Die große Jagd auf Daten
Der Computer-Konzern Apple sammelt die Aufenthalts-Daten der Besitzer von Mobiltelefonen und Hacker spionieren die Daten von Spielkonsolen-Benutzern aus – das sind zwei Schlagzeilen der letzten Tage. Sie zeigen, wie wertvoll und begehrt Daten heute geworden sind.
Am Anfang ist die Zahl. Geburtsjahr, Bankverbindung, Standortkoordinaten – fertig ist der Mensch. Im digitalen Zeitalter ist die Schöpfung eine Rechenoperation. Der Mensch entsteht aus seinem Datensatz und die Daten aus ihm. Das glaubt er jedenfalls. Doch Daten sind eine merkwürdige Materie, so etwas wie tanzender Staub im unendlichen Universum des virtuellen Raumes. Es gibt sie nur im Plural. Einzeln sind sie so wertlos, dass das Wort im Singular gar nicht existiert. Sie werden erst relevant, wenn sie sich zusammenklumpen und eine kritische Masse bilden. Das kann, wie wir nun wissen, auf einem Großrechner von Sony in irgendeinem fernen Land geschehen, aber auch direkt unterhalb der Benutzeroberfläche des geliebten, eigenen iPhones in der Jackentasche. Das Universum ist voller Geheimnisse.
Dass die Apple-Geräte heimlich Bewegungsprofile erstellen, ist mindestens so beängstigend wie die Tatsache, dass bei Sony Daten von 77 Millionen Spielkonsolenbenutzern gestohlen werden können. Die Daten machen Angst, weil sie ungefragt in nächster Nähe auftauchen oder weil sie von Orten oder Festplatten verschwinden, von deren Existenz man zuvor gar nichts ahnte. Entscheidend ist jedoch nicht so sehr ihr Erscheinen oder Verschwinden, als vielmehr die Botschaft, dass nicht der Mensch als moderner Gerätebenutzer der Herr seiner Daten und Bewegungen ist, sondern die Konzerne, deren Geräte er benutzt. Der Mensch sitzt nicht am Steuerhebel seiner Playstation; er wird gesteuert, wenn er da sitzt.
Was waren das für Zeiten, als Diebe noch Postzüge überfielen mit der Waffe in der Hand, als die Panzerknacker mit schwarzen Gesichtsmasken und Schneidbrennern nachts in Tresorräume einstiegen und mit hastiger Gier Juwelen, Geldbündel oder Goldbarren in riesige Säcke stopften. Das sah toll aus, war verwegen und jederzeit verfilmbar. Datendiebe machen dagegen rein optisch nicht viel her, erzielen aber allemal die fettere Beute. Sie haben begriffen, dass die Schatzkammern der Neuzeit nicht im Verborgenen liegen, sondern da, wo die Vielen sich tummeln: Spielen und Telefonieren schafft Reichtum, also graben die Diebe dort. Dass es im Falle Apple der Konzern selbst ist, der die Daten seiner Kunden einsammelt, bei Sony aber anonyme Hacker, ändert daran nichts.
Wertvoll sind alle Daten dann aber doch nur, weil sie auf etwas Wirkliches verweisen: auf Geld – entweder in Gestalt von Bankkonten, die sich abschöpfen lassen, oder in Form von lückenlos dokumentierten Aufenthaltsorten, die werbetechnisch ausbeutbar sind. Die Angst der i-Phone Nutzer aber ist eine ganz andere, wie in zahlreichen Zeitungen nachzulesen war: Stellen sie sich vor, ihr Ehepartner kann auf Ihrem Handy ablesen, wo sie wirklich waren! So enthüllt der große Datenzauber vor allem eins: Dass sich letztlich, Daten hin, Daten her, doch nicht so viel geändert hat. Geld und Spiel und Verlustangst, Liebe und Lüge und Verrat: Das sind die Dinge, um die sich auch die virtuelle Welt dreht.
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