Wikipedia: Als Schnösel wird umgangssprachlich ein arroganter Mensch, ein dummfrecher Bursche, bezeichnet. Als eingebildet und eitel, dabei aber übersättigt und gleichgültig wird dieser Typus beschrieben.

Jessas, was ist jetzt wieder mit denen los. Dauernd schimpfen sie nur über ihre Nachbarn. Lauter Ausländer, die sie ausgrenzen wollen und nix lernen wollen, mit Kopftüchern laufen die rum, da traut man sich ja abends gar nicht mehr auf die Straße. Aber das macht ja nichts, weil, man sieht ja auch im Fernsehen wie es ist auf der Welt. Heutigentags.

Und außerdem muss die Familie schauen wo sie bleibt. Das ist auch nicht immer leicht, so wie es da zugeht, das sage ich Ihnen. Da will der eine das und der andere dies und die dritte wieder was ganz anderes. Ich glaub’, die schimpfen bloß auf die Nachbarn, weil sie selber so viel Ärger miteinander haben.

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Rechts von uns darf es keine Arschlöcher geben, sagt der Horst,

ja gut sagt die Familie, dann machst halt du das rechte Arschloch.

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Der Guido, zum Beispiel. Der passt doch einfach gar nicht richtig in die Familie. Ich mein, nicht wegen dem, Sie wissen schon. Sondern weil er es halt so mit dem Geld hat, immer mit seiner Wirtschaft. Schauen Sie sich den Filialleiter von unserer Raiffeisenbank an. Wenn da ein Volksfest ist, da redet der doch auch nicht von Zinsen und Gewinnmargen. Da hat er ein volkstümliches Gewand an, und da trinkt er ein Bier. Da ist er eben kein Schnösel mehr. Aber der Guido? Der ist immer ein Schnösel, der kann nicht einmal aufhören, ein Schnösel zu sein, wenn er um die Welt reist. In China: Schnösel. In Indien: Schnösel. In Amerika: Schnösel. Am schlimmsten aber ist es, wenn einer auch mitten beim Volksfest noch ein Schnösel bleibt. Das kann einem richtig peinlich werden.

Dagegen der zu Guttenberg. Gutti, wie wir sagen. Das ist auch ein Schnösel. Das ist vielleicht ein größerer Schnösel als der Guido. Aber was für einer! Der kann es halt. Weil Schnösel muss man können. Ein guter Schnösel ist einer, der seine ganze Umgebung verschnöselt, so dass man es fast gar nicht merkt. Nicht so: hier ich, und ihr da. Sondern: wir alle Schnösel. Vereinte Schnösel! Immobilienblase? Finanzkrise? Hartz IV? Afghanistan? Wird fachgerecht verschnöselt. Eben auf nette Art, wie im Fernsehen. Da macht es nichts, wenn du ein Bier trinkst. Und das Gewand passt natürlich immer zu einem Adeligen, weil der muss ja nichts, der kann alles. Und hat immer das richtige Gesicht zum Ernst der Lage. Natürlich mit der richtigen Schnöselfrau. Schauen Sie, die jagt jetzt in der Bild-Zeitung und im Fernsehen Kinderpornos. Haben Sie da was dagegen? Sind Sie vielleicht für Kinderpornos. Und so einen Rechtsstaatsscheiß. Also dann brauchen wir gar nicht weiterreden.

Früher haben die Adelsfrauen für die Kirche gespendet oder junge Künstler gefördert. Oder eine Fuchsjagd, das war aber gegen den Tierschutz. Jetzt jagen die Adelsfrauen Kinderpornos, das ist auch gut und macht doch mehr Spaß. Ich meine, Spaß ist jetzt ein falsches Wort. Aber Sie verstehen schon, wir sind halt beieinander und wissen, gegen wen wir sind und müssen nicht immer nur gegen die Ausländer, weil das sind ja vielleicht auch bloß Menschen. So wie Füchse halt. Aber wenn da ein Pädophiler, so heisst das, ein Pädophiler bei Aldi an der Kasse… Das müssen wir uns nicht gefallen lassen, dazu haben wir die Stephanie zu Guttenberg im Fernsehen. Und das Buch hab ich auch schon. Gleich mit dem Sarrazin gekauft. Also billig ist das jetzt grad nicht, aber man muss sich doch informieren, gell. Vielleicht les ich das im Urlaub.

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Die Angela, die hat keinen Spaß beim Regieren,

das darf die gar nicht, schon wegen ihrer Religion.

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Also: Der Gutti ist ein Guter, auch wenn er ein Schnösel ist. Nein, WEIL er ein Schnösel ist, ein guter Schnösel. Ein schlechter Schnösel ist einer, der so für sich selber dahin schnöselt. Da kommst du dir vor wie ein Depp, der die falsche Krawatte an hat oder die falsche Frau oder was. Ein guter Schnösel aber sagt, schau her, so leicht wird man ein Schnösel. Wenn es einem halt im Blut liegt. Solche Schnösel sind unheimlich sympathisch, und sie haben eine Power und eine Powerfrau. Und die Deppen sind die anderen. Der Gutti, das ist ein Schnösel, den man gern in der Familie hätte. Der sagt nix Falsches und der hat keine falschen Freunde. Braucht er ja auch nicht, da in seinen Schlössern.

Ich sage Ihnen, das ist so schwierig geworden, mit dem Vornehm-Sein. Oder bloß anständig reden. Das anständig reden das hat die Angela ihrer Familie nicht beibringen können. Ums Verrecken nicht. Also bei uns, da hätte man uns Kindern das Maul mit Seife ausgewaschen. Aber jetzt wollen sie alle volkstümlich sein. Die größten Schnösel wollen am meisten volkstümlich sein. Da lache ich ja. Und die größten Deppen wollen Schnösel sein. Da lach’ ich erst recht.

Und da denke ich jetzt an den Markus Söder. Der wäre auch gern ein Schnösel. Aber der ist einfach zu blöd dazu. Weil ein Schnösel, der muss ja immer irgendwas wissen, was die anderen nicht wissen. Oder so tun. Der hat immer so ein paar Worte parat, so systemrelevant oder demographischer Wandel. Und schauen tut der gute Schnösel, als täte er dir richtig zuhören, wüsste aber schon was du sagen willst und hätte das auch schon bedacht. Aber der Söder, der weiß noch nicht einmal das, was alle anderen wissen. Und darum ist er natürlich dauernd beleidigt. So wird das nie was mit dem Schnösel. Schnösel, wie gesagt, muss man können. Schimpfen auch. Schauen Sie doch den Horst an. Wenn der auf die Ausländer schimpft, das hört sich doch an wie ein Dackel, der dem Kind vom Postboten in den Wadel beisst, weil er sich beim Postboten selber nicht traut. Bloß freuen, wenn Frauchen sich ärgert, das tun sie gern, die Wadelbeißer-Dackel.

Aber ehrlich, er kann einem ja auch leid tun. Der Horst, der wäre gern so wie einmal ein anderer gewesen ist. Aber das ist so, wie wenn ein Taschendieb sich gleich Al Capone nennen wollte. Und der Horst, der will auf gar keinen Fall ein Schnösel sein. Und das ist auch falsch. Weil, was willst du ohne Schnöseligkeit in einer Schnöselwelt? Ganz ohne Schnöseligkeit kommst du heutzutage höchstens ins Reality-Fernsehen. Und das ist schön und gut, aber nicht für die Politik. Jedenfalls nicht für die, die wir gerade haben.

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Wir brauchen feinere Leute, weil:

Wir sind uns selber nicht mehr fein genug.

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Der Stoiber war vielleicht ein Depp, aber er war ein besserer Schnösel. Der Horst sieht aus, als würde ihm der Anzug nicht passen, aber eine Lederhose auch nicht. Und dieses Grinsen dauernd! Das schaut ja aus, als hätte er sich einmal eine Riesen-Watschen eingefangen, und dann ist es ihm stehen geblieben, das Grinsen.

Ach ja, das alte Mädchen, das muss sich schon mit ein paar Problemkindern herumschlagen. Die Angela, das kann ich ihnen sagen. Aber sie kommt ja aus einer Pfarrerfamilie, protestantisch und alles, und sie ist eine Wissenschaftlerin gewesen. Irgendwas mit Atomen oder Maschinen. Deswegen ist sie ja auch gegen diese Präimpdingsda, wegen der Gene und der Zellen und so. Designerbabies. Also, der Gutti, des könnte ich mir schon vorstellen, dass das ein Designerbaby war. Aber die anderen. Ich will ja nichts sagen. Jetzt hat man zum Beispiel gedacht, der Roland hätte eine gute Anstellung in der Wirtschaft und könnte die Familie in Ruhe lassen. Aber nichts. Nachher wird der noch Bundeskanzler. Und dann schaut der auch im Ausland so.

Das alte Mädchen hat die Zügel gar nicht mehr so fest in der Hand, denkt man. Aber das täuscht. Sie weiß ja, wie die Buben sind. Wenn sie sie ein bisschen spielen lässt, hauen sie sich gegenseitig, und wenn es dann richtig weh tut, kommen sie zurück. Und dann ist das alte Mädchen da, und ihre Schwestern.

Die Ursula. Ich weiß, ich weiß, die hat so ein bisschen eine unangenehme Stimme. So wie die, die immer die Namen von den Schwätzern aufgeschrieben hat, wenn der Lehrer aus dem Klassenzimmer gehen hat müssen. Aber man muss sie ja nicht mögen, mein Gott. Hauptsache es ist eine Ordnung.

Also der Horst, das ist wirklich so ein Problemkind. Dauernd sucht er Streit, dauernd wiegelt er die Leute auf. Und dann steht er da. Weil man kann doch nicht der Kasperl und ein Musterknabe gleichzeitig sein, oder? Rechts von uns darf es keine Arschlöcher geben, sagt er, der Horst, ja gut sagt die Familie, dann machst halt du das rechte Arschloch. (Da hören Sie, was ich meine, ich hätte doch früher nicht dauernd Arschloch gesagt. Und schon gar nicht zu einem wie dem Horst. Vielleicht kann der ja gar nichts dafür, dass er eine solche Watsche bekommen hat, dass ihm das Grinsen stehen geblieben ist. Also das ist eine Verrohung, gerade in der Sprache. Ich meine: Wo kommt denn das her? Das wird man doch noch mal fragen dürfen!)

Gutti dagegen, das ist ein Kind nach Muttis Geschmack. Das ist kein Schmuddelkind, der kommt aus der Oberstadt. Das ist, wie soll ich sagen: Die ganze Familie hat was davon. Es ist nämlich so: Eine richtige gute Familie in der Politik, das ist eine bessere Familie. Es ist nicht mehr so wie früher in der Demokratie. Da war die große Familie in Regierung und Parlament so was wie wir selbst, nur eben politisch. Also tüchtig und gewählt und mit Englisch-Kenntnissen und Krawatten und so. Aber so ist das nicht mehr.

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Gutti, das ist ein Kind nach Muttis Geschmack.

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Der Gazprom-Gerd und der Turnschuh-Fischer, der Onkel Bräsig – und wie hieß der noch einmal, der mit seiner Gräfin im Schwimmbad? Das waren Leute, die sind von unten gekommen, und dann haben sie einen Mordsspaß gehabt mit den feinen Anzügen und den Düsenflugzeugen und Kaviar zum Frühstück und alles, aber so ist das heute nicht mehr. Die waren so stolz darauf, wie sie nach oben gekommen sind, dass sie uns da unten wie das Letzte behandelt haben. Und wie ihnen das Spaß gemacht hat, das Regieren und das Verantwortung-Tragen. Die Angela, die hat keinen Spaß beim Regieren, das darf die gar nicht, schon wegen ihrer Religion. Auch keine Verantwortung tragen. Das ist jetzt alles wissenschaftlich und religiös. Der Roland, also gut, der lässt wahrscheinlich einen Kaviar nicht stehen, aber der hat es auch nicht nötig, den täten sie überall nehmen, wo es um ein Geld geht. Der könnte seinen Kaviar auch mit dem Geld aus der Wirtschaft bezahlen. Der Gutti sowieso.

Wir brauchen feinere Leute, weil: Wir sind uns selber nicht mehr fein genug. Da kann man nichts machen. Manchmal wundere ich mich über mich selber. Meine Mutter hätte mich schön verhauen, wenn ich das gesagt hätte, was heute alle sagen. Und wie wir immer so herumlaufen. (Also, ich bin ja gegen Kopftücher, wegen der Demokratie und dem Christentum, obwohl meine Oma, die ist ja auch nie ohne Kopftuch aus dem Haus gegangen. Manchmal beneide ich die Türken richtig, ehrlich wahr, weil es ist zwar das Falsche, aber die können wenigstens noch wissen, was sich gehört.)

Also das mit dem Volk, das regiert, das ist ein Schmarrn. Aber das darf man natürlich nicht laut sagen. Deswegen sage ich so: Politiker müssen was besseres sein. Irgendwie. Und genau das ist die Kunst in der Politik: Auf die richtige Art was besseres sein. Ich weiß gar nicht, ob man so was lernen kann, wenn man nicht protestantisch ist, wie die Angela, oder ein Designer-Baby wie der zu Guttenberg. Gutti, wie wir sagen.

Text: Georg Seeßlen

Bild: screenshot ZDF