BERLINALE Traumreisen: „Happer´s Comet“ und „Rondo“

HAPPER’S COMET ist eine Folge von Szenen nächtlicher Ruhelosigkeit. Den Regisseur Tyler Taormina, einzig begleitet von seinem Kameramann Jesse Sperling, interessierte was Menschen, die nicht schlafen (können), nächtens so treiben. Lange Einstellungen, in denen zum Teil wenig bis nichts passiert, halten alltägliche Momente in der Dunkelheit fest. Eine alte Dame telefoniert, ein Junge schminkt sich, ein Polizist macht Liegestützen, ein Mann läuft rastlos um sein Haus. Doch manche durchbrechen die reduzierten Aktivitäten und sind auf Roller Skates unterwegs. Der Film, der während der Monate der Pandemie entstand, wurde auf Long Island in umzäunten Wohngebieten und privaten Räumen gedreht, die Protagonisten sind Freunde und Bekannte des Filmemachers. Letzteres erklärt unter anderem auch die Intimität und Intensität der Bilder.

HAPPER’S COMET ist der zweite Spielfilm von Tyler Taormina nach seinem vielbeachteten Debüt „Ham on Rye“ (2019). Die Isolation und Einsamkeit der Figuren, der eigenartige Rhythmus der Montage, die dunklen Bilder und vor allem der in der Post-Produktion hinzugefügte Ton, Geräusche und eine fein ausgesuchte Musik, üben einen Sog aus, dem man sich nicht entziehen kann. Traumartig, ohne jedwede narrative Struktur, auch ohne jeden Dialog oder Kommentar – wie wundervoll ist das denn! – folgt man fasziniert den einzelnen Szenen. Rainer Werner Fassbinder sagte einmal: „Filme müssen aufhören Geschichten zu sein, und anfangen, lebendig zu werden, daß man fragt, wie sieht das eigentlich mit mir und meinem Leben aus“. HAPPER’S COMET gelingt dies. Ein einzigartiger, eigenwilliger und schöner Film! (Forum)

Auch RONDO ist ein komplett unkonventioneller Beitrag, ein filmisches Gedicht, ein bildgewordener Reigen. Hier wird Gegenwärtiges und Vergangenes mit poetischen Bildern verknüpft. Die Filmemacherin Katharina Rivilis konnte für ihr zwei-Personen-Stück mit Luise Wolfram eine Schauspielerin finden, die Leichtigkeit und Tiefgang zu verbinden weiß. Ein Wochenende an der Ostsee, wo ein junges Paar einige Tage verbringt, wirft die Frau in ihre Vergangenheit zurück. Sie war schon einmal hier, jedoch mit einem anderen Mann, einer Liebe , die unglücklich endete. Die Kamera von Giulia Schelhas findet für dieses Oszillieren zwischen verschiedenen Zeitebenen Bilder, die die emotionalen Tauchgänge der Protagonistin und die fast lyrischen Wortbeiträge überzeugend festhalten. RONDO ist ein formal erfreulicher Film, ein aus der Reihe fallender Beitrag innerhalb der Sektion Perspektive Deutsches Kino.

Daniela Kloock

 

Bild ganz oben: Rondo (Regie: Katharina Rivilis) | DEU 2022 | Perspektive Deutsches Kino 2022 | © Giulia Schelhas / DFFB