „Assignment Earth“ (Ein Planet, genannt Erde, Regie: Marc Daniels) endete. Zwischen 1966 und 1969 entstanden insgesamt 79 „Star Trek“-Folgen; die Publikumsresonanz war zu langsam gestiegen, um eine weitere Produktion zu ermöglichen. Sein eigentliches Fandom bildete die Serie erst durch die Wiederholungen in den Networks in den folgenden Jahren.

Zunächst war auch „Star Trek“, wie so viele amerikanische TVSerien der sechziger Jahre, ein ökonomisches und ästhetisches Refugium für Veteranen des verschwundenen B-Films. Neben Gene Roddenberry, der vordem vor allem Kriminalserien geschrieben hatte („Naked City“), arbeiteten als Drehbuchautoren vor allem Gene L.Coon, Drehbuchautor u.a. für Jack Arnold, und D.C. Fontana, der nicht nur neun Folgen selbst schrieb, sondern auch die Scripts der Gastautoren überwachte. Zu denen gehörten einige Größen der amerikanischen SF-Literatur wie Theodore Sturgeon, Harlan Ellison, Fredric Brown und Robert Bloch, die, ehrlich gesprochen, damals alle schon bessere Zeiten gesehen hatten. Dazu kamen mit Norman Spinrad und James Blish Vertreter der eher „intellektuellen“ Richtung des Genres.

Die Grundkonstellation der Serie war eigentlich zunächst eine klassische Space Opera: Das gigantische Raumschiff Enterprise befindet sich auf einer fünfjährigen „Erkundungsfahrt“ durch unbekannte Teile des Weltalls. Da aber der Auftrag weder Kolonisation noch Verteidigung ist, tritt der militärische Aspekt der Mission ein wenig in den Hintergrund. Statt dessen verknüpfen sich die Geschehnisse immer wieder mit „gothischen“ Aspekten. Da draußen im Weltall kämpfen die Besatzungsmitglieder seltener mit materiellen Angriffen als mit den Problemen von Wahrnehmung und Logik. Und immer wieder erhalten die Besatzungsmitglieder fabel- und parabelhafte history lessons. Auf einem Planeten zum Beispiel, erleben sie einen Atomkrieg zwischen zwei Kulturen, von denen die einen sich die „Yanks“, die anderen die „Coms“ nennen. Nur daß hier die Bilder von Freund und Feind so einfach nicht mehr funktionieren.

Das „Intellektuelle“ der Serie, das sie dann beim eher linken Teil des Fandoms so populär machte, war freilich erkauft mit einer gelegentlich nahezu pädagogischen Eindimensionalität. Tatsächlich müssen die Hauptfiguren in einer Serie wie „Star Trek“ auf manchmal geradezu lächerliche Weise plakativ wirken; sie sind immer Gestalt und Idee zugleich. Und entsprechend plan agierten auch die Hauptdarsteller. Leonard Nimoy und William Shatner waren bereits Veteranen der TV-Szene (sie hatten schon mehrmals auch gemeinsam gespielt, etwa in „Twilight Zone“ und „The Man From U.N.C.L.E.“), DeForest Kelly war bekannt als der dritte Cowboy von rechts in zahllosen Western. Der Rahmen, in denen sich die einzelnen Abenteuer der Serie abspielen, ist eine Mission, die zwar militärischen Ursprungs ist, aber doch auch einer Art der Zivilisierung, dem Friedenserhalt dient. Es gibt eine militärische Hierarchie an Bord, aber das militärische Ritual hält sich in Grenzen. Es dient, so scheint es, weniger einer militanten Durchsetzung, als vielmehr einer gewissen respektvollen Distanz im Umgang miteinander. Paradoxerweise also wird auf dem Raumschiff Enterprise die militärische Organisation einer (kleinen) Gesellschaft zur Voraussetzung ihres zivilen Funktionierens. Entsprechend ist der Captain des Schiffes in einem Dauerkonflikt gezeichnet: den notwendigen militärischen und den ebenso notwendigen zivilen Aspekt seiner Mission miteinander in Einklang zu bringen. Unter diesem kulturgeschichtlichen Druck, so scheint es, verliert das Raumschiff Enterprise immer wieder seine geradlinige Bewegung; die Reise kippt vom Raum in die Zeit, vom Außen ins Innen.

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In der neuen Crew der „Next Generation“ (1987-1994) sind die Konflikte der humanistisch-demokratischen Gesellschaft (und ihrer archaischen Begrenzungen) neu geordnet. Der Anführer ist nun Jean-Luc Picard (Patrick Stewart), in dem Räsonnement und Tat noch weiter auseinandergebrochen sind. Von der kindlichen Naivität des William Shatner (ein Mann, der gleichsam nie seinen Babyspeck verloren hat), ist nichts geblieben. Es beginnt alles mit einer großen Prüfung: Ein Wesen namens „Q“ (John de Lancie), das jede Gestalt annehmen kann und über unbegrenzte Macht verfügt, hält der Crew vor, die Menschen seien nach wie vor aggressiv und uneinsichtig und gibt ihnen eine Chance, das Gegenteil zu beweisen. Q, eine Art gottähnliches Wesen, wird der Mannschaft immer wieder begegnen und ist Bote einer neuen Polymorphie im Weltall. Während die alte Enterprise den unterschiedlichsten Kulturen und Zivilisationen begegnete, findet die neue immer weitere Formen der Transgressionen und Verwandlungen. Eine eindeutige Wirklichkeit jedenfalls findet sie nicht mehr.

Neben Picard profilieren sich Data (Brent Spiner), der Computermensch, der beständig Schwierigkeiten damit hat, doch nie zu einer wirklich menschlichen Person werden zu können – was ihn ständig in Loyalitätskonflikte bringt und zugleich Bilder von Eigen- und Fremdbestimmung erzeugt -, der erste Offizier Riker (Jonathan Frakes), und die Ärztin Dr. Crusher (Gates McFadden). Kommandant William T. Riker ist am ehesten die Fortsetzung des Shatnerschen Tatmenschen, allerdings in einer durchaus fehlerhaften und tragischen Version.

Zu den Nebenfiguren, die anders als in der ursprünglichen Serie immer wieder in den Vordergrund treten können, gehört u.a. die emphatisch begabte Beraterin Deanna Troi (Marina Sirtis), eine Therapeutin für Probleme, die sich nicht mit der Dienstvorschrift regeln lassen, und um den Soap-Opera-Aspekt zu vertiefen, war sie früher einmal mit Commander Riker zusammen. Sie steht stets im Zentrum eher seltsamer erotischer Diskurse: In der Episode „The Child“ wird sie von einem unbekannten Wesen schwanger, bringt ein rasch alterndes Kind zur Welt, das sich ebenfalls als fremde Lebensform herausstellt. In der Episode „Die Damen Troi“ wird sie von den Ferengi entführt, die ihr Gebot durchsetzen wollen, daß Frauen keine Kleidung tragen dürfen.

Die dritte Serie, „Deep Space Nine“ (ab 1993), spielt im StarTrek-Universum, auf einer Raumstation. Es gibt eine hochkomplizierte politische „Großwetterlage“ mit den Klingonen und den mit ihnen verbündeten Cardassianern einerseits, dem „Dominion“ mit den „Jem’Hadar“-Kriegern als Gegner andrerseits, und es gibt den Maquis, eine Widerstandsbewegung gegen die totalitäre Herrschaft der Cardassianer. Benjamin Sisko (Avery Brooks), der immer mehr auch in seiner Vaterrolle gezeigt wird und häufig ebenfalls von Zweifeln und Fehlern heimgesucht wird, wird flankiert von dem „Formenwandler“ und Sicherheitsbeauftragten Odo (Rene Auberjonois), Chief O’Brien (Colm Meaney), dem Wissenschaftsoffizier Djadzia Dax (Terry Farrell) und dem Klingonen Worf (Michael Dorn), von der Bajoranerin Kira (Nana Visitor) und der Stationsarzt Dr. Julian Bashuir (Sifddig EI Dail). Die ursprüngliche „Dreifaltigkeit“ des Weltraum-Humanismus ist nun zwar bis zur Unübersichtlichkeit diffundiert, und jede Figur macht in sich selbst Erhebliches an Widersprüchlichkeit durch – neben Klasse, Rasse und Geschlecht als Identifikation ist nun der Anteil des Maschinellen im Organischen getreten -, aber die Grundzüge der Verhandlungen sind die gleichen geblieben. Da das Motiv der Reise entfällt, ist konsequenterweise noch mehr Gewicht auf innere Konflikte gelegt; auf der Raumstation gibt es eine Reihe ungeklärter Liebes- und Freundschaftsbeziehungen, Intrigen und Grotesken. Und noch mehr als in den klassischen Serien ist hier die Trennung von Haupt- und Nebenfiguren aufgehoben.

Es geht immer wieder um die Ersetzung des Halluzinatorischen durch das Rationale, etwa wenn in der Folge „If Wishes Were Horses“ die heimlichen Wünsche der Crewmitglieder wahr werden (und aus einem Märchenbuch ein leibhaftiges Rumpelstilzchen erscheint) – was sich als Werk von Aliens herausstellt, die auf diese Weise Kommunikation führen, dann aber belehrt werden, daß ein gutes Gespräch die bessere Verständigungsform ist.

„Deep Space Nine“ wurde 1998 beendet. Der nächste Spin Off, „Star Trek – Raumschiff Voyager“ folgt in etwa der vorgegebenen Dramaturgie und der Stimmung. Es geht um ein Raumschiff, das auf einer langen Reise im „Alphaquadranten“ unterwegs nach Hause zur Erde ist und dabei immer neuen Planeten, Kulturen und Aliens begegnet. Die Hauptfigur ist nun Captain Janeway (Kate Mulgrew), die eine gewisse Remilitarisierung der Serie bringt. Sie ist die toughe Karrierefrau, die im Weltraum nur ihren Job versehen will (Geliebter und Hund sind auf der Erde zurückgeblieben), aber ihre Vorstellung, an Bord kein Privatleben zu kennen, wird immer wieder in Frage gestellt. Nach der prime directive, nicht einzugreifen, wird ebenso immer wieder in Frage gestellt, ob Aufgabe und Person zu trennen seien. Ihre verborgenen Emotionen lebt Captain Janeway auf dem „Holodeck“ aus, wo sie sich in einer Art Traumkino in die Welt der englischen Romantik träumt. Da ist sie Lucie Davenport, die Gouvernante der Kinder von Lord Burleigh, in einer merkwürdigen, gelegentlich durchaus satirischen Spiegelung ihrer Rolle der mütterlichen Beschützerin an Bord ihres Raumschiffes. Das Holodeck und die „Holosuite“Programme spielen in allen drei Serien eine wichtige Rolle; so ist es möglich, in immer neue Parallelwelten und Phantasien einzutauchen.

„Voyager“ ist die Verhandlung der Situation der starken Frau in der Zukunftsgegenwart des „Star Trek“-Kosmos. Auch sie hat wiederum den reinen Tatmenschen und den strengen Logiker als Berater um sich; der Bordmediziner ist nun ein holographisches Wesen mit immer wiederkehrenden Identitätsproblemen geworden. Mit der Frau in der Führungsrolle, könnte man sagen, sei das emotionale Element des Humanismus zum Leitmotiv geworden, allein Captain Janeway muß nur allzu oft gerade gegen ihre Gefühle handeln, um Schaden von ihrer Mission abzuwenden. Und wie alle „Star Trek“-Charaktere wird uns auch Captain Jäneway als ein Mensch vorgeführt, der unter seinen Widersprüchen leidet, der andere Menschen benötigt, zu helfen und zu korrigieren, und der doch in tragischen Momenten ausgesprochen einsam ist.

Die letzte der in Produktion befindlichen „Star Trek“-Serien (freilich spricht man schon von neuen Spin Offs) liegt auch produktionstechnisch weit über dem Durchschnitt der amerikanischen SF-Serien. Mit den „Spezies 8472″ wurden zum ersten Mal in der Serie vollkommen computergenerierte Aliens vorgestellt; drei FX-Teams, „Image G“, „Digital Magie“ und „Foundation Imaging“ sorgen für die Effekte, die mittlerweile sehr weit von den hübschen, naiven Pappmache-Kulissen der originalen „Star Trek“Serie entfernt sind. Durch die schiere Größe der Kulissen und das Abwechslungselement verhindert man eine der inszenatorischen Schwächen der originalen „Star Trek“-Serie, wo sich allzuviel im Dialog auf der Kommandozentrale abspielt, und eine verwackelte Kamera ausreichen muß, um einen Zusammenstoß des Raumschiffes mit einem Meteoritenschwarm zu simulieren. „Voyager“, so wird prophezeit, wird die erste amerikanische Science-fictionSerie, von der acht Staffeln produziert werden.

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„Star Trek“ ist mittlerweile das Zentrum einer multimedialen Zeichen- und Spielwelt. Zum 30jährigen Jubiläum von „Star Trek“ wurden eine Reihe von Crossovern unternommen: In der „Deep Space Nine“-Episode „Immer die Last mit den Tribbles“ etwa kehren Sisko und seine Crew in die Zeit und auf das Raumschiff Enterprise von Kirk, Spock und Pille zurück, und in der „Voyager“Folge „Flashback“ erscheinen George Takei als Sulu und Grace Lee Whitney als Janice Rand. Spiele, wie „Star Trek: The Next Generation – Klingon Honor Guard“ nehmen nicht nur Figuren und Grundsituationen auf, sondern werden zu eigenständigen Teilen der „Star Trek“-Saga. Zugleich wird dieses Universum aber auch immer wieder über die bekannten Elemente der Serie und der Spielfilme erweitert; so wird für die IMAX-Kinos eine spezielle 40minütige „Star Trek“-Version in 3-D und mit Raumklang gedreht, in deren Mittelpunkt eine vollkommen neue „Enterprise“-Besatzung steht.

Eine erste Comic-Version mit recht schwachen Zeichnungen erschien zunächst bei Gold Key und brachte es auf 61 Hefte, eine zweite Version mit sehr viel besserer Gestaltung kam bei Marvel heraus. Unterdessen ist „Star Trek: The Next Generation“ bei DC im Angebot, während beim Konkurrenten Marvel die Comic-Serie zu „Star Trek: Voyager“ herausgegeben wird (wo bald auch eine Unter-Serie um „Seven of Nine“ entstand). In Romanen und Comic strips werden auch jene Fäden wieder aufgenommen, die in den TV- und Filmserien vernachlässigt wurden. So ist die Comic-Geschichte „Debt of Honor“ eine direkte Forsetzung der Story des Kino-Films STAR TREK IV – ZURÜCK IN DIE GEGENWART: Kirk fährt mit Gillian über das Meer und muß mit dem Verlust seines Sohnes fertigwerden.

Wie im Spiel und im Comic, so werden auch in der blühenden „Star Trek“-Literatur immer neue Seitenaspekte zu ganzen Serien ausgeführt. Zu den Buchreihen gehören etwa„ Star Trek: Starfleet Kadetten“, die sich speziell an junge Leser richtet und die Abenteuer der Helden in ihrer Jugendzeit nachzeichnet, während die Reihe „Star Trek Classic“ um Kirk, Spock und Pille aufgebaut ist. Auch „Star Trek: The Next Generation“ hat eine eigene traditionelle Buchreihe, in der es neben den Nacherzählungen einzelner TV- und Kinofolgen eigene Stories gibt, ebenso „Star Trek: Deep Space Nine“ und „Star Trek: Voyager“.

Das sechste Medium der „Star-Trek“-Saga, neben Film, TV, Spiel, Comic und Literatur, ist das Live-Event des „Cons“, gebildet aus Star-Auftritten, Sammlerbörsen, Fachgesprächen und Kostümierungen. Schon früh gab es auch in Deutschland Cons wie das Federation Con – bei der 5. Ausgabe im Jahr 1997 trat William Shatner zum ersten Mal auf einer deutschen Con auf. Mittlerweile tendiert man auch in diesem Bereich zum Gigantismus. Mit einem 1:1 Nachbau der Kommandobrücke und des Maschinenraums von „The Next Generation“ wird die Messe Düsseldorf und eine anschließende „Star Trek World Tour“ bestückt, wo man vor allem „Star Trek“-Utensilien erwerben und in der stilgerechten Bar sein Bier trinken kann.

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„Star Trek“ war der erste Pop-Kosmos, der eine Übertragung aus dem Fernsehen auf die große Leinwand vollzog, ohne eines der beiden Publikumssegmente vollkommen zu enttäuschen. Den ersten Kino-Film, STAR TREK: THE MOTION PICTURE (Star Trek – Der Film, 1979), inszenierte Robert Wise, zu einer Zeit, da die Serie nur noch in Wiederholungen präsent war. Der Regisseur hatte einschlägige Erfahrung im Genre, war aber kein ausgesprochener Trekkie. Er setzte viel daran, Kino zu machen, und übersah dabei, daß weder die Schauspieler noch ihre Rollen dazu prädestiniert waren. Die Story tangierte denn auch die „Star-Trek Philosophie“ nur leicht. Während das Raumschiff zur Überholung in der Werft liegt, ist Kirk zum Admiral befördert, langweilt sich aber auf seinem Schreibtischposten. Als sich eine tödliche Energiewolke der Erde nähert, reaktiviert er seine alte Mannschaft und dringt zusammen mit Spock in das Innere vor, wo er auf einen vor 300 Jahren gestarteten Satelliten der NASA trifft, der sich selbständig gemacht hat. Dabei treffen sie auf eine maschinelle Intelligenz auf der Suche nach ihrem Schöpfer, und nach allerlei Vereinigungen zwischen Maschine und Mensch entsteht eine supreme Lebensform. Die Story, sowie die Spezialeffekte von Douglas Trumbull und John Dykstra machten die 40-Millionen-Dollar-Produktion zu einem SF-Film von eigenständiger visueller Qualität und einer leicht verquasten Maschine/Mensch-Mystik, die den normalen Trekkie nicht gerade zu begeistern vermochte. Die folgenden Filme näherten sich in Geist und Ästhetik daher wieder der Serie an und gestatteten sich vor allem hier und dort jenen leicht ironischen Ton, den das treue Publikum so schätzte. STAR TREK II: THE WRATH OF KHAN (Star Trek II – Der Zorn des Khan, 1982, Regie: Nicholas Meyer) bezieht sich auf einen der Hauptfeinde von Raumschiff Enterprise (Ricardo Montalban), den Captain Kirk einst in die Verbannung geschickt hat und der nun eine Raumfähre gekapert hat, deren Besatzung am Experiment des „Genesis“-Projektes beteiligt ist. Anders als der erste Film bezieht sich der zweite direkt auf eine Episode der Serie, auf „Der schlafende Tiger“ aus dem Jahr 1967.

In diesem zweiten Teil hatte sich Spock geopfert, um die Enterprise vor einer Explosion zu retten. Nach und nach sollten offensichtlich die alten Darsteller der Serie aus der Kino-Serie aussteigen und durch neue ersetzt werden. Das Publikum aber akzeptierte Spocks Tod nicht, und damit auch nicht Nimoys Ausstieg aus der Serie. So war es wohl ein besonderer Anreiz, daß man ihm für seine wundersame Wiedergeburt auch die Regie anbot: 1984 entstand der von ihm so kompetent wie mit leichter Ironie inszenierte STAR TREK III: THE SEARCH FOR SPOCK (Star Trek IlI – Auf der Suche nach Mr. Spock). Spocks Vater kommt zu Kirk und bittet ihn, nach der Möglichkeit zu fahnden, seinen Sohn wieder zum Leben zu erwecken, was mit Hilfe des Genesis-Projekts möglich ist. Gegen den Befehl der Admiralität bricht die schwer beschädigte Enterprise auf, wird von einem Klingonenkreuzer angegriffen und vollendet schließlich ihre Mission.

Der dritte Teil der Saga hatte immerhin 39 Millionen Dollar eingespielt und verlangte daher förmlich nach einer weiteren Fortsetzung. Leonard Nimoy inszenierte 1986 auch STAR TREK IV: THE VOYAGE HOME (Star Trek IV – Zurück in die Gegenwart), der direkt an Teil 3 anschließt, an dessen Ende Kirk und seine Mannschaft auf eine Sonde gestoßen waren, die der Erde die Energie entzieht und sie so zum Untergang weiht.

Nach Leonard Nimoy durfte auch William Shatner Regie führen, oder so etwas ähnliches. In STAR TREK V: THE FINAL FRONTIER (Star Trek V – Am Rande des Universums, 1989) geht es mit einer neuen, freilich noch fehleranfälligen Enterprise auf die Suche nach Geiseln, die von Sybok (Laurence Luckinbill), der sich später als Spocks Halbbruder herausstellt, auf dem Planeten Nimbus III gefangen gehalten werden. Sybok entert das Raumschiff und geht auf die Suche nach Sha Ka Ree, dem „Gottesplaneten“ im Zentrum des Universums. Dieser Film wirkte am ehesten wie eine alte „Star Trek“-Folge (einschließlich der naiven FX, einschließlich der unbeholfenen Regie, einschließlich aber auch dem Vergnügen daran, mystische Themen zu entwerfen, und sie dann mit ausgesprochen trivialen Lösungen vom Himmel zu holen). William Shatner wurde mit dem „Golden Raspberry“ zugleich als schlechtester Drehbuchautor, schlechtester Regisseur und schlechtester Hauptdarsteller des Jahres ausgezeichnet.

Der Charme einer aufgeblasenen Amateurproduktion, den Shatners Film ausstrahlt, war nicht so erfolgreich, um eine Reprofessionalisierung des „Star Trek“-Unternehmens zu verhindern: STAR TREK VI: THE UNDISCOVERED COUNTRY (Star Trek VI – Das unentdeckte Land, 1991) wurde wieder von Nicholas Meyer inszeniert. Nun geht es um den Versuch, nach einer intergalaktischen Öko-Katastrophe auf dem Klingonen-Planeten Frieden zwischen den Menschen und den Klingonen zu stiften, und die U.S.S. Enterprise unter Kommando von Captain Kirk soll den Klingonenkreuzer „Kronos 1″ mit Kanzler Gorkon (David Warner) und General Chang (Christopher Plummer) zur Erde begleiten. Kirk und Pille ahnen Verrat, haben recht, werden aber trotzdem auf einen Strafplaneten verbannt. Während sie ihre Flucht betreiben, versuchen Spock und die Mannschaft, die Zusammenhänge zu klären und die beiden zu retten. „Die Anfänge der Serie“, sagt der Regisseur, „waren optisch gesehen etwas dürftig und mehr dem Hörspiel entsprechend. Diesen Film wollte ich mit einem visuellen Knall beenden.“ Zu den wirkungsvollsten Tricks gehören die beständigen Verwandlungen der Chamäleonfrau Martia (Iman). Zwar plädiert der Film zunächst einmal für Mißtrauen bei allzu großer Vertrauensseligkeit, er bleibt aber der humanistischen Grundidee der Serie treu. Leonard Nimoy, der auch als Produzent fungierte, hatte die Grundidee zur Story entworfen: „ich möchte einen Film darüber drehen, wie die Mauer im All fällt.“ Tatsächlich ist der Film eine Metapher auf das Ende des Kalten Krieges, das von den Ewiggestrigen auf beiden Seiten in Frage gestellt wird. THE UNDISCOVERED COUNTRY wurde mit 60 Millionen Dollar Einspielergebnis der erfolgreichste Film der Serie.

STAR TREK: GENERATIONS (Star Trek VII – Treffen der Generationen, 1994, Regie: David Carson) entstand, direkt nachdem auch die „Next Generation“-Serie ihr Ende gefunden hatte. Er bringt die Helden der alten mit denen der neuen Serie zusammen: Im Jahr 2265 stirbt der Kommandant Kirk, der sich als Ehrengast an Bord der neuen Enterprise befunden hat, bei einer Rettungsaktion. Doch nach 78 Jahren findet ihn sein Nachfolger Captain Picard (Patrick Stewart) auf dem Planeten Nexus wieder. Nun tun sich die beiden zusammen, um die Pläne des finsteren Dr. Soran (Malcolm McDowell) zu durchkreuzen, der von Nexus aus mit einer Superbombe das Sonnensystem bedroht. Aus der durchaus amüsanten Gegenüberstellung des alten Tatmenschen Kirk mit dem kühlen Intellektuellen Picard macht der Film allerdings nicht allzu viel, und so wurde gerade dieser Film zu einem der uninspiriertesten Werke der Serie, der vor allem eines zu beweisen scheint: Patrick Stewart ist ein besserer Schauspieler als William Shatner, aber der ist so verliebt in seine Rolle, daß wir ihm den eigentlichen Star-Status für dieses letzte Mal gerne zubilligen. Jedenfalls wurde er wieder mit einem „Golden Raspberry“ ausgezeichnet, diesmal als schlechtester Nebendarsteller des Jahres.

Die Borg haben in STAR TREK: FIRST CONTACT (Star Trek – Der erste Kontakt, 1996, Regie: Jonathan Frakes) ihren Angriff fortgesetzt, Maschinenwesen, die auch in der Serie die Hauptfeinde bilden: seelenlose Cyborgs, die sich andere Wesen maschinell anverwandeln. Eines ihrer Raumschiff ist in den Bereich der Erde eingedrungen und gelangt in die Vergangenheit der Menschen, um die „Zeitlinie“ so zu verändern, daß die Menschen vollständig assimiliert werden und die Erde den Borgs gehört. Entgegen der Befehle unternimmt Picard mit der neuen Enterprise 1701-E (das ID-Modell war im vorherigen Film zerstört worden) die Verfolgung auf und landet in der Zeit nach dem Dritten Weltkrieg. Die Borg wollen verhindern, daß Zephram Cochrane (James Cromwell) zum ersten Warp-Flug aufbricht, um Kontakt mit einer fremden Rasse – den Vulkaniern – aufzunehmen; eine Crew mit Commander Riker versucht auf der Erde, Cochrane zu beschützen, Picard, Data und Worf dagegen müssen das Schiff gegen die Infizierung durch die Borgs beschützen.

STAR TREK IX: INSURRECTlON (ursprünglich gar „Star Trek Rebellion“ betitelt), der neue Kinofilm, beginnt wieder einmal, wo der Vorläufer, STAR TREK: FIRST CONTACT, endete. Das Raumschiff Enterprise NCC-170-1-E der Souvereign-Klasse, das gerade mit den Borg gekämpft hat, kehrt nach der Begegnung mit dem Schöpfer der Warp-Antriebs, Zephram Cochrane, zu einer Planetenbasis zurück, um auf eventuelle Schäden überprüft zu werden. Erneut gerät die Enterprise in die Auseinandersetzung zweier verschiedener Alien-Kulturen, und erneut gelingt es nicht, der prime directive treu zu bleiben. Diesmal erwischt es Picard auch im emotionalen Bereich, er darf sich in eine Angehörige der friedlichen Ba’ku (Donna Murphy) verlieben, die von einer finsteren Alienrasse namens Son’a bedroht werden. Zunächst werden die Ba’ku, getarnt durch eine der uns mittlerweile bekannten holographischen Einrichtungen, der prime directive gehorchend nur beobachtet. Aber es gibt eine Verschwörung innerhalb der Sternenflotte, die die moralischen Werte der Föderation außer Kraft setzen will, was nicht verwundert, denn auf dem Planeten gibt es nichts weniger als die Quelle ewigen Lebens zu erobern. Picard und die Seinen aber stehen zu den Werten der „Star-Trek-Philosophie“ und lehnen sich daher gegen die eigenen Vorgesetzten auf. So ist STAR TREK – DER AUFSTAND vielleicht auch so etwas wie eine Rebellion gegen die Tendenzen der Militarisierung und der Aufweichung der „Star-Trek-Philosophie“ in den TV-Serien.

INSURRECTION war mit 75 Millionen Dollar Produktionsbudget der teuerste Film und kostet gleich doppelt so viel wie FIRST CONTACT. Wenn Darsteller und Regisseur Jonathan Frakes meint, es sei so etwas wie „die futuristische Version von DIE GLORREICHEN SIEBEN“, beschreibt er ein wenig auch das Prinzip der Serie: Es geht dabei nicht so sehr um eine endlose Fortsetzung und Variation der immergleichen Elemente, vielmehr funktioniert „Star Trek“ wie ein Schwamm, der alle erdenklichen Stories und Mythen aufsaugen kann. Man schafft nicht so sehr „Star Trek“-Geschichten als daß man Geschichten in der „Star Trek“-Perspektive erzählt, Western, Melodramen, klassische Phantastik, Sozialutopien, Komödien, Satiren, und nicht zuletzt und immer wieder Stücke hoher Literatur, allen voran Shakespeare-Dramen. Die „Star Trek“-Menschen sind unterwegs, auf der Suche nach dem Göttlichen, aber statt die letzte Ur-Sache im All zu finden, treffen sie immer wieder auf die alten Reiche, sie sehen den Königen beim Sterben zu – und sammeln ihre verletzten Kinder ein, für die Schaffung einer wahrhaft amerikanisch-multikulturellen Zukunftsgesellschaft.

Wie die Serie „Voyager“ wird auch der neue „Star Trek“-Film von einem vielleicht kaum merklichen, vielleicht radikalen ästhetischen Bruch begleitet; nicht mehr die gewohnten Tricks von Industrial Light & Magic sind für die Special Effects zuständig, sondern man arbeitet mit fast ausschließlich digitalen Effekten der Santa Barbara Studios und Vifx (die für die Spezialeffekte für „Akte X“ zuständig sind). Der Produzent Rick Berman ließ sich dazu vernehmen: „Langwierige Tests haben gezeigt, daß kaum mehr ein Unterschied zwischen modelltechnischen und digitalen Effekten auszumachen ist. Wer den fertigen Film sieht, der wird in keiner Szene erkennen, welche Effekte computergeneriert und welche wenigen Effekte noch auf altmodische Weise hergestellt worden sind.“

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Gibt es so etwas wie die „Star Trek“-Philosophie, die über die Serien und Spin Offs hinausweist? Grundlegende Fragen sind zum einen die moralischen Entscheidungen in einer polymorphen und unübersichtlichen Welt, in der die unterschiedlichsten Kulturen und Ideologien nebeneinander aufscheinen. Anders als in der STAR WARS-Saga liegt die Lösung keineswegs in einer vollständigen Rückkehr zum technifizierten Mythos als vielmehr in einer Balance von Rationalität und Anerkennung des Überrealen. Man könnte wohl sagen, daß es sich bei den Enterprise-Mitgliedern um sehr unterschiedliche Ausformungen von Romantikern im Weltall handelt, die von regelmäßigen Anfällen von Verzweiflung befallen werden. Es ist eine Hölderlin-Reise: „Nach innen geht der geheimnisvolle Weg.“ Statt dem „anderen“ begegnen, ein wenig wie in SOLARIS, die Menschen im Weltraum immer wieder vor allem ihren eigenen Dämonen. Aufklärung ist nicht das Subjekt dieser philosophischen Pop-Reise, Aufklärung ist nur die Sehnsucht und Triebkraft (die gleichwohl auch immer in ihr Gegenteil führt.) Nicht die Herausführung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit kann das Programm der Enterprise sein, sondern die Reflexion dieser Unmündigkeit selbst.

Das Problem der Star-Trek-Menschen ist die Idee der Entscheidungsfreiheit, die noch vor jeder ideologischen Klärung zu bewältigen ist. Zweifellos spuken in all den geschilderten Kulturen die alten politischen Bilder der amerikanischen popular culture: Die Borg, die nur im Kollektiv existieren und dem Individuum keinerlei Verantwortung übertragen, sind unschwer als Nachfahren der kommunistischen Bedrohung zu sehen, in den Romulanern und ihrem martialischen Ehrenkodex sind die alten europäischen Gesellschaften zu erkennen, und die Cardassianer, die in „The Next Generation“ ebenso auftreten wie in „Deep Space Nine“, sind Bilder der deutschen Faschisten so wie die Bajoraner in ihrer Religiosität an die Juden erinnern, gegenüber denen die Cardassianer sich jedes Verbrechens schuldig machen.

Das zweite Problem der Helden ist ihre Identität. Nicht nur behandeln sie immer wieder den Widerspruch zwischen Rationalität und Emotion, zwischen dem Maschinellen und dem Körperlichen ihrer Erscheinung und ihrer Lebensform, auch die geschlechtliche Identität ist immer wieder in Frage gestellt. Die Serien lieben unmögliche Liebesgeschichten, und immer wieder tauchen Wesen mit einer vollkommen anderen (zum Beispiel einer rein geistigen oder einer doppelgeschlechtlichen) sexuellen Organisation auf.

Zum Erfolgsheimnis der Spin-Off-Serien und der besseren Filme gehört es wohl, daß sie nicht allein FX- und aktionsbezogen sind, sondern besonderes Gewicht auf die Entwicklung von Charakteren legen. Nach dem Grad der Beliebtheit beim Publikum werden einzelne Figuren aus dem Kosmos entfernt (einige von ihnen erhalten die Chance, in späteren Folgen als Gäste wieder aufzutreten), während man Krisen in den Quoten stets dadurch begegnet, daß neue Figuren, immer neue Identifikationsmodelle angeboten werden. Das heißt, die „Star Trek“-Serien fungieren im Inneren auch als Soap Operas.

Letztendlich beantworten alle Serien und Filme um „Star Trek“ die Frage danach, wie man ein Mensch wird, mit der Aufforderung, ein Amerikaner und ein „Familienmitglied“ zu werden, in ein ebenso offenes wie strukturiertes System einzutreten, das nicht verspricht, die Eigenverantwortung abzulösen. Immer wieder sehen wir die Anstrengungen auch der künstlichen Menschen, dieses Ideal zu erfüllen. Aber in „Star Trek“ weiß man, daß es gar kein Ideal, sondern nur eine Dynamik gibt.

Und immer wieder geht es um Schöpfungslegenden: um die Konstruktion der Mythen und das Problem des Eingreifens in die Geschichte, das schon in den klassischen Serien verhandelt wird. Einmal gerät Spock in die Vergangenheit seines Volkes, zu der Zeit, als die Vulkanier noch ausgesprochen emotionale Wesen waren, bevor ihr Philosoph Surak die Lehre von der Vorherrschaft der Ratio verbreitete.Und hier muß er selbst entscheiden, welche Wendung die Entwicklung der vulkanischen Kultur nehmen wird. Wenn General Chang in dem Kinofilm STAR TREK – DAS UNENTDECKTE LAND aus „Richard II“ zitiert: „Laßt uns niedersitzen zu Trauermären von der Könige Tod“, dann beschreibt er die grundlegende Bewegung der „Star Trek“-Legenden: Die Zukunft ist die suggestive Aufspaltung der Vergangenheit, die Reise ein Gang durch das imaginäre Museum ermordeter Könige und untergegangener Reiche. Und es geht, wie bei Shakespeare, um die größte Tragödie der Menschheit. Darum, daß es die Zeit gibt.

Autor: Georg Seeßlen

Text veröffentlicht in epd film 1/99