Eines Tages kommt ein gewisser Joan Lui (Adriano Celentano) aus den Himmeln ins heutige Italien, wo es, wie wir wissen, drunter und drüber geht. Er singt, bringt die Leute zum Tanzen, zum Nachdenken, zum Fühlen. Eine Karrierefrau (Marthe Keller) vermarktet seinen Erfolg als singender Prediger, die andere (Claudia Mori) versucht ihn erst zu ignorieren, um ihn dann zu bekämpfen und schließlich (wenn ich die entsprechende Sequenz richtig deute) zu seiner Verkünderin zu werden. Sie ist im übrigen Chefin der kommunistischen Zeitung, und damit haben wir in den beiden Damen die Verkörperung der beiden „Weltanschauungen“. Ferner treten auf: der Teufel in Gestalt von Fu Manchus kleinem Bruder, ungefähr 12 Jünger und Jüngerinnen (so genau läßt sich das nicht sagen, weil Celentano seinen ganzen Clan auf den Set gehievt hat), ein schwarzgewandeter Polizist, der schließlich den Prophezeiungen Joan Luis Glauben schenkt und dankenswerterweise eine Wagenladung voll Dioxin aus dem Verkehr zieht. Es gibt die Vertreibung aus dem Tempel, ein letztes Abendmahl und natürlich die Auferstehung. Zwischendurch singt Celentano mal Bass und mal besser.

Daß dieser Film nichts taugt, liegt keineswegs an einer irgendwie gearteten Blasphemie. Wenn man überhaupt irgend etwas spürt in diesem Film, dann ist es die auf eine italienische, kindische, kommerzielle Art echte Religiosität. Es ist auch nicht der unklare Mystizismus des Autors und Regisseurs von JOAN LUI. Mit YUPPIDU gelang ihm damit ein verstörend hübsches Filmchen. Und es liegt schließlich auch nicht daran, daß keiner der Beteiligten, am allerwenigsten der Regisseur, je zu wissen scheint, worum es in dem Film überhaupt geht und welche Rolle ein jeder spielt. Auf diese Weise sind ja schon veritable Meisterwerke entstanden.

Nein, daß dieser Film nichts taugt, liegt einzig und allein an einer Häufung von handwerklichen Fehlern und Nachlässigkeiten. Das beginnt mit dem Drehbuch, das keinen Rhythmus zwischen den einzelnen Elementen Allegorie, Drama, Musical, Komödie usw. zustande bringt. Dialoge, die einen Zusammenhalt böten, fehlen fast völlig. Oft hat man den Eindruck, es würde improvisiert, aber niemand habe sich getraut, etwas zu zeigen, weil man befürchtet, der Botschaft und Maestro Celentano nicht gerecht zu werden.

Das geht weiter mit der für den italienischen B-Film typischen fahrigen, hektischen Kameraarbeit. Sie gibt Sinn, wo mit der Heftigkeit der Bewegung die Armseligkeit des Sets überspielt werden soll. Hier aber trifft diese Strategie auf ein Bild, das von allem reichlich zu bieten hat. Die Kamera, spektakulär oft, aber meistens ohne ein echtes Ziel, verschleiert sozusagen die Prächtigkeit des Bildes. Dann wieder wird sie statisch, weil der Set selber zu eng wird. Celentano ist nach wie vor der Meister des Nippes, und über das, was auf den jeweiligen Schreibtischen oder in Hinterglasmodellen zu sehen ist, ließe sich eine freundlichere eigene Kritik schreiben.

Handwerkliche Fehler häufen sich auch bei der Choreographie. Sie geschieht nicht für die Kamera; der bleibt vielmehr überlassen, sich aus einem vielfältigen Angebot etwas herauszunehmen. Sie ist zu einfältig, um dabei Überraschungen auszulösen. Tänzer sind als solche zu erkennen, sie haben ansonsten nichts mit der Handlung zu tun. So entsteht ein Film mit Tänzern anstelle eines Tanzfilms. Der nächste Fehler ist die Musik. Fast alle Nummern sind zu lang, geeignet für eine Maxi-Single für die Provinz-Disco, aber nicht um den Fluß eines Films in Gang zu halten. Der Sequenzer scheint die Macht über unseren singenden Messias gewonnen zu haben. Ganz folgerichtig geht in der Handlung die größte Wirkung auch nicht vom singenden, sondern vom schweigenden Celentano aus.

Gänzlich ruiniert wurde JOAN LUl wohl am Schneidetisch. Hat einerseits schon die Kamera versucht, den Arrangements der Szenen den Garaus zu machen, so wird nun durch den Schnitt die wenn auch willkürliche Attraktion spektakulärer Kameraarbeit zunichte gemacht. Ganz abgesehen davon, daß die Montagestrategie von Video-Clips wohl nicht bedenkenlos auf Filme übertragen werden kann, ist die schönste, kitschige Dekoration nichts wert, wenn die Montage uns nicht gestattet, uns auf sie einzulassen.

JOAN LUI ist ein interessanter, absolut danebengegangener Film. Er ist das Paradebeispiel eines sich selbst zerstörenden Produkts, das von zu viel Macht umgeben und gezeugt wurde, um den eigenen Untergang gebührend reflektieren zu können.

Autor: Georg Seeßlen

Text veröffentlicht in epd Film 8/86