Macht und Magie der bunten Bilder

Ein Buch über die UFA in Farbe

Hans Albers in "Münchhausen" 1943

Hans Albers in "Münchhausen" 1943

„Münchhausen“ – wer kennt es nicht das Bild von Hans Albers auf der Kanonenkugel? Und die ambivalenten Gefühle, die es auslöst? Denn der trickreiche Ausstattungs- und Abenteuerfilm um den sagenhaften Lügenbaron entstand 1943 als größtes Prestigeobjet der UFA in der NS-Zeit. Joseph Goebbels wollte besonders mit dieser Produktion die Welt von der Leistungsfähigkeit der deutschen Filmindustrie überzeugen. Dabei ging es nicht nur um schauspielerische und tricktechnische Spitzenleistungen, sondern vor allem auch um die Durchsetzung eines eigenen Weltstandards im Farbfilm. Wenige Jahre nach „Vom Winde verweht“ (Victor Fleming, 1939) sollte das deutsche Agfa-Color-Verfahren das Technicolor aus Hollywood ausstechen.

Über dieses verdrängte bzw. tabuisierte Kapitel der deutschen Filmgeschichte ist nun ein ebenso anschaulich-opulenter wie diskussionswürdiger Band erschienen. „UFA in Farbe – Technik, Politik und Starkult zwischen 1936 und 1945“ dokumentiert erstmalig die Produktionsgeschichte und Rezeption der insgesamt 13 Farbfilme, die unterm Hakenkreuz entstanden sind. Dabei gelingt es den Autoren sowohl den richtigen Ton zu treffen als auch den Leser mit neuen Erkenntnissen zu überraschen. Etwa damit, dass diese Filme entgegen der weit verbreiteten Meinung keine Propagandafilme waren. Bis auf eine Ausnahme: „Kolberg“ (Veit Harlan, 1945), ein bis heute sogenannter Vorbehaltsfilm und mit 8,5 Millionen Reichsmark die teuerste UFA-Produktion. Wenngleich er nach Ansicht ausländischer Kritiker alle bis 1945 inszenierten Kriegsfilme aus Hollywood in den Schatten stellte, konnte er doch seine Funktion nicht mehr erfüllen. Der Film hatte die wohl grausigste Premiere, die man sich vorstellen kann. Am 30. Januar 1945 wurden die Filmbüchsen von der deutschen Luftwaffe über der von den Amerikanern besetzten Atlantikfestung La Rochelle abgeworfen.

Interessanterweise hatte sich bereits Ende der 1930er-Jahre die Einsicht durchgesetzt, dass Propagandafilme nicht gut laufen. Und so drehte man vorzugsweise leichte bunte Kost: Märchen-, Tanz-, Kostüm- und Liebesfilme. Ob und wie sich allerdings hinter so harmlosen Titeln wie „Wiener Mädeln“ (1944/45), „Das Bad auf der Tenne“ (1943) „Das große Spiel“ (1942) oder „Frauen sind doch bessere Diplomaten“ (1941) ideologische Botschaften verbargen wird bis heute durchaus kontrovers bewertet. Den dreizehn Filmen ist jeweils ein eigenständiges Kapitel mit viel Bildmaterial gewidmet. Bei der Lektüre gesellt sich zum Schauer auch Faszination. Denn die großzügig präsentierten Abbildungen machen auch bewusst, wie einzigartig Agfacolor war. Die Farben wirken ungleich dezenter, pastelliger, weicher; die Autoren sprechen von lyrischeren Farben, von Farben „mit einem Hauch von Noblesse“ – und so entsteht ein deutlich anderer Bildeindruck als der des eher schreiend-bunten Technicolors aus Hollywood. Auch Francois Truffaut, um ein prominentes und politisch unverfängliches Beispiel zu geben, schwärmte von der besonderen Farbdramaturgie der „goldenen Stadt“, einem sogenannten Jungmädchendrama von 1942. Wie unterschiedliche technische Standards zu vollkommen unterschiedlichen Seheindrücken führen ist ganz nebenbei eine weitere Erkenntnis, welche sich aus dem filmhistorischen Kapitel zum Thema „früher Farbfilm“ ergibt.

Doch das Buch hat einen weiteren Schwerpunkt. All diese Filme sollten nicht nur vom Alltag ablenken, sondern auch kommerziell erfolgreich sein. Durch die Besetzung fast des gesamten europäischen Kontinents und die über Hollywood-Produktionen verhängten Aufführungsverbote war ein riesiger Kino-Binnenmarkt entstanden, mit Kinogängern in dreistelliger Millionenhöhe. Früh hatten Goebbels aber auch Hitler verstanden, dass zu einer erfolgreichen Vermarktung der Ware Film auch große Namen gehören. Also versuchte man das amerikanische Starsystem zu kopieren. Noch bevor die Filme selbst farbig wurden ließen sich die Schauspieler auf Agfacolor-Diafilmen fotografieren. Diese farbigen Portraits, die in Illustrierten, auf Werbeplakaten oder Autogrammpostkarten veröffentlicht wurden, erregten Aufmerksamkeit. Aus privaten Sammlungen und in jahrelanger Arbeit von den Autoren zusammengetragen dokumentieren diese Abbildungen die Attraktivität und Eigenart der damaligen Kinogrößen (und werfen dabei auch ein Licht auf die Homogenität und Uniformität heutiger vor allem weiblicher Hollywoodstars). Idole wie Zarah Leander, die vor 1945 nie in einem Farbfilm auftrat, Kristina Söderbaum, die Ehefrau des Regisseurs Veit Harlan, Emil Jannings, der 1929 den ersten Oscar erhielt, Marianne Hoppe, Lil Dagover, Brigitte Horney, Marika Röck, Heinrich George, um nur einige zu nennen, sind in dieser Bildergalerie versammelt. Wohl nie wieder stießen schöner Schein der Filmwelt und düsterer zeitgeschichtlicher Kontext so augenfällig aufeinander. Man fragt sich auch, wie die Schauspieler in diesem „Spagat“ gelebt haben? Von Hans Albers wird berichtet, er habe es in 12 Jahren NS-Diktatur erfolgreich vermieden, mit einem ihrer Protagonisten abgebildet zu werden. So, als hätten diese, als hätte dies alles niemals existiert.

Es ist schon erstaunlich, dass es sieben Jahrzehnte gedauert hat, bis eine derartige Publikation veröffentlicht wurde. Man muss es den Autoren, nicht zuletzt aber auch dem Verlag, hoch anrechnen, diesen längst überfälligen Beitrag geleistet zu haben. Ein wichtiger Anstoß sich mit diesem dunklen Kapitel der deutschen Filmgeschichte eingehender zu beschäftigen.

Daniela Kloock

UFA in Farbe

UFA in Farbe

Friedemann Beyer/Gert Koshofer/Michael Krüger:

UFA in Farbe – Technik, Politik und Starkult zwischen 1936 und 1945

Collection Rolf Heyne, München 2011,
288 S. mit 340 Abbildungen, 58 Euro.

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