Felsenmonument (© Gross.Max. Landscape Architects/Sutherland Hussey Architects. Pubblicata il 19 Aprile 2011)

Ein Engel für Tempelhof
Das Tempelhofer Feld ist eine leere Fläche, die von Berlinern bisher als Freizeitort genutzt wird. Nun soll eine symbolische Leitfigur auf das Feld gebaut werden.


Der Engel, der vom Himmel herabsteigt, weil er sich nach den Freuden des menschlichen Lebens sehnt. Es war ein raffinierter Schachzug, als Berlins Stadtplaner in dieser Woche die Filmgeschichte bemühten, um ein städtebauliches Mammutprojekt zu legitimieren, gegen das der Bau des falschen Hohenzollernschlosses wie Peanuts wirkt.

Der Engel Damiel alias Bruno Ganz soll als symbolische Leitfigur für den neuen Park dienen, zu dem sich das Feld hinter dem legendären, 2008 geschlossenen Flughafen gleichen Namens verwandeln soll. Fragt sich nur, ob der neue Schirmherr dem Projekt mehr Akzeptanz verschaffen wird.

Zu stehen kommen soll die Figur auf einem „Felsenmonument“ – dem mit Abstand spektakulärsten Detail des kürzlich gekürten Siegerentwurfs der britischen Architekten gross.max und Sutherland Hussey zum weiteren Ausbau des Geländes, das auch ohne erkennbare stadtplanerische Gestaltung zu Berlins beliebtesten Freizeitorten zählt. Danach soll an einem Rand des riesigen Feldes ein „Felsenmonument“ entstehen, auf dessen Spitze die Skulptur eines Mannes steht.

War sie zunächst noch als Wilhelm von Humboldt identifiziert worden, versuchten es die Planer bei einem Bürgerforum dieser Tage auf dem Gelände mit Wim Wenders‘ Kunstfigur aus „Der Himmel über Berlin“. Schließlich sind die Vergnügungen, die zu Füßen des Tempelhofer Engels vor sich gehen, quasi die Reininkarnation irdischen Vergnügens: Grillen, spazieren gehen, Löcher in die Luft starren.

Doch damit forderten sie die Ablehnungsfront nur noch stärker heraus. Es hat zwar etwas Borniertes, wenn der Idee der Architekten sarkastische Ablehnung von Menschen entgegenschlägt, die ihre Vorgärten gern mit bemalten Tonfiguren verzieren, die melancholischer dreinschauen als Bruno Ganz. Die mag auch die irrige Vorstellung treiben, das jetzige Feld sei so etwas wie Natur, die es zu bewahren gelte.

Dabei gilt für die einstige Landebahn des Kalten Krieges dasselbe wie für Mitteleuropa: Jeder Zentimeter ist gestaltete Natur. Auf einem solchen Areal künstlichster Natürlichkeit darf man auch einen Kunstberg aufstellen. Auf dem ein Gelehrter an den artgerechten Umgang mit dem Verschwundenen mahnt, dass es dort nie gab.

Doch hinter der Vehemenz, mit der viele Forumsteilnehmer forderten, dass auf der Brache „keinerlei Bebauung“ stattfinden dürfe, verbirgt sich ein Überdruss an allzu viel zivilisatorisch durchgeformter Lebenswelt, den eine Stadtentwicklungspolitik, die derart auf Partizipationskultur setzt wie neuerdings die Berliner, ernst nehmen sollte. Dass das Nichtgestaltete für viele lockender ist als „ein schönes Park“, wie Eelco Hooftman, einer der Architekten, die Tempelhofer und Neuköllner Wutbürger mit niederländischem Charme von seinen Plänen zu überzeugen versuchte, scheint ihr nur schwer vorstellbar. Ebenso wenig, dass viele Bürger nur ein schlichtes Feld wollen und keine Versuchsstation für „Naturintensivierung“. Gerade weil ihnen auf einem Feld keine Nutzung vorgegeben ist, haben sie es „Tempelhofer Freiheit“ getauft.

Das Konzept der englischen Architekten belässt dem Gelände viel von der Weite und Großzügigkeit – die Attraktionspole der riesigen Stadtbrache, die auch die Verantwortlichen als zu Bewahrende erkannt haben. Doch selbst ihr Minimalprogramm mit dem innen hohlen Felsenmonument, das auch im Winter als Kletterhöhle dienen soll, die sanfte „Durchwegung“, ein großer Lamellenpavillon als Treffpunkt in der Mitte des Geländes und all die schönen Slideshows mit wogenden Blumenwiesen zeigen die Symptome einer bekannten Zivilisationskrankheit: Leere Räume müssen partout besetzt werden!

Text: Ingo Arend

Text erschienen in taz, 04.05.2011

Masterplan phase 3 (© Gross.Max. Landscape Architects/Sutherland Hussey Architects . Pubblicata il 19 Aprile 2011)

Quelle: europaconcorsi.com