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Alles dreht sich im Kreis

Ein Film über Sammler, die ihre Schätze zeigen. Beim einen (Tom Hiddlestone) gibt es ein sich drehendes Vinyl zu sehen und zu hören sowie die seltensten Gitarren aus den 1950er, 60er Jahren – in Detroit, Michigan. Bei der anderen, in Marrakesch, fährt in Großaufnahme Tilda Swintons Zeigefinger über die erlesensten Drucke der letzten fünf, sechs Jahrhunderte. Wer will, kann mitlesen, wenn er denn Chinesisch kann. – Nichts sagen! Sich ergreifen lassen! Wenn’s geht.

Die beiden Sammler sind ein Paar, das intensiv zusammenlebt, wenn auch geografisch getrennt. Die Quantentheorie sagt uns, warum. Teilchen nämlich, so wird es uns erklärt, die einmal zusammengehört haben, sorgen auch nach der Teilung dafür, dass sie allen Veränderungen zum Trotz einander verbunden, also angeglichen bleiben. – Hätten Sie’s gewusst?

Aber nun die Hauptsache: Unsere beiden Teilchen sind Vampire, voll zivilisiert, die sich den Stoff nicht selbst besorgen, sondern auf Dealer angewiesen sind. Sie brauchen den Stoff absolut rein. Wegen der Umweltschäden. Also kommen wir ins Krankenhaus, wo Spenderblut verzockt wird. Bezahlt wird mit Geldbündeln aus dem Geldautomaten. – Wie geht das? Mit einer feinen Sammlung gültiger Kreditkarten.

Und wie weiter? Ich mach’s kurz: Die Zivilisation, das sind heute Zombies. Alle, alles krank. Die beiden Sammlervampire behüten die Kultur. Sie sind die Guten. Die anderen, also wir, die Schlechten. Denn inzwischen kann auch das Blut aus der Klinik kontaminiert sein. Die Zivilisation ist Scheiße, und es macht keinen Spaß mehr, Blut-am-Stiel zu schlecken.

Wieder eine Zwischenbemerkung: Ich verhalte mich mit meinem Text ungehörig, denn der Film ist garantiert ironiefrei und humorlos ist er sowieso. Die Vampire meinen es mit der Eis-am-Stiel-Szene ernst. Bloß, ich meine es auch ernst damit, dass der Jarmusch-Film mich enttäuscht hat und ich leider auf Distanz gegangen bin. Jarmusch, der Regisseur von „Mystery Train“ und „Dead Man“! Und jetzt? Ja, traurig ist es und soll es wohl sein, tröpfelnde Sätze zu hören, die sich aus gespitzten Mündern lösen. Tilda Swinton, Merksätze absondernd, ganz auf die prätentiöse Art? Klappt doch niemals! Warum nicht? Jarmusch weiß es: wegen der Entzugserscheinungen! Die beiden Dealer von Denver und Marrakesch sind tot oder kontaminiert. Andere Dealer gibt es laut Drehbuch (Jarmusch) nicht. – Also zurück zur Natur? – Mein Rat, Finale abwarten.

Wer will, findet im Film Erbauliches darin, sich mit dem Plattenspieler im Kreis zu drehen. Eine hochästhetische Montage-, Überblendungs- und Tontechnik vom Feinsten. Und es drehen sich die Platte, der Sternenhimmel, die Verkehrsinsel, die Bänder am Mischpult, die beiden Vampire im Paartanz der Sechziger. Im Kreis. – Tja. Sag ich doch.

Dietrich Kuhlbrodt

Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 12/2013

Bild: © Pandora

Only Lovers Left Alive, von Jim Jarmusch (Deutschland / USA / Großbritannien / Frankreich / Zypern 2013)

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Kritik von Simone Meier auf getidan

 

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Details zur DVD / Blu-ray:

Laufzeit: 123 min
Bild: 1.78:1 (anamorph)
Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch
FSK: ab 12 Jahren