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I. Verlorene Söhne

Irgendwo, dort im Osten in einer zerfallenden, gewalttätigen Welt, so verstehen wir aus unseren Bilder- und Erzählmaschinen, hausen schlimme Horden schwarzgekleideter bärtiger Männer, die schreien, schießen und anderen Menschen den Kopf abschlagen. Sie berufen sich auf den Islam und wollen ein Kalifat errichten, einen Staat, mehr noch vielleicht: ein Imperium. Es gab Al-Kaida und den schrecklichen Anschlag auf die Twin Towers, es gibt die furchtbare Boko Haram, aber dies, der IS, der „islamische Staat“ ist noch etwas anderes. Es ist nicht nur Terror, der Chaos anrichtet, es ist Terror, der, schlimmer, auch schon wieder eine Ordnung errichtet. Eine Terror-Ordnung, um genau zu sein.

Kalif? Das erinnert an Tausend und eine Nacht, an Karl May, an Harun al-Poussah im Comic. Das Kalifat ist eine Herrschaftsform der sunnitisch-osmanischen Einheit von Religion und Macht, ein Traum von einer direkten Nachfolge des Propheten, von einer universalen Einheit: Alles wird stimmen in Raum und Zeit, in Geist und Gesetz. Kemal Atatürk beendete den Traum im Jahr 1928, so lässt sich’s ergooglen. Um moderne Nationen an seine Stelle zu setzen. Und nun ist der Traum wieder da. Als Albtraum für den Westen und was aus ihm geworden ist, nach dem Scheitern der nationalen Demokratien und des sozial gezähmten Kapitalismus.

Das Nation Building in der islamischen Welt konnte nur funktionieren mit der Abschaffung des Kalifats. Nun, mit dem Zerfall der Nationen, ist der Traum vom Kalifat wieder da, zusammen mit dem Traum, die religiösen, ideologischen Spaltungen zu überwinden, mit Gewalt. Mit viel Gewalt, mit grausamer Gewalt. Der IS ist die blutige Avantgarde dieser Bewegung; sie hat alles, was eine solche Bewegung braucht: ein Konstrukt der Legitimation, Geldquellen, offene und verdeckte Verbündete, eine Kommandostruktur, mehr oder weniger charismatische Führer, eine funktionstüchtige Propagandaabteilung, militärische und paramilitärische Kraft, Fahnen, Slogans, sogar so etwas wie eine Hymne.

Ist das eine stimmige Erzählung? Die jordanische Königin Rania jedenfalls, die offenbar zu einer neuen Gegenpropaganda-Figur werden soll, rief nicht umsonst zum Widerstand gegen das Narrativ des IS auf. In diesem Narrativ ist, von den Gegnern aus betrachtet, die Gewalt ein schlechtes Mittel für ein im Übrigen ebenfalls schlechtes Ziel. Den Protagonisten ist die Gewalt Mittel und Ziel zugleich.

Aber in einer zweiten Erzählung des Dschihad ist gerade diese Gewalt, die Geste des Heiligen Kriegers, der seine Erfüllung findet im Abschlachten der anderen, und am Ende im Selbst-Abgeschlachtetwerden, die Idee, dass diese Bewegung immer voranschreiten, immer weiter töten und sterben wird, das eigentliche Faszinosum. Der Aufbau eines „islamischen Staates“ und der sich selbst genügende und sich selbst genießende Terror sind eine sonderbare Einheit eingegangen.

Wenn es stimmt, dass rund ein Drittel der Kämpfer des IS aus dem entfernten Ausland kommt, mindestens 450 allein aus Deutschland (und Deutschland rekrutiert, im Verhältnis zu Ländern wie Dänemark und Belgien noch vergleichsweise wenig Nachwuchs-Dschihadisten), tritt indes ein drittes Narrativ dazu: die Geschichte vom Zerfall des Abendlandes, des Liberalismus und der Zivilgesellschaften inmitten von Postdemokratie und Finanzkapitalismus. Die Geschichte von verlorenen Söhnen.

Das Narrativ von den Rekruten des Dschihad und des Terrorregimes hat eine einfache Form. Es ist ein Sog vom ersten Versprechen einer spirituellen Alternative zum „Dreck“ des Konkurrenzliberalismus hin zur blutigen Tat. Die Erklärung des „Islamischen Staates“ vom Oktober des Jahres 2006, die es auch als Videobotschaft gibt, enthält in ihrem vierten Teil – Die Pflicht, den Islamischen Staat zu unterstützen – die Unterwerfung gegenüber dem einen und einzigen Ziel: „beginnend mit Worten, endend mit Blut“.

 

II. Brutale Bilder

Wo treffen sich die drei Erzählungen des IS und wo streben sie wieder auseinander? Auf der einen Seite ist es die Attraktion des Terrors an sich, beziehungsweise des fanatischen Glücks der radikalen Komplexitätsreduzierung auf ein Wir-gegen-die-anderen, die offenbar in allen Modernisierungs- und Banalisierungsgeschichten auftaucht. Auf der anderen Seite aber gibt es die wortreiche Rechtfertigung im Namen des Koran, und man hat nicht umsonst sehr früh ein Ministerium für religionsgesetzliche Angelegenheiten gegründet. In diesem Rechtfertigungszusammenhang stehen einige Maßnahmen. Ein Gelehrtenstreit um die Möglichkeit, einem nicht sichtbaren Anführer die Treue zu schwören zum Beispiel, führte zu einer medialen Sichtbarkeit von Al-Baghdadi und zu einer Vielzahl von Treueschwüren als Videobotschaften, die allerdings auch wieder ihre eigene ästhetisch-propagandistische Wirkung haben.

Die brutale Bildproduktion des IS wird im Westen immer als Provokation und Angriff, als besondere Form einer Alles-oder-Nichts-Propaganda angesehen, was sie sicher auch ist, sie ist zugleich aber immer auch Ausdruck der inneren Widersprüche der Bewegung selbst. Sie unterliegt im Übrigen einer Steigerungslogik, die von den Enthauptungen bis zur (vom Koran verbotenen) Verbrennung stets die Frage stellt, welche Grausamkeit noch faszinierend und welche nur noch abschreckend ist. Und wo die Trennungslinie zwischen einer Religion in Form von Terror und dem Terror als Religion empfunden werden kann. Es muss eine Menge geschehen zwischen den Absendern und den Empfängern dieser Botschaften. Und der Traum von der großen Vereinfachung vermittelt sich auf höchst komplizierten Wegen.

 

III.  Die Rekrutierungswilligen

Was die Empfänger anbelangt, gibt es wiederum zwei verschiedene, einander auf den ersten Blick fundamental widersprechende Erzählungen. Die Geschichte vom depravierten Unterschichtler, der nach einem Umweg über Droge und Verbrechen und angesichts vollkommener Aussichtslosigkeit eine Heimat bei Salafisten, Hasspredigern und dann Dschihadisten zu finden hofft. Und die Geschichte vom scheinbar so perfekt angepassten, erfolgreichen Mittelständler, von Ärzten, Lehrern, Studenten an Eliteschulen, denen wie mit einem Donnerschlag ihre eigene Integration so unmöglich und schuldbeladen erscheint, dass sie nur durch die Gewalt zu lösen ist.

Zur ersten Geschichte gehören immer wiederkehrende Elemente: die Gefängnisse, die als Rekrutierungsorte geradezu prädestiniert sind, wo junge Menschen einen Weg nach draußen gewiesen bekommen, den die liberale Gesellschaft ihnen nicht bietet. Situationen, in denen solche jungen Menschen ganz generell nicht wissen, wohin mit sich. Die ungeheuren Spannungen zwischen einem traditionellen, familiären, religiösen Innenraum und einer offenen, verführerischen und unordentlichen Außenwelt, die irgendwann nicht mehr zu ertragen sind, oder nur, wenn die Mittel des einen (die Handys, die Computer, die Ego-Shooter, die Videos, Graffiti und Raps) mit den Inhalten des anderen zusammengebracht werden, Erlösung versprochen wird. Alles vollzieht sich, wie es scheint, nicht als Übertritt, sondern als Kurzschluss.

 

IV. Komplexe Medienspiele

Es wäre falsch, die Propaganda-Arbeit des IS zu reduzieren auf die beiden Pole Gewaltvideos als Schock und Provokation gegen den Westen und Sozialbotschaften von der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung, Medizin, Ordnung und Glauben in den eroberten Gebieten. Dazwischen sind komplexe Medienspiele entstanden, nicht alle so manifest wie die Zeitschrift Dabiq, die es als Internetangebot und in einer Printversion gibt. Auch hier kann der IS sich auf die Vorarbeit von Al-Kaida stützen, die seit 2010 das Magazin Inspire verbreitet, das sich speziell an (englischsprachige) Jugendliche in westlichen Ländern richtet. Inspire ist wie ein Popmagazin gestaltet, allerdings findet man darin neben Anleitungen zum Bombenbauen und Rechtfertigungen der Gewalt auch religiöse Texte, die sich auf wenige, immer wiederholte Aussagen beschränken. Die deutschsprachige Ausgabe von Dabiq (die freilich aufgrund ihrer sprachlichen Mängel nur von Menschen verstanden wird, die bereits auf gewisse Schlüsselwörter eingestimmt sind) wird im Übrigen weiter mystifiziert durch die mögliche Mitarbeit des Ex-Berliner Rappers Denis Cuspert, der seit Kurzem auf der Terrorliste der USA steht. Er nennt sich mittlerweile Abu Talha al-Almani und inszeniert sich in seinen Videobotschaften wie eine deutsche Stimme des Dschihad. Es kommt dabei weniger auf das Verstehen und die direkte Aussage an als auf die Verbreitung einer Wolke von Signalen, Bildern, Begriffen: Man empfängt, nur so viel ist klar, durch Dabiq eine Botschaft von einer anderen Seite. Wie die Gewaltvideos signalisieren auch diese Propagandabotschaften zunächst nicht so sehr die Möglichkeit eines neuen Weltbildes als vielmehr die eines radikalen Bruchs mit dem alten.

Die westlichen Medien sind zugleich Empfänger und Verstärker der Botschaften. Sie werden nicht müde, diese propagandistischen Coups als wennzwar bösartige Meisterwerke zu preisen, von einer Erregung, die sie selber nicht mehr erzeugen können. Der Bruch muss akzeptiert werden, und beides ist falsch, die Wiedergabe und Kommentierung des Gewaltvideos ebenso wie die Ignorierung und Unterschlagung. Die Kunst dieser Propaganda des Zivilisationsbruchs besteht darin, dass es keine richtige Reaktion darauf gibt, nur das Hannah Arendtsche Entsetzen des „Das hätte nie geschehen dürfen“. Es gibt keine größere und lüsternere Praxis von Macht als den Anderen zu entsetzen.

 

V. Mit den Mitteln der Popkultur

Nicht zu unterschätzende Rekrutierungsinstrumente sind, wie im Übrigen auch bei den Neonazis, die Musik und andere damit verbundene Elemente der Pop- und Jugendkulturen. Zweifellos ist die Übernahme der westlichen Ästhetiken, der Videospielgrafiken, der Reportagen (mit einer Geisel als „Reporter“), der Körperinszenierungen, der Horrorbilder, der Katastrophenphantasien, der Verschwörungstheorien und der Live-Reportagen mit den CNN-Anmutungen, und die gleichzeitige Reinigung von allen Frivolitäten, Doppeldeutigkeiten und Ironisierungen ein Erfolgsrezept. Dschihadisten-Propaganda und etliche Genres von Straßen- und Ghettokunst entsprechen einander formal. Aber welche subkutanen Regionen in der Bildsprache nebenbei adressiert werden, erschließt sich rasch, wenn man Männerbilder der Dschihad-Werbung und solche der Kosmetik- und Konsumwerbung nebeneinander legt. Die Männerbilder des Terrormagazins gleichen sich bis zur Beleuchtung an die grimmigen Models für Parfüm und Rasierwasser an. Oder verhält es sich umgekehrt? Daher ist es für die Rekrutierung der Dschihadisten auch so bedeutend, die Aufnahme der jungen Leute über einen fließenden und offenen Dresscode zu regeln, und nicht mit einer extremen Uniformierung. Man verspricht die Verwandlung zugleich in den Krieger und das Model, eine der vielen Umwandlungen der Traumangebote der westlichen Kultur in blutige Realität.

Die sogenannten Hassprediger verwenden rhetorische und rhythmische Elemente, die man auch aus dem Hip-Hop und dem Gangsta-Rap kennt. Doch der Kern der musikalischen Rekrutierung liegt in den sogenannten Naschid. Diese Lieder sind selbst Beute; Naschid waren einst Teil der Sufi-Tradition, aber schon seit den siebziger Jahren wurden sie von den sunnitischen Truppen als Rekrutierungs- und Propagandamittel eingesetzt. Sie konnten sich als A-cappella-Gesänge ohne instrumentale Begleitung auch gegen das Musikverbot der salafistischen Extremen durchsetzen. Die erfolgreichsten Naschid folgen als Klangerlebnisse dem Gebot „Beginnend mit Worten, endend mit Blut“. Das Lied Dawlat al-Islam Qamat beispielsweise beginnt als elegische Ballade und führt dann in eine martialische Collage von stampfenden Stiefeln und Schüssen. „Der islamische Staat ist auferstanden durch den Heiligen Krieg der wahrhaft Gläubigen“, heißt es dann. Es entstehen auf diese Weise inoffizielle Hymnen, die sich auch in das popaffine Ohr schleichen; die A-cappella-Lieder der tiefen Männerstimmen mit Rap und Spoken-Word-Einlagen der Naschid haben eine ganz ähnliche Wirkung wie die Rechtsrock-CDs, mit denen die Neonazis ihren Nachwuchs zu rekrutieren hoffen. Zur vollen Wirkung gelangen sie in Verbindung mit den Videos. In den siebziger Jahren wurden sie vor allem bei den Muslimbruderschaften in Ägypten, unter Duldung der entsprechenden Ajatollahs, als Propagandainstrument eingesetzt. In der sunnitischen Variante sind die Naschid ausschließlich aus Stimme und Geräuscheffekten zusammengesetzt, in der schiitischen Spielart kommen heftige Rhythmusinstrumente hinzu. Dazu werden westliche Technologien wie voice tracer eingesetzt.

Die Ajnad-Medienstiftung des IS sorgt für ständigen Nachschub der Naschid, und darin bilden sich, wie in der westlichen Popmusik, auch immer wieder Innovationen und Generationswechsel ab. Der Rapper Denis Cuspert verfasst als Deso Dogg gezielt Naschid für den deutschen Nachwuchs. Der Künstlername suggeriert bereits den Übergang vom Gangsta- zum Dschihadisten-Image. Im übrigen veranstaltet der IS veritable Propaganda-Wettbewerbe, deren Gewinner mit Kameras, Computern und Mobiltelefonen belohnt werden. Propagandafilme tragen Titel wie The Clanging of Swords oder Flames of War, die wirken, als wären sie Computerspielen oder TV-Serien entnommen, und tatsächlich ist Serialisierung auch ein probates Mittel der Aufmerksamkeitsökonomie der IS-Propaganda.

Die Frivolität des Pop, die sich an allen Zeichen und Sounds bedient, Sampling und Zitat, Rap und Spoken Word, das alles dreht sich beim Naschid und den entsprechenden Videos um in einen heiligen Ernst. Was das Popgenre und der Blutgesang gemein haben, neben den formalen Techniken, ist eine Konstruktion von Männlichkeit, die sich nur durch den Bruch mit den weichen Konventionen der Allgemeinheit bewähren kann, und eine Art des akustischen Sinnenrausches. Bei vielen Naschid geht die Musik nicht nur in die Geräuschkulisse von Kampf und Gewalt über, sondern erzeugt auch eine benebelte Orientierungslosigkeit. Der Wille zu verletzen und der Glaube an die eigene Unverletzbarkeit haben sich schon gefunden, bevor die entsprechenden Bilder und die entsprechenden Worte aus dem Empfinden eine Aussage gemacht haben.

Selbst wenn die Dschihadisten aus dem Westen in ein fremdes Land kommen, dessen Sprache sie nicht einmal kennen, erwartet sie also eine Wolke von Medien- und Sinneseindrücken, die sie kennen, auf die sie codiert sind. Die Wirklichkeit soll ihnen zunächst als Fortsetzung ihres Medientraums erscheinen. Dabei werden auch die Naschid zum Steuerungsinstrument innerhalb der Bewegung selbst: Die signifikante Änderung der Naschid in den vergangenen Jahren ist die Wandlung von einem Gesang der mystischen Opferbereitschaft zu einer unverhohlenen, sexualisierten Gewalt, und sie handeln nun weniger von der religiösen Versenkung als von der Weltherrschaft, die kurz bevor steht. Auch die Naschid spiegeln die Wandlung des IS von einer reinen Terrorgruppe zum Zentrum einer kommenden Terrorherrschaft.

Die Ästhetik des IS ist eine sich gleichsam empirisch entwickelnde Mischung aus traditionellen Rückbindungen und westlicher Popkultur. Die Verzahnung von Schrift und Bild etwa, das Bezeichnen, sogar die Ästhetik des Graffiti, all das taucht im IS-Rekrutierungsumfeld wieder auf. Die Vermischung der Zeichen und Bilder macht den Übergang von der Popfantasie des Kriegers zu der blutigen Realität smooth. Bis jemand bemerkt, dass er nicht in eine weitere Pop- und Symbol-Evasion aus seiner eigenen schmutzigen Realität gelangt ist, sondern in eine noch viel schmutzigere Wirklichkeit, ist es meist zu spät.

 

VI. Fremde als Kanonenfutter

Der (westliche) Nachschub an dschihadistischen Kämpfern in Syrien und im Irak wird nicht nur aus taktischen und propagandistischen Gründen benötigt, sondern auch zur Niederschlagung der Konkurrenz im eigenen Land. Insbesondere die aus der salafistischen Szene in Europa rekrutierten Kämpfer haben auch die Skrupel nicht mehr, Dissidenten und Gegner (Verbündete von einst) zu massakrieren, die anderen Brüder und Schwestern sein müssten. Gerade ihre Fremdheit, neben dem konvertitischen Eifer, wird zur Waffe in einem Krieg, dessen heißer Kern nicht der Kampf gegen den sündigen Westen, sondern die Vorherrschaft innerhalb des politischen Islam ist. Die Fremden werden dabei als Kanonenfutter – oft vergehen nur Wochen, bis ein Neuankömmling ins Selbstmordattentat geschickt wird –, als Propagandainstrumente und schließlich als Disziplinierungselement eingesetzt. Die westlichen Dschihadisten sind in die Gewalttaten des IS eingebunden, sie müssen sich dabei besonders hervortun. Oder sie werden, wenn sie erschrocken über die Realität des Traumkrieges, in den sie aufbrachen, das Weite suchen wollen, selbst Opfer dieser Gewalt. In der anderen, der weichen und fürsorglichen Seite des Kalifats als work in progress haben sie dagegen nichts zu suchen. Sie sind Teil der Gegenwart des IS, Teil der Zukunft sind sie nicht.

Berichtet wird vor allem von zwei Arten von Rückkehrern in den Westen: Jungs (nebst weniger Mädchen) kommen aus dem Dschihad zurück als lebende Zeitbomben, weiter radikalisiert, eingebunden in die globalen Netze des IS und zur nächsten Rekrutierungswelle bereit. Andererseits kehren auch an Leib und Seele gebrochene, radikal desillusionierte menschliche Wracks zurück, denen möglicherweise auf Erden nicht mehr zu helfen ist. Gibt es einen Blick, der den einen vom anderen unterscheiden kann? Wie könnten sich Angst und Mitleid arrangieren lassen, wenn doch eines klar ist: Auch der Rückkehrer ist eine Waffe des Terrors, so oder so.

Von Anfang an bestimmte eine Doppelstrategie die Propaganda des IS, aus den martialischen, für den Westen bestimmten Clips und aus den idyllischen Fürsorge-Propagandavideos, die den IS als Feuerwehr, Medizin und bei der Speisung zeigen. Die Brutalität richtet sich auf den Gewaltbereiten im Westen, aber sie ist auch ein Mittel der Disziplinierung. Die chaotischen Dschihadisten-Gruppen dürfen sich aufführen wie Straßengangs, das schließt die Übergriffe gegenüber Frauen, den Raub nach Bedarf, den Vandalismus insbesondere gegen Kulturgüter und das Verschrecken der Bürger ein. Es muss nur islamisiert sein. Das macht dieses Böse auch sehr rasch extrem banal. In seinem Film Timbuktu zeigt der Regisseur Abderrahmane Sissako, wie eine Gruppe von Dschihadisten im Namen der Religion verkündet, dass Musik, Fußballspielen und Rauchen ab sofort streng verboten sind – und dann verdrückt sich einer der Anführer in den Sandbergen, um eine Zigarette zu rauchen. Und hier sieht man auch, dass der Feind und das, was bekämpft wird, keinem kohärenten Bild folgt. Alles wird Feind, alles muss verboten werden, am Ende das Leben selbst. Aber zur selben Zeit werden den IS-Kämpfern alle technologischen Dinge zum Fetisch, die Waffen, die Transportmittel, die Kommunikationsgeräte. Auch das hat sein Vorbild im Gangster des Westens, der seine destruktive Energie mit der Verfügung über die Technik verbindet. Auf der niedersten Ebene funktioniert der IS als islamisierte Dauerkriminalität. Als autoritär abgesicherte Erlaubnis, alle destruktiven Impulse, alle Psychosen, alle Gelüste zwischen Rache und Selbsthass auszuleben.

Nicht die Lehre ist es, wohl aber das System der Rechtfertigung, was den islamistischen Terror so attraktiv macht. Die Jesiden, sagt dann eine religiöse Autorität, seien eine „heidnische Minderheit“ und „Teufelsanbeter“, deshalb sei die Versklavung, der Verkauf, die Vergewaltigung oder Zwangsverheiratung legitim. Umgekehrt würden sich ja viele Frauen und Kinder zur richtigen Religion bekennen, sodass die Schuld der grausamen Behandlung bei den Opfern selber liege. Dies ist das System der doppelten Entschuldung der westlichen Dschihadisten durch den IS-Terror: Sie befreien sich einerseits von der Schuld, die sie in der Hölle des westlichen Liberalismus auf sich geladen haben, und sie sind andererseits in der Ausübung der neuen Gewalt entschuldet. Während der Westen jeden Menschen mit seiner Schuld (und mit seinen Schulden) allein lässt, nimmt der IS gerade den Schuldigen (und den Schuldner) mit offenen Armen auf und gibt ihm, was er dort ein für allemal verloren wähnt: Heimat.

 

VII.  Terror als Abbild des Kapitalismus

Es ist eine große und furchtbare Spiegelwelt des Terrors entstanden, welcher der ins ausschließlich Ökonomische gekippte westliche Liberalismus wenig entgegenzusetzen hat. So stehen sich dschihadistische Terroristen und neofaschistische Gewalttäter als zwei Symptome derselben Krankheit gegenüber. Beide fühlen sich entweder als Opfer und Verlierer der jeweils nächsten Modernisierungen oder aber als illegitime Nutznießer und Gewinner, die sich – mit Gewalt – entschulden müssen. (Natürlich gibt es auf beiden Seiten auch vollkommen zynische Ausbeuter, skrupellose Machtmenschen und opportunistische Selbstdarsteller, aber sie allein könnten nichts ausrichten ohne jene, die ihnen in geblendetem Gehorsam folgen.) Dass die Terroristen des IS und von Al-Kaida von Regimes finanziell und logistisch unterstützt werden, die eben durch die Modernisierungen und die Kapitalisierungen reich und mächtig geworden sind, ist nicht nur geopolitischem Kalkül, sondern auch diesem Legitimitätskonflikt zu verdanken. In den post-jugoslawischen Staaten ist es ein offenes Geheimnis, dass viele Moscheen und andere Einrichtungen zwischen Religion und weltlicher Macht von jenen kriminellen Gewinnern der Zerfalls- und Modernisierungsprozesse finanziert werden, die ihren Reichtum dem Paktieren mit den Modernisierern des Finanzkapitalismus verdanken. Das bildet sich im Kleinen ab, wenn wir erleben, wie akademisch ausgebildete Menschen gerade aus dem tertiären Sektor – Lehrer, Ärzte, Sozialarbeiter – sich den Terroristen anschließen. Wie sie sich vollkommen zuwider ihrer Berufswahl an Grausamkeit und Selbstdestruktion gegenüber den proletarischen Terroristen, den Verlierern, die eine Heimat zu finden hoffen, hervortun. Der Terror ist nicht die Abwehr einer vormodernen, anti-aufklärerischen und anti-liberalen Bewegung gegen die Moderne, sondern eine gewaltsame Vereinigung mit ihr.

Er ist für den einzelnen das Versprechen, einerseits durch die rigide Religion sein Leben in den Griff zu bekommen, andererseits aber die destruktiven Energien weiter ausleben zu dürfen, wenngleich mit neuer Legitimation. Wenn autoritärer Charakter und kriminelle Energie zusammenkommen, wird ein Führer oder eine Führungsidee, das große Andere gesucht, was die Schandtat erlaubt und sogar belohnt. Die wenigen Dokumente, die aus den Kommandozentralen und den Alltagsstrukturen des IS bekannt geworden sind, zeigen – wie etliche Gewalttaten an Deserteuren –, dass sich für nicht wenige der jungen Dschihadisten aus dem Westen die schmutzige Realität sehr anders darstellt als die erhoffte Erlösung. So werden sie von einem Brandbeschleuniger des Terrors zu einem Problem der terroristischen Ordnung. Aber was dann?

Der Widerstreit der ganzen Bewegung, den globalen Kapitalismus zugleich zu bekämpfen und ein perfektes Abbild, sein Kind zu sein, wiederholt sich in jedem Krieger. Daher ist die konsequenteste Form seiner Erlösung die Explosion. Das Blutbad. Seiner Realisierung ist eine lange Konditionierung vorangegangen, die ihre Wurzeln zugleich in der westlichen Pop- und Alltagskultur und dem Versprechen der radikalen Alternative dazu hat. Und einem unlösbaren Widerspruch in der sozialen Biografie. In jeder Hinsicht eine Erfahrung von Fremdheit, der mit den Mitteln, die diese Gesellschaft zulässt, nicht zu begegnen ist.

 

VIII. Die Figur des Kriegers

Der große Traum vieler westlicher Dschihadisten ist es, dort drüben zu einem Krieger zu werden. Zu einem autonomen, phallischen, durch den Tod der anderen unsterblichen, in sich selbst gerechtfertigten und gefürchteten Über-Menschen. Die Fantasie vom Krieger ist in der westlichen Popkultur vorgezeichnet (hier und da angesehen als eine jener adulten Transitfantasien, durch die man hindurch muss, möglichst ohne darin stecken zu bleiben). Obwohl die Militärs in Frankreich, England, den USA oder Deutschland ganz unterschiedliche Soldatencharaktere hervorbringen, ist ihnen doch eines gemeinsam: Für welche Mission sie kämpfen, bleibt oft im Vagen. Gleichsam macht die Armee nicht mehr dieselben Angebote wie einst. Das Soldatentum wird weiblicher, unkörperlicher, technologischer, abhängiger. Die Bundeswehr beispielsweise, die sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vorstellt, ist offensichtlich vor allem ein Instrument der Biopolitik, furchtbar genug, und doch wenig attraktiv für den Mann, der glaubt, nur überleben zu können, wenn er sich in den Krieger verwandelt.

In seinen Grundlagen ist das Selbstverständnis des Kriegers gleich, egal ob es sich um einen neonazistischen Kameraden, einen Kämpfer im Heiligen Krieg des IS oder das Mitglied einer kriminellen Gang handelt. Ein Krieger ist der Ehre und der Gemeinschaft verpflichtet, der Soldat der Hierarchie; der Krieger ist spirituell und asketisch, der Soldat steht unter Drogen und folgt nur dem Apparat; der Krieger ist Körper, der Soldat ist Maschine; ein Krieger ist die vollständige Verwandlung, Soldat ist man auf Zeit und bleibt immer halb Zivilist; Krieger sind männlich (auch Kriegerinnen sind männlich), Soldaten sind Neutren. So geht das fort. In den Fantasy-Epen, in den Verschwörungsfantasien, in den Rekrutierungsmedien von Nazis, Dschihadisten und Gangstern.

Der Wille zum Kriegersein steckt in unserer teils verdrängten, teils selbst wieder zur Ware gewordenen Fantasietätigkeit, in Filmen, Computerspielen, Sportkulten. Der Krieger ist ein archaisches Gegenbild zum technisch und organisatorisch mechanisierten Soldaten, und wenn man die Bemühungen von Ursula von der Leyen und ihren Mitstreitern um die Attraktivität der Bundeswehr als Berufsfeld ansieht, erkennt man auch eine Entkriegerisierung des Soldaten und der Soldatin, die dabei sogleich in vollkommen neue Konfliktfelder geraten. Je fremder der Soldat und die Soldatin in der Welt bleiben müssen (und in die Fremde müssen sie, das ist das Ziel der Umwandlung), desto mehr sollen sie an die Heimat gebunden werden, die sie für eine Zeit verlassen müssen. Beim Krieger verhält es sich genau umgekehrt: Den Verlust, das Nichtzustandekommen von Heimat beantwortet er damit, dass er die Fremde als Heimat akzeptiert, in die er sich einschreibt: Beginnend mit Worten, endend mit Blut. Dem Terroristen beziehungsweise Gotteskrieger wird die Verwandlung in den Krieger auf schnellstmögliche Weise versprochen, jenes vollkommen körperlichen und autarken Helden, der, ganz im Gegensatz zum verlustängstlichen Soldaten, zum Töten so sehr wie zum Sterben bereit ist. Das Selbstmordattentat ist die konsequenteste und rascheste Erfüllung dieses Kriegertraumes, und zwar – im zynischen Blick der Führer der Bewegung – insbesondere für jene, die man ansonsten nicht besonders gut gebrauchen kann. Ob es manchen noch zu Bewusstsein kommt, wie absurd die Erlösung im Kriegerstatus durch die Selbstauslöschung im Massenmord ist? Einige Dokumente scheinen auf so etwas hinzuweisen.

Vorstellbar genug ist die Konfrontation zweier Menschen in der Fremde. Krieger und Terrorist der eine, Soldat und Besetzer der andere. Wie groß wird das Entsetzen sein, wenn sie ineinander das Spiegelbild erkennen?

 

IX. Triumph der Bluttat

Aber es gibt kein Zurück. Nicht für den Terror als System und nicht für den Einzelnen. Das ist die Aussage der barbarischen Gewaltvideos: Es gibt kein Zurück! Jede Bluttat des Kriegers besiegelt die Unmöglichkeit seiner Rückkehr in die zivile Gesellschaft. Es ist das Wesen des Kriegers, dass er nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst erschrecken muss. Soldaten mögen aus Vergnügen töten, der Krieger tut es mit heiligem Ernst. Seine Lust dabei soll nicht sadistisch, sondern vollkommen narzisstisch sein.

Diese blutige Propaganda spielt, wie wir wissen, für viele dieser selbst ernannten Gotteskrieger eine bedeutende Rolle. Die richtigen Bilder treffen auf die richtigen Psychosen. Dass die Enthauptung dabei eine solche Rolle spielt, drückt noch einmal die Idee des barbarischen Kriegers aus, der seinen Gegner nie einfach nur töten kann, sondern immer eine symbolische, rituelle Handlung vornehmen muss. Der Steigerungslogik folgt das Verbrennen des jordanischen Piloten bei lebendigem Leib, ein Bruch noch nach dem Bruch. Wie weiter? Und wo gibt es einen Punkt, an dem die Grausamkeit nicht mehr attraktiv, sondern nur noch abstoßend ist? Die Propagandamaschine des IS ist in der eigenen Falle gefangen, und die Ästhetik des Zivilisationsbruchs droht vom einigenden zum spaltenden Element zu werden.

Wie es im Faschismus der Fall zu sein pflegt, so nährt sich auch diese Bewegung von der Angst, die sie verbreitet. Der Krieger erkennt sich in der Angst jener, die ihn einst fesseln wollten (die ihn zum Verlierer der Modernisierungen machten), und er muss diese Angst immer wieder aktualisieren. Er erkennt seinen „Abjektiven“ (all dem, was nach Julia Kristeva, weder Subjekt noch Objekt sein kann) und allem was ihn peinigte (und viel mehr: was ihn zu peinigen schien) das Mensch-Sein ab. Das Wesen des Kriegers besteht also offenbar darin, beim Töten nichts zu empfinden außer dem Triumph. Empathie und Ekel gleichermaßen sind geschwunden, wenn es um das Anrichten eines Blutbades geht. Dieses Blutbad ist keine gezielte Aktion, keine Rache und kein taktischer Schlag gegen einen Feind, abgesehen von einer weiteren kleinen Legitimation am Rande. Es ist vielmehr eine Botschaft an die Welt, gesendet von einem Menschen, der sich von ihr zutiefst gekränkt und verraten fühlt. Es spielt nicht die geringste Rolle, dass es sich bei den Opfern um Unschuldige, möglicherweise sogar um eigene Leute handelt. Ja, dieses Blutbad, das im Wesentlichen alle treffen soll, ist sogar inszeniert, um die Unschuldigen dieser Welt zu treffen. Oder anders gesagt: Um die eigene Entschuldung voran zu treiben, muss der Terrorkrieger der ganzen Welt das Recht auf Unschuldigsein absprechen. In seiner Bluttat hebt der Terror-Krieger das Gefasel von Ehre und Wert vollkommen auf.

Der Krieger will sich durch seine Tat den Rückweg in die zivile Gesellschaft unmöglich machen. Er benötigt die Bluttat, um seinen Bruch zu besiegeln und zu rechtfertigen. Wie aber entstand dieser Bruch?

 

 X.  Die Rache der Überflüssigen 

Der Niedergang des politischen Liberalismus zugunsten des Aufstiegs des ökonomischen Liberalismus im Westen schloss nicht nur viele Menschen, sogar neu entstehende Klassen, sondern auch viele Lebensentwürfe, Idealismen, Wertesysteme aus. Der Finanzkapitalismus erschafft eine wachsende Anzahl überflüssiger Menschen. Er kümmert sich nicht um sie, und er ist, wie es scheint, zufrieden, wenn er die verschiedenen Gruppen überflüssiger Menschen aufeinander hetzt. Allerdings sind die überflüssigen Menschen auch ein grandioser Magnet für einen ganz andere Figur der zerfallenden Demokratie: den Rechtspopulisten, den charismatischen Vereinfacher, den Hassprediger. Die überflüssigen Menschen sind ökonomisch nichts wert, sie sind aber politische Manövriermasse von höchster Brisanz. Außer ein paar polizeilichen und geheimdienstlichen Maßnahmen fällt Europas postdemokratischen Regierungen bezeichnenderweise nicht das Geringste ein, sich mit dieser politischen Brisanz auseinanderzusetzen. Und in den Ländern, in denen Bewegungen wie der IS und Boko Haram buchstäblich an Boden gewinnen, sich von der rein terroristischen Bewegung schon in staatliche und gesellschaftliche Vorformen verwandeln, verbündet man sich weiterhin eher mit Despoten und korrupten Herrschern als mit demokratischen und zivilgesellschaftlichen Bewegungen.

Dass sich der Hass der fundamentalistischen Bewegungen und die Stoßrichtung des terroristischen Kriegers nicht gegen einen manifesten Feind, sondern eher gegen ein vages Empfinden, den westlichen Liberalismus richtet, ist da nicht weiter verwunderlich. Dieser Liberalismus, in seiner jetzigen Form, tut nichts für die Menschen, kämpft für nichts und um nichts, und die Freiheit hat sich in ein obszönes Spiel verwandelt, in dem alles käuflich und nichts mehr lebendig ist.

Die Werte, die es in der politischen Rhetorik zu verteidigen gälte, gibt es weder in der Tiefe (es gibt sie nicht für alle), noch in der Breite (sie gelten nur sehr relativ), noch in der Höhe (beim Geld hört es mit den Werten sowieso auf). Die moderne, postdemokratische Gesellschaft des Finanzkapitalismus ist nicht das Böse, wie es die Fundamentalisten meinen, sie ist freilich eine, die sich selbst nicht erklären kann. Die Repräsentanten dieser Gesellschaft sind daher, gerade wenn sie Gemeinsamkeit und Wert einfordern, noch von schlichteren Gemütern als Heuchler erkennbar. Es gibt keine verbindlichen Werte für eine solch komplizierte Gesellschaft. Aber so wenig sich diese Gesellschaft selbst erklären kann, so wenig kann sie ehrlich zu sich selbst sein. Ironie, Mehrdeutigkeit, Frivolität, Unentschlossenheit, Maskerade und Karnevalisierung sind nicht einfach Symptome einer solchen Gesellschaft, sondern ihr innerster Kern. Wer etwas ernst nehmen will, der muss es sich auf dem Sinn- und Bildermarkt selbst besorgen, natürlich im Konformismus-Dekret. Er kann sich dann den FC Schalke oder Helene Fischer zum heiligen Wert küren, bei dem für ihn jeder Spaß aufhört. Aber auch solche künstlichen Kleinreligionen sind selten mehr als zeitweilige Entlastung. Wirkliche Erlösung bringen sie nicht.

Der schiere Entschluss, irgend etwas (jenseits des Geldes und der Macht an sich) ernst zu nehmen, führt den Menschen in einer solchen Gesellschaft ins Abseits. Selbst wer sein politisches Recht in Anspruch und den Liberalismus beim Wort nimmt, riskiert sein Leben, weil ihn einerseits sein Staat gegen die jeweilige Gegenkraft nicht in Schutz nehmen kann (und es oft auch gar nicht will), und weil ihn andererseits der Staat selbst verfolgt, wenn er gegen die Interessen der ökonomischen Oberschicht verstößt. Da es den Weg zur Radikalisierung (also zum Versuch, an die Wurzeln des Übels vorzudringen) nicht mehr gibt, bleibt nur der Weg zum Extremismus. Dieser Extremismus besteht darin, dass der Liberalismus nicht mehr auf seine Defizite hin untersucht, sondern ganz und gar abgelehnt wird.

Slavoj Žižek macht den Aufstieg sowohl der neofaschistischen als auch der islamistischen Terrororganisationen an dem Fehlen einer linken Alternative fest. Das Scheitern aller linken Projekte – sogar noch der bescheidensten sozialdemokratischen Zähmungen des Finanzkapitalismus – ist nicht nur ein politisches, sondern auch das Scheitern einer Erzählung, das einer Ästhetik. Wohin mit der Unzufriedenheit, den Widersprüchen, den Hoffnungen, dem Erfahrungshunger, der Persönlichkeitsbildung, wenn das System alle linken Möglichkeiten durch seine Blödmaschinen unterbunden hat, alle kritische Veränderung durch die alternativlosen Dogmen des Neoliberalismus? „Ist der Aufstieg des radikalen Islamismus nicht Korrelat zum Verschwinden der säkularen Linken in muslimischen Ländern?“, fragt Žižek, und man könnte diese Frage fortsetzen: Ist das Aussteigen in einen neofaschistischen oder in einen islamo-faschistischen Terror nicht Korrelat zur Unmöglichkeit, sich in einer postdemokratischen Gesellschaft, die nur noch dem Wohlergehen von Banken und Konzernen verpflichtet zu sein scheint, ein Projekt der Modernisierung, des Kampfes um Gerechtigkeit zu denken?

Nicht, dass ein solches Modell die Entwicklung zum islamistischen oder neofaschistischen Terroristen im Einzelfall erklären würde oder gar die Täter von ihrer persönlichen Schuld entbände. Es beschreibt indes die Unfähigkeit der Mehrheitsgesellschaft, sich mit einer strukturellen Produktion von mehr oder weniger politischen Gewalttätern in ihrem Inneren auseinanderzusetzen. Entgegen dem Fantasma des Terrokriegers ist der Liberalismus nicht unlebbar, weil er so weich ist, sondern im Gegenteil, weil er so erstarrt ist.

Die Mischung aus Gewalt und Frivolität, die vom medialen und elektronischen Konformismus ausgeht, übt einen gewaltigen Druck aus, aber ebenso der rapide Werteverfall von Sinn-Systemen. Damit ist nicht nur die nationale parlamentarische Demokratie gemeint, sondern auch solche Systeme wie der Sport, der zwischen Steuerhinterziehern oben und neofaschistischen Hooligans unten zerbricht, der mit Katar paktiert, als wüsste niemand, was dort abläuft (auch an Unterstützung für Milizen). Oder das Entertainment, das längst keine moralischen Vorgaben mehr entfaltet, wie es das noch in den sechziger und bis in die siebziger Jahre hinein tat, sondern ausschließlich nach dem Al-Capone-Prinzip funktioniert: Die Leute wollen es, wir besorgen es ihnen. Damit freilich wird der Bilder- und Mythenbrei zum Dissoziationsmedium schlechthin. An die Stelle der großen Erzählungen treten Rituale der gegenseitigen Verachtung. Unterhaltung besteht nun zum großen Teil aus Installationen, in denen Menschen gezielt die Würde genommen wird. Sie nimmt zwar die großen Psychosen dieser Gesellschaft auf, um sie in der Mitte aufzulösen, zugleich aber werden sie an den Rändern verstärkt. Immer wieder dient diese (Selbst-) Erklärung jenen Menschen, die sich dem einen oder anderen Extremismus verschreiben: Dass es einen Ekel gab, gegenüber dieser Mainstream-Bilderschleuder, von der man sich gleichwohl abhängig wähnte – und es blieb.

 

XI. Kriminelle, Dschihadisten, Neofaschisten

Das größte Propaganda-Werkzeug freilich ist nach wie vor der Erfolg und der Schrecken, der dabei verbreitet wird. Nur hier, so das Versprechen, werden die Ohnmacht und die Minderwertigkeit überwunden und direkt in Allmacht verwandelt. Der arabischen Welt ist längst klar, dass der Mangel an Ausbildung, Zukunftsperspektiven, Jobs und Partizipation ein Nährboden für den islamistischen Terror ist. Das ist mittlerweile selbst in den konservativen Herrscherhäusern angekommen. Aber auch in Europa ist dieser Nährboden bereitet, und manchmal ist es eher Zufall, ob ein Jugendlicher in der organisierten Kriminalität, in der neofaschistischen Szene oder bei den Salafisten landet. In allen drei Subkulturen herrschen ähnliche Regeln, ähnliche Werte, werden ähnliche Positionen besetzt. Und es sind ähnliche Mechanismen der Radikalisierung, die da herrschen.

Da man an das Gesetz so wenig glauben kann wie an den Diskurs, spielt eine Konstruktion von Ehre und Respekt eine Schlüsselrolle. Sie wird in der einen Subkultur dem jeweilig Ranghöheren (und dem besser bewaffneten) zugesprochen, in den anderen einer Fiktion wie Rasse oder Religion. Die Verweigerung von respect oder die Kränkung ist dabei mehr oder weniger vorprogrammiert, sie wird provoziert. Die Kränkung rechtfertigt nahezu alles, und es ist kaum zu sagen, ob die Kränkung den Gewaltausbruch erzeugt, oder der Gewaltausbruch nur nach einer geeigneten Kränkung sucht. Dabei wird schon bald kein Unterschied mehr zwischen einer beabsichtigten oder einer versehentlichen Kränkung gemacht: Einen zum Terror oder zur spontanen Gewalt bereiten Menschen beruhigt man nicht, indem man auf eine Kränkung verzichtet, denn er wird automatisch das Kränkungslevel herabsetzen. Er benötigt die Aktualisierung der Ohnmachtserfahrung, um sich in seinen Allmachtsrausch zu begeben.

Die Kränkung liegt nämlich viel tiefer, sie steckt in der Seelenarchitektur des Kriminellen, des Dschihadisten und des Neofaschisten. Tatsächlich besteht diese Kränkung in der Freiheit selbst, in einem Gesetz, das dem Schwachen, dem Weiblichen, dem Intellektuellen, dem Liberalen, dem Selbstbestimmten Vorteile zu verschaffen scheint. Man fühlt eine Stärke, die einem nichts nutzt. Die Kränkung liegt in einem Mangel an Aufmerksamkeit, in der Überflüssigkeit. Um die Gekränkten für seine Ziele einzunehmen, muss man dieses Empfinden, schlecht behandelt und übersehen zu werden, nur noch verstärken und ein Gegenmittel versprechen.

Es ist überdies eine unerträgliche Double-Bind-Situation für viele, die zwischen den Ansprüchen der Familie und der alten Kultur einerseits und den Ansprüchen des Alltags und der noch so bescheidenen Karriere andererseits entsteht. Es ist der Widerspruch zwischen Maske und Identität, der nicht auszuhalten ist. Nur wenigen Glücklichen gelingt es, in zwei Kulturen zu leben, viele Unglückliche sehen sich in zwei Kulturen scheitern. Und die Mehrheitsgesellschaft hilft nicht, diese Spannung zu ertragen, sie forciert sie im Gegenteil. Da muss einer hinaus, mit aller Gewalt.

Es ist nicht das Verbrechen, es ist nicht der Islam, und es ist nicht die nationalsozialistische Ideologie. Es ist die Gewalt, die man im jeweiligen Namen ausüben darf und die man aus der eigenen Biografie heraus anwenden muss. Im Aufeinandertreffen von Liberalismus und Tradition – sei es die der rechtgläubigen islamischen Tradition, sei es die des deutschen Kontinuums von Wir und die Fremden – geht es stets um einen biografischen Bruch. Dschihadisten, kriminelle Karrieristen oder Neonazis sind alle hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihren Eltern und dem Versuch, sich von ihnen zu befreien. Und die Gewalt, die einem übrig bleibt, scheint beides miteinander zu verbinden. Man wählt die Mittel des einen und die Inhalte des anderen. Man will sich durch Unterwerfung befreien. Es kann kein glückliches Ende geben.

 

 XII. Helden und Ungeheuer

Eine Armee der Überflüssigen entsteht weltweit, und sie hatte bislang Tausende Gesichter. Sie formt sich nun mehr und mehr zu den beiden Heeren der islamistischen und der Neonazi-Faschisten oder der rechtschristlichen Fundamentalisten. Beide Heere erkennen einander nur zu gut. Sie wissen, dass sie in einen Spiegel blicken, und sie müssen die anderen hassen, weil es um die letzte große Konkurrenz geht. Der überflüssige Mensch will wieder Krieger werden, so wie er ihn aus den Mythentrümmern der populären Kultur kennt, Conan, Rambo und wie sie heißen, die Krieger in der postheroischen Zeit, die den radikalsten Bruch mit ihrer Gesellschaft und Kultur vollziehen müssen. Die Helden in der postheroischen Zeit werden nicht von den Göttern gezeugt, sondern von den Gesellschaften, die sie überflüssig machten. Den Menschen überflüssig machen, sagte Hannah Arendt, ist das absolut Böse in der Welt.

Das Selbstmordattentat ist zugleich Bestätigung der Überflüssigkeit und Revolte gegen sie. Die Bereitschaft dazu scheint beinahe so groß zu sein wie die Sehnsucht nach dem Kriegerwerden. Man behauptet dort, dass die Zahl der zum Selbstmordattentat bereiten Dschihadisten aus Deutschland um ein Vielfaches größer sei als die der tatsächlich eingesetzten. Allein aus Deutschland sollen sich im Jahr 2014 neun Selbstmordattentäter mit ihren Opfern in die Luft gesprengt haben. Nachprüfbar ist das natürlich nicht. Doch die Vorstellung allein genügt, um das Selbstbewusstsein einer Gesellschaft zu erschüttern. Wie und warum gebiert sie solche Ungeheuer? Wir schalten um zu einer Talkshow.

 

XIII. Gewalt als Ventil

Die Disposition zum politisch oder religiös motivierten Gewalttäter ist zugleich eine individuelle, soziale und kulturelle Krankheit. Es funktioniert das Individuum nicht, es funktioniert aber auch die Familie, das Rechtsgut der Tradition nicht wirklich, und es funktioniert auf Dauer auch die Gang nicht. Das System, was immer man sich darunter vorstellt, funktioniert sowieso nicht: Gesellschaft, die statt des Konformismus den moralischen Konsens bilden könnte, existiert nicht mehr. So entsteht dann diese andere, die inversive Gewalt, die Gewalt an den Mitgliedern, die ausbrechen wollen, vor allem an den Frauen, sogar und nicht zuletzt die Gewalt gegenüber jenen, die Kompromisse und Dialoge suchen. Gerade sie sind gefährdet, denn sie werden als Überträger des Gifts des Liberalismus angesehen. Wie Vermischungen, Unreinheiten, Dialoge. So wie man auf Kränkungen wartet, wartet man auf den Verrat. Und entsetzt die Gesellschaft, oder was von ihr blieb, neben dem Terror des Dschihad mit dem Ehrenmord am eigenen Familienmitglied, wie an Freunden und Weggefährten. Auch diese innere Gewalt gibt es bei den Gangstern, bei den Neonazis wie bei den Dschihadisten. Es gehört eben zum Es-gibt-kein-Zurück, wenn man auf die andere Seite gewechselt ist.

Wer sich fremd im eigenen Land fühlt, der tut sich entweder mit den Nazis zusammen, jenen, die das Fremde aus dem Land jagen oder gleich vernichten wollen, oder mit den Dschihadisten, die das Fremdsein umwidmen in einen Heiligen Krieg gegen das, was fremd macht, und für das, was eine Heimat verspricht. Prävention ist nicht nur deswegen so schwierig, weil die Wandlung oft so rasch vonstatten zu gehen scheint, dass nicht einmal die Eltern etwas mitbekommen, bevor es zu spät ist. Die Entsolidarisierung der Gesellschaft erzeugt einen ungeheuren Druck auf die Verlierer wie auf die Gewinner, beide leiden unter demselben Syndrom, die Ungerechtigkeit, die Fragilität, die Sinnlosigkeit von Aufstieg oder Niedergang. So entstehen Bewegungen, die jenseits ihres psychotischen Kerns zwar politisch, niemals aber sozial sind. Die Übernahme von Symbolen oder Riten einstiger revolutionärer Bewegungen ist demnach genau so funktional und formal wie die Übernahme der Pop-Elemente.

Aber alldem ging ja immer das Empfinden eines unlebbaren Lebens voraus. Was immer man macht, es ist ein Verrat, entweder ein Verrat an der Familie, oder ein Verrat an der eigenen Person, oder ein Verrat an den Möglichkeiten der neuen Gesellschaft, in der man das Fremdsein eben aushalten muss, oder es ist Verrat an einer religiösen Konstruktion, der man nur halbherzig, betrügerisch gefolgt ist. Nur Kontrolle und Selbstkontrolle können helfen, aber die Situation macht damit nur umso mehr krank. Die Gewalt ist ein Ausweg. Sie entlädt die Widersprüche und sie kanalisiert das Unterdrückte. Antisemitismus und Homophobie (was allen diesen Subkulturen eigen und einend ist) müssen in dieser Situation als Abwehrreaktion her; die Schwulen und die Juden (die Satiriker und die Intellektuellen) sollen Ausdruck und Agenten jenes Liberalismus sein, den man verantwortlich dafür macht, dass man kein ganzer Mensch hat werden können. In der Gewalt gegen sie will man als Mann wiedergeboren werden.

 

XIV. Politische Ökonomie des Terrors

So konkurrieren drei Subkulturen um die Jugend Europas, die sich vom Liberalismus ab- und ausgestoßen fühlen muss; die kriminelle, die neofaschistische und die islamistische. Es gibt genügend Biografien, die gleich durch mehrere dieser gewalttätigen Subkulturen führen. Es kommt auf die Attraktoren an, welche der Subkulturen den meisten Zulauf hat. Zweifellos haben die islamistischen Rekrutierungsformen in den letzten Jahren enorm aufgeholt. Wenn ein einziger Vorort, das mittlerweile berühmt-berüchtigte Lohberg in Dinslaken, eine islamistische Zelle bilden kann, dann hat das mit der Jugendarbeitslosigkeit so viel zu tun wie mit dem Wirken eines speziellen Hasspredigers, der sich in den Dienst von IS-Beziehungen stellte. Allein von hier aus sollen 20 junge Männer für den Dschihad rekrutiert worden sein, einer von ihnen hat bei einem Selbstmordattentat den Tod von 21 Menschen verursacht. Vier Mitglieder der „Brigade Lohberg“ sind tot, vier sind mehr oder weniger kaputt zurückgekehrt. Es ist der Konvertit, der bekanntlich besonders fanatisch sein muss, um anerkannt zu werden. Doch oft genug ist es auch banaler Gruppenzwang, der da wirkt, unbeachtet von einer Mehrheitsgesellschaft, die ihren Geschäften nachgeht.

Natürlich gibt es in allen diesen Szenen auch sehr triviale Gründe, von denen das Geld nicht der unwichtigste ist. Die Szenen ernähren ihre Kinder, sie ernähren sie durch den Terror selbst und durch den Nachwuchs. Jede Terrororganisation ist auch ein Schneeballsystem. Sie muss wachsen, um sich zu ernähren. So schließt sich der Kreis zwischen psychotischer Gewalttat und rationaler Rekrutierung zu einer politischen Ökonomie des Terrors. Ihr Rohstoff ist soziale Depravation, psychotische Vergiftung des Subjekts und moralisches Schuld/Schulden-Dilemma; ihre Maschinen sind Terror, Krieg und Propaganda, ebenso aber auch Geldmaschinen, die direkt der organisierten Kriminalität entlehnt sind, und ihr Produkt ist einerseits Erlösung (im doppelten Tod des Subjekts und in der Bluttat) und andererseits, furchtbarste Trivialität von allen, eine neuerliche Form von Gewaltherrschaft.

Die Organisation gibt den jungen Männern offenbar was ihnen fehlt, nicht nur das Harte, die Gewalt, das Heldische, das Phallische des Kriegers, sondern auch das Weiche, die Heimat, Fürsorge, das Empfinden, angenommen und geschätzt zu werden. Vor allem wird einem genommen, was man im alten Leben nicht gebrauchen konnte, diese negative Freiheit. Jede Minute, jeder Aspekt des Lebens wird geregelt, das, was man im Überfluss bekam, dieses Gefühl, selbst für alles verantwortlich zu sein, das wird hier suspendiert. Da funktioniert eine Terrorgruppe zunächst nicht anders als eine therapeutische Einrichtung.

Die mediale Selbstbespiegelung ist ein wesentlicher Bestandteil. Man bringt dieses mediale Geltungsbedürfnis mit, ebenso wie die Angst, den Hass, der endlich ein Ziel bekommt. Aber es ist nicht die reine Fanatisierung; offenbar hat sich ein Belohnungssystem etabliert, man bekommt etwas dafür, wenn man sich besonders erbarmungslos zeigt. Zu den männlichen Outlaw-Mythen gehört natürlich auch das sexuelle Versprechen, die Frauen der Unterworfenen. Vor allem aber sendet man eine Botschaft back home: Der Bruch ist vollzogen. Es gibt kein Zurück mehr. Der Weg vom Wort zum Blut ist geschafft. Einerseits. Und andererseits: Jetzt zollt ihr mir den Respekt, den ihr vorher verweigert habt. Und in dem martialischen, von nichts und niemandem mehr zu verzeihenden, blutigen Zivilisationsbruch hören wir noch das Schluchzen eines verzweifelten, kranken und missbrauchten Kindes, das kein Gotteskrieger, sondern nur ein Mörder werden konnte.

 

XV. Schauen wir in den Spiegel

Können wir verstehen, was da geschieht? Dass sich hinter der Maske des Dschihadisten aus Europa auch ein Spiegel verbirgt? Zu analysieren ist indes nicht nur das Entstehen dieser Situation, die uns im Sinne von Hannah Arendt bloß entsetzen kann, sondern vielmehr auch die vollkommene Gleichgültigkeit oder mehr noch, die geile Reaktion des gezielten Unverstehens in der Mehrheitsgesellschaft. So als käme ihr das alles gerade recht. Beginnend mit Worten, endend mit Blut.

Georg Seeßlen

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf DIE ZEIT online 15-02-2015