Neues von der Deutschland-Saga
So, jetzt ist es passiert. Man hätte es ja kommen sehen können. Weil man ihm halt alles durchgehen hat lassen, dem Buben. Da muss einer doch meinen, es geht alles so. Aber es geht dann eben doch nicht alles so.

Das gibt es ja in vielen Familien. Da ist auf einmal einer, von dem weiß man gleich, der wird etwas Besonderes. Schon wie die Frauen in den Kinderwagen hineinlugen. Also, wenn sie dürfen. Da ist eine Bewunderung, sage ich Ihnen. Und wie er dann schaut, wenn er fotografiert wird. Alle wissen gleich: Das wird einmal ein Besonderer. Und das merkt der dann natürlich auch, dass alle sagen, dass das einmal ein Besonderer wird, und dann weiß er es natürlich auch selber und lässt gar nichts anderes mehr gelten als das Besondere an ihm.

Mein Gott, dem Karl-Theodor hat man es natürlich auch leicht gemacht. Goldene Löffel und Reiten und Klavierunterricht und Diener und alles. Der kommt aus gutem Hause, und der Vater heißt Enoch von und zu. So musst du erst einmal heißen. Kennst du vielleicht einen, der Enoch heißt, ohne dass der ein Schloss hat und Kunst und Diener und Reiten und was weiß ich? Ich nicht. Heißt dein Kaminkehrer vielleicht Enoch? Ein Enoch ist einer, der im Schloss bleibt, ein Karl-Theodor ist was Besonderes, und der muss in die Politik. Ist doch klar.

Er ist also von seinem Schloss in die Familie von dem alten Mädchen gekommen. Das war, wissen Sie noch, wie es gerade so drunter und drüber gegangen ist: Den Onkel Bräsig haben sie davongejagt, der macht jetzt da im Südwesten herum und mit Medien und so, und der Horst, ja du lieber Himmel, der wollte halt immer was Besonderes werden, wie es schon ein andermal ein Bayer war, aber das hat nicht getaugt. Weil der Horst, seien wir doch mal ehrlich, der Horst ist nichts Besonderes. Ich meine, mögen hätte er schon wollen, aber können hat er nicht gedurft. Weil das alte Mädchen natürlich schon schaut, dass niemand ihr hineinredet oder ernsthaft dumm kommt. Deswegen hat der Horst immer nur gemault irgendwie, aber es ist nie mehr dabei ­herumgekommen, als dass einem manchmal das Essen nicht mehr so geschmeckt hat. Und sogar das mit den Frauen! Mei, so eine Sexualsau wie der Horst in seinem ganzen Leben ist doch der Berlusconi da drüben an einem Tag!

Es hat ein Besonderer kommen müssen, damit am Tisch des alten Mädchens mal wieder irgendwas los ist, bei dem es sich überhaupt lohnt, dass man seine Kameras und seine Bleistifte oder seine Laptops auspackt. Das wissen Sie ja sowieso, was so ein Journalist verdient, also quasi nix. Und wenn er jetzt nur schreiben kann: Da hat die Angela Merkel das gesagt, und dann sagt der Herr Brüderle das, und der Herr Schäuble sagt, dass er dazu nix sagt, und der Abgeordnete Soundso sagt, dass es schon unerhört ist, was da alles gesagt wird, ja da kommt doch ein Journalist in die Sinnkrise. Oder ganze Zeitungen. Weil, das alte Mädchen hält den Laden ja recht und schlecht zusammen, aber es hat halt alles ein bissel einen öden Geschmack. Und diese Regierungsfrauen! Die Reservemädels. Die tun, als müssten sie wie die Powerfrauen die Gesellschaft umkrempeln, damit sie am Ende endlich wieder zum Kochtopf und in die Kirche dürfen. Stellen die sich so blöd, weil sie damit dem alten Mädchen gefallen wollen, oder weil sie wissen, dass Männer gern blöde Frauen haben? Egal, große Geschichten sind das jedenfalls nicht. Man braucht einen Besonderen.

So ist das also: Der Karl-Theoder weiß, schon von Hause aus, dass er was ganz Besonderes ist, und dann kommt er in die »politische Familie« von dem alten Mädchen (das mit der politischen Familie ist übrigens vom Horst, also manchmal fällt ihm schon was ein, gell), und da merkt man auch gleich: Der ist was Besonderes. Vor allem weil sonst einfach nichts Besonderes da ist. Und dann merken es auch die Reporter und die Fotografen, weil die ja gerade ganz dringend etwas Besonderes brauchen, wegen der Politikverdrossenheit und der Medienkrise. Und dann schreiben sie und fotografieren und filmen und berichten und interviewen und dürfen mit dem Karl-Theodor nach Afghanistan oder sonstwohin. Und klar, sie schreiben: Der Karl-Theodor ist ein ganz Besonderer.

Ein Politiker der Herzen. Gut angezogen. Kann immer noch so schauen, und die Frauen, die schauen ihn auch immer noch so an wie damals, wenn sie in den Kinderwagen geschaut haben. Wenn sie haben dürfen können. Weil bei einem Sohn von einem Enoch von und zu, da kann auch nicht ein jeder in den Kinderwagen schauen. Und dann: Sehen Sie sich diese Frau an! Blond und Mutter und macht eine Sendung gegen Kinderpornos. Also wenn es etwas gibt, für das sich jeder interessiert, dann doch für Kinderpornos. Eigentlich sind Kinderpornos ja schlecht für die Politik. Aber natürlich nicht, wenn man so blond ist und einen Mann hat, der ein besonderer Politiker ist. Jetzt haben wir also zwei: den Besonderen und seine Frau. Seine Frau ist nicht besonders besonders. Aber sie ist eben besonders gut für den Besonderen.

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Ein Politiker der Herzen. Gut angezogen.

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Bald weiß es ein jeder, und das alte Mädchen macht ein Gesicht dazu, ich weiß nicht wie, gegen einen Besonderen kann man ja nichts machen, und es steht vor allem in der Bild: Der Karl-Theodor ist ein ganz Besonderer. Klar gibt es Leute, die das nicht so gut finden. Weil was der Karl-Theodor sonst so macht und redet und tut und bestimmt. Ja, mein Gott, das ist halt Politik. Für Politik interessiert man sich ja nicht so, es geht ja um den Karl-Theodor selber, der übrigens noch ganz viele andere Vornamen hat, aber die kann ich mir nicht merken.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ein Besonderer ist für eine Familie auch nicht immer nur eine Freude. Weil stellen Sie sich das vor: Da machst du schon seit Jahren, ach was, seit Jahrzehnten Politik und kaufst Krawatten und schaust, wie du richtig ins Bild kommst, und was du bei einer Rede mit den Händen machst und so, und dann kommt der Besondere, und alle sagen nur: »Ogottogott­ogottogott! Was ist das für ein niedlicher Besonderer.« Ich will jetzt gar nicht von den Haaren reden und von der Brille. Wenn Sie mich fragen: Der Karl-Theodor, der hätte es vielleicht sogar ohne Haargel geschafft, ehrlich.

Also, das mit dem Besonderen ist so: Wenn eine Familie einen Besonderen hat, dann werden automatisch alle anderen noch uninteressanter, als sie eh schon sind. Und dann gibt es die einen, die sagen: »Also gut, dann konzentrieren wir uns halt auf den Besonderen, das hilft der Familie. Und wir haben alle was davon.« Aber wie das halt so ist mit einem Besonderen, der nimmt auch nicht immer Rücksicht auf die Familie. Und der kriegt überall das beste Trumm Schweinsbraten und einen doppelten Nachtisch und alle wollen mit ihm reden. Das kennen Sie ja aus dem Fern­sehen: Wenn einer neben einem Besonderen steht, dann ist er auch gleich ein bisschen besonders. Meint er. Manchmal ist es genau umgekehrt. Dann sieht einer, der ein bisschen was vom Besondern abkriegen wollte, so aus, wie auf dem Schloss von diesem Enoch der Diener aussieht. Weiß nicht, muss der noch »Euer Durchlaucht« sagen oder was? Ich habe als Kind einmal ein Kasperletheater gesehen, da hat der Kasperl zum König immer »Euer Schnittlauch« gesagt. Fällt mir jetzt gerade so ein. Als Kind hat man eine große Freude an so was. Wenn Sie heute einen Witz über Karl-Theodor machen, ist die halbe Nation beleidigt und spricht nicht mehr mit Ihnen. Das ist einerseits wegen dem Schloss und dem Enoch und den Dienern und der Kunst und allem, und andererseits weil man, wenn man einen Besonderen hat, sich den nicht so leicht wieder nehmen lassen mag.

Und genau das ist jetzt passiert. Wegen der blöden Doktorarbeit. Als würden da ein paar Intellektuelle oder Linke oder Neider gar nicht verstehen, worum es bei einem Besonderen geht: Der ist es von Haus aus. Ach, was sag’ ich: von Natur aus. Der muss doch einen Doktor nicht »machen«, der gehört ihm doch schon von vornherein. Das andere ist doch eine reine Formsache. Das machen die Diener oder Hauslehrer oder Fechtmeister oder Tennislehrer. Ein Besonderer kann sich doch nicht mit jedem Scheiß abgeben. Außerdem kommt es doch auf den Geist an. Und Geist steckt in der Doktorarbeit vom Karl-Theodor. Es ist zwar ein bissel kompliziert, das gehört sich ja für eine Doktorarbeit so, aber ich glaube, es geht darum, dass wir bald ein richtiges Europa haben könnten und dass man da nicht immer so viel Rücksicht nehmen könnte und so. Ein Besonderer muss halt groß denken.

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Jetzt also ist sie da, die schreckliche, die guttenberglose Zeit.

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Aufs Abschreiben allein kommt es nicht an. Schauen Sie sich doch einmal den Hitler an. »Mein Kampf«. Das meiste davon hat er abgeschrieben. Und der hat noch nicht einmal ein Internet gehabt. Aber da sagt niemand was! Und dann haben sie auch noch seine Tagebücher gefälscht.

Nein, ich sage immer: Wegen des Abschreibens hat er nicht gehen müssen, der Karl-Theodor. Sondern weil sie noch nicht reif sind für den Besonderen. Die »politische Familie«. Und der Staat. Und wir alle, das heißt, wir eigentlich schon.

Weil wir ihn aber brauchen, den Besonderen, deswegen kommt er auch wieder, das haben ja alle schon fest versprochen. Schauen Sie, so ein altes Mädchen lebt ja auch nicht ewig. Politisch, meine ich.

Jetzt muss er aber die Zeit nutzen und etwas lernen. Also auf mich wird er ja nicht gerade hören, aber ich sage es trotzdem: Lass dir Zeit, Karl-Theodor! Die Zeit arbeitet für den, der sie nutzt. Und komm’ erst zurück, wenn das Volk so laut nach dir ruft, dass es gar nicht mehr anders geht. Dann, wirst schon sehen, ist auch die politische Familie wieder zu deinen Diensten.

Denn das ist ja das Tolle an einem Besonderen: Wenn er mal kurz weg ist, dann ist sein Geist umso stärker da. Denken Sie nur mal an Barbarossa. Ja gut, das ist jetzt schon eine Zeit lang her. Aber das war so ein Kaiser, der auch etwas Besonderes war. Ich weiß nicht, hat er Türken vertrieben? Das würde jetzt passen, oder hat er eine Rechtschreibreform durchgeführt, jedenfalls war er irgendwann plötzlich weg. Das hatte aber nichts mit einer Doktorarbeit zu tun. Und das Volk? Ja, wir wollen den Barbarossa wieder haben, der sitzt da bloß in einem Wald oder in einer Höhle, der kommt schon wieder. Also gut, der ist jetzt immer noch nicht zurückgekommen, der Barbarossa. Roter Bart heißt das übrigens. So wie das Haargel beim Guttenberg. Irgendwas machen die Besonderen immer mit ihrem Haar, ist Ihnen das schon aufgefallen? Was meinen Sie, was passiert wäre, wenn man dem Hitler oder dem Stalin den Bart weggenommen hätte? Oder Guttenberg mit Locken. Und John-Lennon-Brille. Da sagt jeder: Da kommt ja wieder dieser nervige Rainer Langhans dahergeschlurft. Ab in das Dschungelcamp! Stellen Sie sich Karl-Theoder von und zu Guttenberg im Dschungelcamp vor. Nein, da sind Kinderpornos schon besser.

Wo war ich eigentlich? Genau, beim Barbarossa. Also, der hat jetzt den Zeitpunkt der Wiederkunft verpasst. Da muss unser besonderer Karl-Theodor natürlich auch aufpassen. Nicht zu früh, aber auch nicht zu spät, gell. Aber dafür hat er ja die Bild-Zeitung. Beim Barbarossa hat man das einen Herold genannt. Der hat immer herumtrompetet, was der Kaiser oder der Fürst oder sonst ein Enoch gerade wollte. Da einen Krieg oder einen zweiten Zehnten hier, oder auch einmal eine Hexenverbrennung. Immer mit diesen langen Trompeten, damit es auch wirklich jeder hört. Und jetzt stellen Sie sich vor, der Barbarossa ist weg, aber die Herolde hören und hören mit dem Trompeten nicht auf. Und das Volk wird ganz narrisch. Denn wenn ein Besonderer da ist, dann geht es ja noch, aber wenn er weg ist, dann werden die Leute unruhig. Und dann noch dauernd die Trompeten. Also ich glaube, die hat man Fanfaren genannt. Weil sie viel weniger Töne haben als eine Trompete, wo man dauernd so Knöpfe drücken muss. Man braucht ja auch nicht so viel Töne, Hauptsache, es ist laut genug. Und irgendwie feierlich. Das sind wir ihm schuldig.

Jedenfalls kommt jetzt einmal eine wahrscheinlich nicht so lange Zeit ohne den Besonderen. Die muss das alte Mädchen nutzen, um wieder ein bisschen Ordnung in ihren Laden zu bringen. Aber wissen Sie, das ist gar nicht so leicht, denn ein Besonderer hinterlässt immer so eine nervöse Unruhe, also wie bei Elefanten, wenn so ein Toyota durch die Herde fährt und sie auseinandertreibt, habe ich letzthin im Fernsehen gesehen. Und kaum sind die neuen Minister im Amt, da möchten sie auch schon wieder ein bissel besonders tun. Der eine fängt gleich wieder mit seinem Türkenkrieg an. Der meint, wenn der Sarrazin gut ist und der Guttenberg gut ist, dann tue ich einfach so, als wäre ich eine Mischung aus Sarrazin und Guttenberg. Das ist genau so wie jemand, der glaubt, er würde ein prima Komiker, bloß weil er eine Mischung aus Dick und Doof ist. Die Mischung aus Dick und Doof oder aus Sarrazin und Guttenberg ist aber bloß: normal.

Der Karl-Theodor, das wissen alle, der hat jetzt ein tiefes, schwarzes Loch hinterlassen. Jetzt geht es plötzlich wieder um Politik. Als würde das eine Sau interessieren. Und dann kommt der andere daher und fängt an, an den schönen Militärplänen von ihm herumzusägen, und, wer weiß, nachher kommen sie noch drauf, dass auch der ganze Militärplan und die Berufsarmee und Afghanistan gefälscht wären. Wundern würde mich das nicht. Weil es nämlich darum gar nicht geht.

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Der Karl-Theodor, das wissen alle,

der hat jetzt ein tiefes, schwarzes Loch hinterlassen.

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Ein Besonderer muss gar nicht alles richtig machen. Er muss eigentlich überhaupt nichts machen. Das hat der Karl-Theodor vielleicht noch nicht verstanden. Er ist ja noch jung. Alles, was er in echt gemacht hat, war Murks. Oder es war so normal, dass es nicht weiter aufgefallen ist. Meistens aber war es Murks. Natürlich hat ein Besonderer dann seine Leute, die dafür verantwortlich sind. Wenn man merkt, dass etwas Murks ist, dann wird halt jemand geköpft, dann hat sich die Sache. Bloß haben wir eine Demokratie, und da laufen die Geköpften herum und gehen vor Gericht und geben Interviews. Das gehört abgeschafft. Der Besondere und sein Volk, die können auf Dauer eine Demokratie nicht gebrauchen. Aber das Volk braucht seinen Besonderen. Und da gibt es nicht nur die Bild-Zeitung. Das ist so was, wie die Höhle für den Barbarossa war. Der echte Guttenberg wohnt auf dem Schloss der Enochs, sein Geist hat in der Bild-Zeitung Platz genommen. So fangen Spukgeschichten an. Und draußen sammeln sich schon die ersten KT-Jubler! Der richtige Enoch verkündet ihnen, dass das mit der Fälschung der Doktorarbeit gar nicht wahr sein kann, weil das eine Majestätsbeleidigung ist. Also da hört sich doch wirklich alles auf! Ein Angriff auf die Familie. Nein, nicht die, die andere. Die mit den Reitlehrern und Dienern, und einen Swimming-Pool haben die vor dem Schloss. Vor dem Schloss wahrscheinlich, damit man ihn gut sehen kann. Die Enochs haben einen Swimming-Pool vor dem Schloss, der sieht genau so aus wie der Swimming-Pool von Leuten, die es gerade mal zu einem Bungalow und einem Audi Quattro gebracht haben. Nur größer. Versicherungsmakler, Baugeschäft, Abfallbeseitiger, irgendwas mit Aktien. Wie man halt zu Geld kommt bei uns. Und genau so funktioniert der Karl-Theodor: einerseits das Schloss, und andererseits der Swimming-Pool, der aussieht wie aus einem vergrößerten Neckermann-Katalog. Das war, nein, das ist das Besondere an ihm. Dass er beides hat, das Schloss und den Swimming-Pool. Die alten Enochs hatten nur ihre Schlösser, die »Neureichen« haben nur ihre Pools. Wenn man beides hat, muss man doch was Besonderes werden.

Jetzt also ist sie da, die schreckliche, die guttenberglose Zeit. Und wie gesagt, Bild und die Jubel-KT-Gruppen wollen dafür sorgen, dass sie nicht allzu lang dauert. Und natürlich der Horst. Mein Gott, der Horst. Erst hat man ihm angesehen, dass es ihm die Eier im Sack herumgedreht hat, vor lauter Neid auf den Besonderen. Und jetzt? Jetzt tut er so, als wäre er der einzige Sachwalter und Getreue für die Zeit, wo der Besondere weg ist. Aber was wäre ein Besonderer ohne seine so richtig schön schmierige Entourage? Genauso wenig wie ohne seine Herolde. Und bei beiden weiß man nie so recht, ob sie eigentlich für den Besonderen arbeiten oder ob sie glauben, sie könnten den Besonderen für sich arbeiten lassen.

Die KT-Jubler sind ja auch sehr unterschiedlich. Da sind zum Beispiel die Frauen, die hätten gern ein Kind von Karl-Theodor. Also, das sagen sie natürlich nicht so. Die meisten sind ja eigentlich auch zu alt dafür. Aber es ist halt so ein Traum, wegen der Gene und so. Vielleicht auch wegen des Schlosses und des Swimming-Pooles. Hauptsächlich aber wegen der Gene. Aber das ist nicht so leicht, mit einem Besonderen. Da könnten die Frauen leichter ein Kind vom Horst bekommen, aber das wollen die meisten dann auch wieder nicht. Oder da sind die jungen Männer, die haben sich den Besonderen zum Vorbild genommen. Die wollen im Büro oder im Ortsverein auch so ein Besonderer werden. Und ins Fernsehen und alles. Die meisten Leute aber wollen wirklich nur ihren Besonderen. Der soll die Antwort sein auf all das komplizierte Zeug, auf die Langeweile und den Fortschritt, darauf, dass man niemandem mehr trauen kann und doch alles glaubt, auf das Fernsehen und die Türken.

Auch das alte Mädchen hat sich ja dann doch noch, kurz bevor sie ihn dann losgeworden ist, „eindeutig“ auf die Seite des Besonderen gestellt. Sie hat es so gesagt, dass sie das mit der Doktorarbeit-Fälschung eigentlich gar nichts angeht, weil sie ja einen Verteidigungsminister und keinen Rechtswissenschaftler wollte. Das hat sie schön gesagt. Denn einerseits wollte sie damit den Besonderen ein bisschen an seinen Platz stellen: Es ist immer noch sie, die etwas und jemanden wollen kann, das alte Mädchen kann heuern und feuern, heißt das (wer’s glaubt), und andererseits arbeitet sie mit an der Konstruktion des Besonderen: Ein Besonderer ist den Niederungen rechtsstaatlicher Kleinlichkeit enthoben. Es geht nicht um Moral, sondern: Hauptsache, die Arbeit wird erledigt und das Geschäft geht weiter. Das ist wieder ganz unser pastorentöchterliches, altes Mädchen.

Das ist die Sprache der vernünftigen Politik. So könnte man zu Gaddafi sagen: Wir haben einen Öllieferanten haben wollen und keinen Demokratie-Sachverständigen. Oder nach China: Wir brauchen von dort Stahl und Kunststoff und keine Menschenrechte. Und zur vernünftigen Politik kommen wir jetzt für eine Zeit zurück. Ohne den Besonderen? Nicht wirklich. Er hat ja nicht nur ein schwarzes Loch hinterlassen, ein Buch, aus dem man ein paar wichtige Seiten herausgerissen hat. Er hat auch eine politische Familie hinterlassen, die jetzt ganz anders funktioniert als vor seiner ersten Ankunft. Und die gar nicht mehr anders kann, als auf Auferstehung und Wiederkunft zu warten. So wie wir. Denn wenn man mal einen Besonderen hat, wird man ihn nie wieder los.

Text: Georg Seeßlen

Text erschienen in Jungle World, 10.03.2011