Nichts bringt ihn von seinen Träumen ab

Sex and Crime in Kalkutta. Das mit dem Verbrechen kommt hin, doch auf den Sex müssen wir in John Fox aufregendem Dokumentarfilm verzichten. „The Bengali Detective“ folgt einem leidenschaftlich gern tanzenden Privatdetektiv mitsamt seiner Truppe ins kleinkriminelle Milieu von Kalkutta und zeigt damit einen Ausschnitt aus dem Indien der kleinen Leute. Mit Schreibheft, Bleistift und fotokopierten Fotos bewaffnet ziehen die Männer los, um einen Mord aufzudecken. Da die Polizei generell wenig Interesse an ihrem Job zeigt, beauftragen Familien Privatdetektive, um Gewissheit über das Ableben ihrer Angehörigen zu bekommen.

Das Hauptgeschäft allerdings machen eifersüchtige Ehefrauen und Firmenverwalter aus, die Rajesh Ji losschicken, damit er Kleinhändlern im Kampf gegen gefälschte Markenprodukte das Fürchten lehrt. Meist trifft die Schuld die ganz Kleinen, häufig können sie nicht einmal lesen. Rajesh weiß um die Ungerechtigkeit, aber er muss auch leben. Also nimmt er jeden Auftrag an. Und nichts bringt ihn von seinen Träumen ab.

Rajesh träumt sich als Held, der im Kleinen für Law und Order sorgt, und er träumt sich als Popstar. Der kleine, dicke Mann in den hautengen T-Shirts ist unfassbar eitel, aber die Leidenschaft, mit der er sich und sein Team dazu überredet, an einem lokalen Tanzwettbewerb teilzunehmen, ist hinreißend. Natürlich geht auch das schief, doch die duldsamen Männer sind an Niederlagen gewöhnt.

Der Regisseur Philip Cox, der zuvor als freier Journalist gearbeitet hat, erzählt über die Dreharbeiten: „Eines Tages tauchte unsere Hauptfigur im silbergoldfarbenen Glitzeranzug auf, einfach um für uns sein Alter Ego zu performen: den Bollywood-Star. Nach ein paar Monaten hatten wir uns an den Kalkutta-Faktor gewöhnt: nichts geht nach Plan. Aber darin besteht ja genau die Schönheit, die man nur mit einem Dokumentarfilm einfangen kann: die Schönheit der Überraschung und der völlig neuen Entdeckungen.“

Text: Ines Kappert

Text erschienen in taz, 16.02.2011