SUPERPOWER und IN UKRAINE |

Der Film SUPERPOWER von und mit Sean Penn wurde mit Spannung erwartet. Er sollte zeigen, wie und wo sich die Berlinale politisch verortet.

Sean Justin Penn, der mehrfache Oscarpreisträger, Ex-Ehemann (u.a. auch von Madonna), politisch aktiv gegen Krieg und Umweltzerstörung, reist in die Ukraine, nach Kiew. Ursprünglich wollte er zusammen mit Aaron Kaufman „nur“ einen Film über den Mann drehen, der als Schauspieler und Comedian etwas schaffte, was für Penn zunächst vielleicht nur eine beeindruckende Geschichte war. Dass Wolodymyr Selenskyj, der kleine Mann, der für seine Sitcom „Diener des Volkes“ zu Popularität kam, tatsächlich gewählter Präsidenten eines Landes wird, welches sich den Weg zu Demokratie und Freiheit bahnt. Doch dann fallen während der Dreharbeiten vor Ort die ersten Bomben auf Kiew, der Krieg hat begonnen. Doch Selenskyi, der von Anfang weiß, wie die Medienmaschine und Propaganda funktionieren, gibt, trotz der angespannten Situation, sein zugesagtes Interview.

Für Sean Penn zählt im Folgenden nur eine Botschaft: hier kämpft ein Volk bis zum Letzten, für das, was in der sogenannten „freien Welt“ selbstverständlich ist. Viele Interviews mit den unterschiedlichsten Akteuren sollen das belegen. Sie sind schnell geschnitten und mit treibender Musik unterlegt. Vor allem aber wird der Film zu einer Show mit Sean Penn selbst im Zentrum. Die Kamera hält vorzugsweise fest, wie er gegen die Übermüdung antrinkt, Kette raucht, sich die wirren Harre rauft und viel nachdenkt – vor allem über sich selbst. Einmal läßt er sich auch (mit kugelsicherer Weste) in ein Kriegsgebiet fahren. Vor allem jedoch identifiziert er sich zunehmend mit Selenskyj, so sehr, dass ihm bei einer Liveschaltung mit diesem sogar die Tränen kommen. Kein fragender, kritischer oder suchender Blick also, sondern Freiheitspathos pur.

Einen ganz anderen Zugang zum Thema finden hingegen Piotr Pawlus und Thomasz Wolksi in ihrem Film IN UKRAINE. In langen Einstellungen und langsamen Kamerafahrten, die stilistisch an Chantal Akermans Film D´EST erinnern, halten die beiden polnischen Regisseure fest, was dem schnellen Reporter-Blick normalerweise entgeht. Und so gelingt es ihnen, den Fernsehbildern, an die man sich perverserweise schon gewöhnt hat, etwas hinzuzufügen.

W Ukrainie | In Ukraine | POL, DEU 2023 | Regie: Piotr Pawlus, Tomasz Wolski | Forum 2023 © Piotr Pawlus

Sie entdecken Dinge, welche auf das eben noch Gewesene verweisen. Die aufgerissenen Häuser beispielsweise zeigen ihr Inneres. Wir sehen Bücherregale, in denen noch Bücher sind, Betten mit aufgeworfenen Kissen, als hätte gerade eben nur der Wecker geklingelt, oder einen Tisch, auf dem noch intaktes Geschirr steht. Diese Artefakte gelebten Lebens wirken in ihrer Trostlosigkeit um so stärker, als kein Kommentar, keine Musik das Gezeigte meint „untermalen“ zu müssen.

Auch wenn es dynamischer zugeht halten die beiden polnischen Regisseure diesen Stil bei, egal ob Kinder vor einem zerbombten Supermarkt spielen oder blonde Schönheiten auf ausgebrannten russischen Panzern posieren. Letzteres wirkt fast schon touristisch, denn Zivilisten halten mit ihren PKWs an und machen Fotos. Dass neben den Panzern verkohlte Turnschuhe und Unterhosen liegen, die letzten Überreste derer, die im Kriegsgerät saßen, paßt genau so wenig in Propagandabilder wie die vielen Gräber der Getöteten, die ganz genau mit Namen, Geburts- und Todesdaten gefilmt werden. So wird im wahrsten Sinne anschaulich, wie verdammt jung all diese Männer waren. Besonders beeindruckend sind auch die Sequenzen, die den Alltag der Zivilbevölkerung zeigen. Viele alte Menschen, Kinder und Frauen, die in langen Schlangen bei Essenausgaben und Bettenzuteilungen gefilmt werden. Wer unsere Hysterie im Alltag kennt, kann kaum glauben, dass es dort, wo es um’s schiere Überleben geht, so ruhig und höflich zugeht. Kein Geschrei, kein Klagen oder lautes Wort ist zu hören.

Ein durch und durch beeindruckender Film, der den Zuschauer zum Reisenden macht, zum stillen Beobachter – ihm Raum läßt, selbst zu denken und zu fühlen.

Daniela Kloock

Bild ganz oben: Superpower | USA 2022 Regie: Sean Penn, Aaron Kaufman Berlinale Special 2023 | © 2022. THE PEOPLE’S SERVANT, LLC. ALL RIGHTS RESERVED