Via Lewandowsky: Neverbeenthere
Künstlerhaus Bethanien, bis 19. Dezember 2010

Afrika, dunkel lockende Welt. Der Erfolg von Tania Blixens 1937 erschienenem Roman ist ein Beleg für die These, dass die Wahrnehmung Afrikas von einer Projektion geprägt war, in der die Sehnsucht nach einer vormodernen Lebensform, romantischer Sexismus und offener Rassismus eine prägestarke Mischung eingegangen sind. Genau dieses Bildgedächtnis versucht Via Lewandowsky in seinem „Zuspiel“ freizulegen, einer neuen Reihe im Ausstellungsprogramm des Künstlerhauses Bethanien, in dem auch solche Künstler zum Zuge kommen, die nicht gerade Stipendiaten des Hauses sind. Der 1963 in Dresden geborene Künstler, der heute in Berlin lebt und arbeitet, zeigt eine 16-teilige Fotoserie, deren Motive aus historischen Fotografie-Bänden zu Afrika (Die Karawane ruft, Die nackten Nagas, Ins Innerste Afrika) aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen: Büffel, nackte Afrikanerinnen, verwunschene Natur. Lewandowsky hat die Bilder leicht verändert, nämlich koloriert. Ob man das wirklich als Reenactment bezeichnen kann, wie es im Begleittext heißt, ist zweitrangig. Der Kunstkniff ermöglicht jedenfalls den retrospektiven Blick auf eine historisch gewordene Wahrnehmung des „schwarzen Kontinents“, die unser Bewusstsein noch bis vor wenigen Jahrzehnten dominierte.

Texte: Ingo Arend

Foto: Via Lewandowsky, (Courtesy Charim Galerie, Wien

Die 16-teilige Fotoserie „Neverbeenthere“ (1997) untersucht Bildmotive von Afrika-Büchern, wie sie unter Titeln wie „Die Karawane ruft“ (Hansjoachim von der Esch), „Die nackten Nagas“ (Christoph von Fürer-Haimendorf) oder „Ins innerste Afrika“ (Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg) bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Deutschland herausgegeben wurden. Im Sinne der Anpassung an die heutige Wahrnehmung von Fotografien wurden die Abbildungen leicht verändert. Das fotografische Reenactment ermöglicht die Betrachtung dessen, was schon einmal betrachtet wurde, aber so nicht mehr betrachtet werden kann. Die imaginative Reise in diesen Bildern wird damit zur Gratwanderung zwischen unserem gewachsenen politischen Wahrnehmungsbewußtsein und dem historischen Blick. (Via Lewandowsky)

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Nevin Aladag: Pattern Matching
Wentrup Projects, Berlin, bis 22. Dezember 2010

Seit Samuel Huntington 1996 sein Buch „Kampf der Kulturen“ vorlegte, hat sich die These in den Köpfen festgesetzt, dass der westliche und der islamische Kulturkreis Muster seien, die nicht zusammen passen. So unverrückbar wie ein binärer Code steht seitdem West gegen Ost: Fortschritt versus Rückschritt, Moderne gegen Vormoderne. Nevin Aladag hat versucht, diese ebenso falsche wie gefährliche Frontstellung aufzubrechen. „Pattern Matching“ hat die 1972 im türkischen Van geborene und in Berlin lebende Künstlerin ihre neuesten Arbeiten genannt. Aus Wollflor, Sisal und Kelim-Stücken hat sie Teppiche gewoben, in den sich orientalische und westliche Muster und Materialien auf der einen Seite „begegnen“: Linie und Arabeske bilden zusammen ein Spielfeld wie beim Fuß- oder Basketball. Und überführen den Kampf der Kulturen so in einen sportlichen Wettkampf. In Zeiten, wo allenthalben das Ende von Multikulti ausgerufen wird, zeigen Aladags bestechende Arbeiten den Vorschein dieser abgeschriebenen Utopie. Wie man nämlich scheinbar entgegengesetzten Mustern eine „schöne“ Einheit formen kann. Muster ohne Wert sind ihre „pattern‘s“ jedenfalls nicht.

Foto: Courtesy Wentrup Projects



Dirk Krecker: “Pink Gelb Grün Blau“
Hello Again. Laura Mars, Berlin, bis 30. Januar 2011

„Um Bilder ging es uns nur in zweiter Linie.“ Mit diesem denkwürdigen Satz hat vor kurzem die Kunstwissenschaftlerin Isabelle Graw erklärt, was vor zwanzig Jahren das Motiv für die Gründung der links-kritischen Zeitschrift „Texte zur Kunst“ gewesen. Dass der Gegensatz beziehungsweise das Konkurrenzverhältnis zwischen Text und Bild, das hier tendenziell aufgemacht wird, einigermaßen problematisch ist, kann man in der Ausstellung Hello again sehen. Und zwar nicht nur weil Text – nicht erst seit der Klassischen Moderne – immer ein Bestandteil von Bild, sogar von Skulptur war, wie man Jan Jelineks beschrifteten Geschirrstapeln aus der Serie „Die Symmetrie aus Sicht der Gastronomie“ sehen kann. Sondern auch, weil sich mit Buchstaben und Text Zustände jenseits des Fixierbaren und Beschreibbaren sichtbar machen lassen; jedenfalls ein Feld dazwischen öffnen, dass auszuloten sich lohnt. Die faszinierenden Photogramme von Margret Holz etwa spiegeln einen Zustand vorsprachlicher Bewusstheit. Und Dirk Kreckers Bilder, die aus der Typografie der Schreibmaschine entstanden sind, gleichen Zeichenteppichen. Ein kleine, präzise kuratierte Ausstellung für Genießer, die gern ganz genau hinschauen.

Bild: Dirk Krecker: “Pink Gelb Grün Blau“, Courtesy Laura Mars Grp.